Kölner Missbrauchsgutachten habe Defizite aufgezeigt

Juristen mahnen mehr Qualität und Transparenz bei Kirchenrecht an

Veröffentlicht am 26.03.2021 um 14:19 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg/Bonn ‐ Die Kirche verwaltet sich in weiten Teilen selbst – auch durch ein eigenes Recht. Diese Freiheit brauche Verantwortung, betonen zwei prominente Juristen. Sie fordern größeres Augenmerk auf Qualität und Transparenz bei der bischöflichen Gesetzgebung.

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Die Kirche soll ihr eigenes Recht und ihre Gesetzgebung an hohen Qualitäts- und Transparenzstandards ausrichten, fordern der Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Ansgar Hense, und der Justitiar des Erzbistums Hamburg, Karl Schmiemann. In einem am Freitag veröffentlichten Beitrag für das theologische Feuilleton "Feinschwarz.net" rufen Hense und Schmiemann die bischöflichen Gesetzgeber dazu auf, bei der Ausübung des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts bei der Gesetzgebung eine vergleichbare "Legislativqualität wie im staatlichen Bereich" einzuführen. "Wer nicht oder nichts regelt oder auch nur unvollständig oder mangelhafte Qualität promulgiert, provoziert einerseits Fragen nach dem Schutz seines rechtlichen und besonders verfassungsrechtlichen Status und ruft andererseits zugleich Fragen der Glaubhaftigkeit seines Wirkungswillens hervor", so die Juristen.

Kirchliche Gesetze werden direkt durch den Papst, den Diözesanbischof oder in bestimmten Fällen durch die Bischofskonferenz ohne eine staatlichen Parlamenten ähnliche Beratung und Beteiligung erlassen. Das werfe Fragen danach auf, welche Gesetze es überhaupt brauche. "Wer ist daran zu beteiligen und wie erfolgt die dazu notwendige Dokumentation, wie hoch ist der Grad der Publizität? Wie viel braucht es an kirchengesetzlicher Normierung oder noch besser, auch nicht?", fragen die Autoren und mahnen einheitliche Standards für Gesetzgebungsprozesse an, "damit kirchliche Gesetze die ihnen zuzumessenden Qualitäten aufweisen".

"Umfassende Rechtsunkenntnis in der gesamten Kurie"

Zuletzt habe das Kölner Missbrauchsgutachten der Kanzlei Gercke und Wollschläger gezeigt, dass es "Klärungsbedarfe und Verbesserungsnotwendigkeiten" in der kirchlichen Setzung und Anwendung von Gesetzen brauche. Das in der vergangenen Woche vorgestellt Gutachten hatte eine "umfassende Rechtsunkenntnis in der gesamten Kurie" festgestellt. Bis in die höchsten Kreise kirchlicher Verantwortungsträger hinein sei die Kenntnis des kanonischen Rechts im Allgemeinen und des kirchlichen Strafrechts im Besonderen ausgesprochen defizitär gewesen, so das Gutachten weiter. Ein Teil des Problems sei mangelnde Transparenz darüber, welches Recht überhaupt bestehe. Es sei "Praxis des Heiligen Stuhls, Gesetzestexte nicht in jedem Fall zu veröffentlichen und nicht dafür zu sorgen, dass sie jedem Rechtsanwender zur Kenntnis gelangten". Um der mangelnden Rechtskenntnis im Bereich des Strafrechts Abhilfe zu schaffen, bietet die Päpstliche Universität Gregoriana ab dem kommenden Studienjahr einen strafrechtlichen Aufbaustudiengang für Kirchenjuristen an, der sich unter anderem mit Verfahrensrecht, psychologischen Aspekten von sexualisierter Gewalt und den Rechtsgrundlagen des kirchlichen Strafrechts widmet.

Auch im deutschsprachigen Raum sind nicht in allen Diözesen Rechtssammlungen und kirchliche Amtsblätter einfach zugänglich. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind Bistümer zunehmend dazu übergegangen, die Amtsblätter auch online verfügbar zu machen. 20 der 27 Bistümer in Deutschland stellen ihr Amtsblatt bereits online zur Verfügung; in Aachen, Augsburg, Bamberg, Eichstätt, Erfurt, Mainz, München und Freising sowie der Katholischen Militärseelsorge sind an aktuellen Entwicklungen im Diözesanrecht Interessierte auf einen kostenpflichtigen Bezug per Post oder einen Bibliotheks- oder Archivbesuch angewiesen. (fxn)