Über ein Jahr nach Freispruch vom Vorwurf der Missbrauchsvertuschung

Barbarin-Prozess könnte teils zivilrechtlich aufgerollt werden

Veröffentlicht am 20.02.2021 um 10:29 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Mehrere Jahre lang hatte der Fall des ehemaligen Lyoner Erzbischofs Philippe Barbarin die Gerichte in Frankreich beschäftigt. Nun könnte der Prozess teilweise wieder aufgerollt werden. Eine Verurteilung des Kardinals hätte auch symbolische Bedeutung.

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Teile des 2020 beendeten Strafrechtsprozesses gegen den französischen Kardinal Philippe Barbarin wegen Missbrauchsvertuschung könnten zivilrechtlich neu aufgerollt werden. Dies könnte unter Umständen in eine Verurteilung zu Schadenersatzzahlungen durch den früheren Erzbischof von Lyon münden, berichtet die Zeitung "La Croix" (online Freitag). Am 17. März werde die von den Zivilklägern eingelegte Berufung vom Kassationsgericht geprüft. Dessen Staatsanwaltschaft befürworte eine "teilweise" Aufhebung des Urteils des Lyoner Berufungsgerichts, hieß es.

Die Anhörung vor dem Kassationsgericht hat laut dem Bericht keine Auswirkungen auf den strafrechtlichen Aspekt des Falls und stellt die im Januar 2020 verkündete endgültige strafrechtliche Entlastung nicht in Frage. Wenn das Gericht aber dem Staatsanwalt folgte, könnte der Kardinal gegenüber den Opfern zivilrechtlich für mögliche Schäden haftbar gemacht werden. Diese Entscheidung hätte auch symbolische Bedeutung.

Barbarin 2020 freigesprochen

Der rechtlich verzwickte Fall hatte über mehrere Jahre und juristische Instanzen hinweg Schlagzeilen gemacht. Anfang 2020 wurde Barbarin vom Berufungsgericht in Lyon vom Vorwurf der Nichtanzeige sexueller Übergriffe freigesprochen. Während des Prozesses hatte sich neben Barbarins Anwalt auch die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch ausgesprochen.

Zuvor war Barbarin, von 2002 bis März 2020 Erzbischof von Lyon und "Primas Galliens", im März 2019 in erster Instanz wegen Nichtanzeige von Missbrauchsfällen schuldig gesprochen und zu sechs Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Zehn ehemalige Pfadfinder und mutmaßliche Opfer des Priesters Bernard Preynat traten als Nebenkläger auf.

In den Händen des Heiligen Vaters – wenn Bischöfe zurücktreten

Bei Kontroversen um die Amtsführung von Bischöfen taucht irgendwann auch das Stichwort "Rücktritt" auf. Eventuell sagt ein Bischof dann, er lege sein Schicksal "in die Hände des Heiligen Vaters". Aber was heißt das? Über ein besonderes Verfahren.

Bereits 2016 war gegen Barbarin ermittelt worden, weil er Fälle sexuellen Missbrauchs nicht bei den staatlichen Behörden angezeigt habe. Damals stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach einigen Monaten ein; es habe keine Hinweise auf eine Straftat Barbarins gegeben. In einem separaten Prozess wurde der Priester Preynat im März 2020 zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Barbarin lebt seit seinem vorzeitigen Amtsverzicht in einem bretonischen Dorf bei Rennes. Die mehrjährigen Prozesse und das vorzeitige Ende seiner Amtszeit hat er in einem Buch aufgearbeitet. "En mon ame et conscience" (In meiner Seele und meinem Gewissen) erschien im Oktober.

"Ein neues Kapitel" in Lyon

Barbarin sagte damals, er leide darunter, durch die Prozesse zu einem öffentlichen "Symbol für Pädophilie" geworden zu sein. Solche Anfeindungen träfen den weniger prominenten Missbrauchstäter selbst, den Priester Preynat, weniger. Dieser müsse sich nicht auf der Strafe ansprechen oder anspucken lassen. Preynat müsse endlich öffentlich um Entschuldigung bitten. Die Opfer litten seit Jahrzehnten, viel länger als er selbst.

Ende Oktober ernannte Papst Franziskus Olivier de Germay (60), zuvor Bischof von Ajaccio auf Korsika, zu Barbarins Nachfolger in Lyon. De Germay sagte bei seiner Amtseinführung im Dezember, die Katholiken in Lyon wollten nun endlich wieder "vorwärts gehen" und "ein neues Kapitel aufschlagen". Er selbst wolle alles dafür tun, die Einheit der Diözese wiederherzustellen. (KNA)