Staatliche Missbrauchskommission zeigt vier polnische Bischöfe an
Polens staatliche Aufarbeitungskommission für sexuellen Kindesmissbrauch hat den Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz und drei weitere Bischöfe bei der Generalstaatsanwaltschaft angezeigt. Es bestehe der Verdacht, dass Dziwisz, Bischof Roman Pindel von Bielsko-Zywiec (Bielitz-Saybusch) sowie dessen Vorgänger Tadeusz Rakoczy und dessen Weihbischof Piotr Greger die gesetzliche Mitteilungspflicht von Sexualstraftaten missachtet hätten. Das geht aus einem Schreiben der Kommission vom 4. März an den Anwalt eines Missbrauchsopfers hervor, das der private Nachrichtensender TVN24 (Donnerstag) auf seiner Website veröffentlichte.
Sein Mandant, Janusz Szymik, hatte dem Gremium Mitte Februar bei einer nicht öffentlichen Sitzung berichtet, dass er als Kind in den 80er Jahren im südpolnischen Bistum Bielsko-Zywiec fünf Jahre lang von einem Priester missbraucht worden sei. Er habe den Täter Jahre später zunächst beim damaligen Ortsbischof Rakoczy und dann vor rund zehn Jahren mit Unterstützung des Priesters Tadeusz Isakowicz-Zaleski beim damaligen Krakauer Erzbischof Dziwisz angezeigt. Letzterer war als Metropolit für das Bistum Bielsko-Zywiec zuständig. Die Geistlichen hätten aber nicht die notwendigen Schritte eingeleitet.
Die Kommission teilte am Donnerstagabend mit, sie habe insgesamt sechs Geistliche wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht angezeigt. Sie nannte allerdings keine Namen. Polens Bischofskonferenz äußerte sich zunächst nicht direkt zu der Entscheidung der staatlichen Kommission. Primas Erzbischof Wojciech Polak betonte hingegen, die Bischofskonferenz sei zur Zusammenarbeit mit dem Gremium bereit. Man müsse sich "um die geschädigten Menschen kümmern", sagte er bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Bischofsvollversammlung am Donnerstag in Warschau.
Die Bischöfe weisen die Anschuldigungen zurück. In Polen müssen seit 2017 Personen, die "glaubhafte" Informationen über bestimmte Straftaten erhalten, "unverzüglich" die Polizei oder die Staatsanwaltschaft benachrichtigen. Tun sie dies nicht, drohen ihnen bis zu drei Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft Krakau hatte im Januar eine Strafanzeige gegen Dziwisz zurückgewiesen. Der 81-jährige Kardinal habe keine Straftat begangen, denn seinerzeit, von 2006 bis 2012, sei er nicht gesetzlich verpflichtet gewesen, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft derartige Vorwürfe gegen Priester zu melden.
Fall sorgte im Herbst für Aufsehen
Der Fall hatte bereits im Herbst für Aufsehen gesorgt. Dziwisz hatte damals angekündigt, sich mit Szymik treffen zu wollen. Zu einer Begegnung sei es aber bisher nicht gekommen, sagte Szymik dem TV-Sender. Der Kardinal zählt zu den prominentesten Kirchenmännern in Polen. Er war persönlicher Sekretär von Papst Johannes Paul II. während dessen gesamtem Pontifikat (1978-2005) und anschließend bis 2016 Erzbischof von Krakau. Im vergangenen Jahr sorgte die TV-Reportage "Don Stanislao. Das andere Gesicht von Kardinal Dziwisz" für Aufsehen. Darin wird Dziwisz unter anderem vorgeworfen, von sexuellem Kindesmissbrauch durch den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel Degollado (1920-2008), und dem früheren US-Kardinal Theodore McCarrick gewusst und beide dennoch gestützt zu haben. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, hatte sich angesichts der Vorwürfe dafür ausgesprochen, dass der Vatikan die Vorwürfe gegen Dziwisz prüft.
Die vom polnischen Parlament eingesetzte staatliche Kommission arbeitet seit November Missbrauchsfälle auf, die ihr aus den Bereichen Bildung, Kultur, Freizeit und Sport sowie den Religionsgemeinschaften gemeldet werden. 53 der 190 bislang behandelten Fälle betrafen 53 Geistliche.
Die Bischöfe hatten zuletzt die kirchlichen Präventionsmaßnahmen gegen Kindesmissbrauch verstärkt und eine Stiftung zur Unterstützung von Betroffenen von sexualisierter Gewalt gegründet. Primas Polak legte bei der Vollversammlung einen ausführlichen Bericht seiner Arbeit als Beauftragter für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor. Systemische Maßnahmen in der Kirche gegen neue Missbrauchsfälle und professionelle Hilfe für die Opfer seien entscheidend für eine "Änderung der Mentalität und der Verfahren", so der Erzbischof.
Bistum weist Vorwurf mangelnder Zusammenarbeit zurück
Das Bistum Bielsko-Zywiec hat sich indes gegen den Vorwurf mangelnder Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft beim Thema sexueller Kindesmissbrauch gewehrt. Es erklärte am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung, es habe alle ihm bekannten Missbrauchsfälle dem Strafverfolgungsbehörden gemeldet. Auch die Fälle aus der Zeit vor der Einführung der Anzeigepflicht im Juli 2017 seien der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden.
Das Bistum betonte, auch den Fall Szymik habe der Kanzler der Diözese den Behörden übergeben. "Wir betrachten die Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden als eines der Hauptprinzipien der wirksamen Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen", hieß es. Bischof Pindel habe zudem im Februar 2014, einen Monat nach seinem Amtsantritt, eine kirchliche Untersuchung gegen Jan W. eingeleitet. Im Dezember 2017 habe die vatikanische Glaubenskongregation rechtskräftig Sanktionen gegen W. verhängt. Nähere Angaben zum Urteil machte das Bistum nicht.
Szymik hatte den Priester nach eigenen Angaben bereits 1993 erfolglos bei Bischof Rakoczy angezeigt. 2012 wandte er sich über den Geistlichen Tadeusz Isakowicz-Zaleski an den damaligen Krakauer Erzbischof Dziwisz, da das Bistum Bielsko-Zywiec nicht auf seine Anzeige reagiert habe. Dziwisz war als Metropolit für das Bistum zuständig. Zu Beginn der Ermittlungen 2014 wurde Szymik von Weihbischof Greger angehört.
Isakowicz-Zaleski, der als Pfarrer Missbrauchsopfer vertritt, bezeichnete die Anzeige der vier Bischöfe durch die staatliche Kommission als ein "Erdbeben". "Die, die ihre Pflichten vernachlässigt haben, sollten gehen und die Konsequenzen tragen", sagte er dem Internetportal wp.pl. (tmg/KNA)
11.3., 18:30 Uhr: Ergänzt um Polak. /rom
12.3., 13:15 Uhr: Ergänzt um die letzten vier Absätze. /rom