Kirche müsse akzeptieren, "Minderheit in einer pluralen Gesellschaft" zu sein

Münsteraner Regens: Könnten ohne Kirchensteuer glaubwürdiger sein

Veröffentlicht am 01.02.2021 um 13:22 Uhr – Lesedauer: 
Hartmut Niehues
Bild: © Privat

Münster ‐ Vieles an Gewohntem wird ohne Kirchensteuer langfristig nicht mehr finanzierbar sei, sagt der Leiter der Priesterausbildung in Münster, Hartmut Niehues. Er ist aber auch überzeugt, dass die Kirche dadurch wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen kann.

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Der Regens des Priesterseminars in Münster, Hartmut Niehues, hat dazu aufgerufen, Ideen für eine lebendige Kirche ohne Kirchensteuer zu entwickeln. Vieles, was die Kirche in Deutschland während der vergangenen Jahrzehnte an Strukturen hervorgebracht habe, werde in Zukunft finanziell nicht mehr tragbar sein, sagte der Priester am Montag im Interview mit dem Internetportal "Kirche + Leben". Um als Glaubensgemeinschaft lebendig bleiben zu können, müsse die Kirche "die institutionalisierten Sicherheiten auf den Prüfstand stellen" und sich "gegebenenfalls davon trennen", so Niehues.

Nach Ansicht des Münsteraner Regens hat die katholische Kirche in Deutschland durch ihre vielen Skandale das Vertrauen der Menschen verloren. Dieses könne sie nur wiedergewinnen, wenn sie zunächst realisiere, dass sie heute eine "Minderheit in einer pluralen Gesellschaft" sei und "dass es viele Menschen gibt, die schlicht mit uns und der Botschaft unserer Kirche nichts zu tun haben wollen". Mit Blick auf die Priesterausbildung sagte Niehues weiter, dass man sich im berechtigten Bemühen um deren qualitative Weiterentwicklung nicht "um grundlegendere Themen in unserer Kirche herumdrücken" dürfe. Als Konsequenz aus einem möglichen Wegfall der Kirchensteuer hält Niehues es etwa nicht für ausgeschlossen, dass Priester zukünftig durch Nebenbeschäftigung in einem anderen Beruf für ihren Lebensunterhalt aufkommen werden müssen.

"Mag im ersten Moment bedrohlich klingen"

"Das mag im ersten Moment bedrohlich klingen", sagte der Priesterausbilder. Er sehe darin aber auch eine "Chance, wie wir bei den Menschen wieder Glaubwürdigkeit gewinnen können". Ein bevorstehender Systemwechsel macht es laut Niehues außerdem notwendig, ein neues Verständnis von Seelsorge zu entwickeln: Diese dürfe zukünftig nicht ausschließlich an die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche gebunden sein. Vielmehr seien alle Getauften dazu aufrufen, das Leben miteinander zu teilen, füreinander da zu sein und in diesem Sinne Seelsorge zu leisten. Die Aufgabe der Hauptamtlichen sieht der Münsteraner Priester verstärkt darin, die Gläubigen für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu sensibilisieren.

Niehues ist seit 1999 Priester des Bistums Münster und leitet seit 2011 das dortige Priesterseminar Borromaeum. Im vergangenen September hatte er nach siebenjähriger Amtszeit nicht mehr für den Vorsitz der deutschen Regentenkonferenz kandidiert. Seine Entscheidung erklärte Niehues unter anderem damit, dass er in der Diskussion um die Reduzierung der deutschen Priesterseminare den Eindruck habe vermeiden wollen, sein Amt zur Sicherung von Münster als zukünftigen Ausbildungsstandort zu gebrauchen. Seit Mitte des letzten Jahres denken die deutschen Bischöfe über eine Konzentration der Priesterausbildung auf einige wenige Seminare nach. Ende Januar hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zuletzt drei regionale Projektgruppen eingerichtet, die bis 2022 über die Zusammenlegung der Ausbildungsorte entscheiden sollen. (mfi)