Bischöfe diskutieren über Sexualethik der Kirche

Zeitgeist oder Zeichen der Zeit?

Veröffentlicht am 12.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Sexuallehre

Bonn ‐ Unter deutschen Bischöfen wird erstmals seit mehreren Jahrzehnten offen über Fragen der Morallehre diskutiert. Vorausgegangen war eine vatikanische Umfrage, die zutage brachte, dass die kirchlichen Aussagen zu Sex vor der Ehe, Homosexualität, zu wiederverheirateten Geschiedenen und zur Geburtenregelung bei deutschen Katholiken kaum Akzeptanz finden oder "überwiegend explizit abgelehnt" werden.

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Seit der kirchenamtlichen Feststellung , dass zwischen Lehre und Leben ein großer Graben klafft, steht die Frage im Raum, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Kann eine Lehre Bestand haben, wenn sie dem "Glaubenssinn des Gottesvolkes" widerspricht, wie manche Theologen sagen? Oder muss die Kirche auch dann an einer einmal als richtig erkannten Lehre festhalten, wenn sie dem Zeitgeist zuwiderläuft?

Die Fragen sind auch eine Folge des Franziskus-Effekts, denn durch den neuen Papst kommen Themen zur Sprache, die lange Tabu waren. Spannend ist die Debatte nicht nur mit Blick auf die Weltbischofssynode im Oktober, sie dürfte auch die Mitte März anstehende Wahl eines neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz beeinflussen. Denn zuvor wollen die Bischöfe darüber beraten, welche Herausforderungen auf die Kirche in Deutschland zukommen und welche Person nun der geeignete Vorsitzende wäre.

Ackermann sieht Veränderungsbedarf

Den Aufschlag zur Moraldiskussion hat der Trierer Bischof Stephan Ackermann gemacht: Er sehe Veränderungsbedarf für Moral und Sexualethik seiner Kirche, sagte der 51-Jährige in einem Redaktionsgespräch mit der "Mainzer Allgemeinen" . Es sei nicht mehr zeitgemäß, eine zweite Ehe als Todsünde anzusehen und Wiederverheirateten die Zulassung zu den Sakramenten dauerhaft zu verweigern. Es sei ebenfalls nicht haltbar, vorehelichen Sex generell als schwere Sünde zu bewerten, so der Bischof. Die von Papst Paul VI. festgelegte Unterscheidung zwischen natürlicher und künstlicher Verhütung ist für Ackermann "auch irgendwie künstlich", das verstehe niemand mehr.

Der Trierer Bischof betonte, es gehe nicht um grundsätzliche Änderungen der Lehre. Es gelte, das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen zu stärken, um eine "Gewissensentscheidung dann aber auch zu respektieren". Diese Einschränkung verhinderte allerdings nicht, dass Ackermanns Thesen mittlerweile von einigen Amtsbrüdern offen kritisiert werden.

Der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann.
Bild: ©dpa/Fredrik Von Erichsen

Der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann.

Am Dienstag meldeten sich die Bischöfe Konrad Zdarsa (Augsburg) und Heinz Josef Algermissen (Fulda) über das Internetportal kath.net zu Wort. Ebenfalls über kath.net hatten sich auch die Pressesprecher der Bistümer Eichstätt und Regensburg, offenbar im Namen ihrer Bischöfe, von Ackermanns Äußerungen distanziert.

Zdarsa: Katechismus als Richtschnur

Zdarsa wirft dem Trierer Bischof indirekt vor, dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Der Katechismus sei "Richtschnur dessen, was in der Weltkirche Geltung hat." Und Algermissen ergänzt: "Wahrheit ist keine Sache einer Anpassung." Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick twitterte am Wochenende - ohne Ackermann zu nennen - die Kirche müsse mit Jesus gehen und nicht mit dem Zeitgeist.

Zum anderen kritisieren Zdarsa und Algermissen, dass Ackermann mit seinen Thesen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Algermissen warnte vor "bischöflichen Einzelaktionen", die kontraproduktiv seien. Und Zdarsa erklärte: "Bislang hätte ich allerdings nie gedacht, dass ich einmal so fundiert zur Meinung eines bischöflichen Mitbruders Stellung nehmen muss."

Marx für Überprüfung

Für alle Bischöfe ist klar, dass die Kirche mit ihrer Auffassung von Ehe und Sexualität ein Vermittlungsproblem hat. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx plädierte am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) für eine Überprüfung der kirchlichen Verkündigung in Bezug auf die Sexualmoral. Die Kirche sollte seiner Ansicht nach nicht auf der Basis von Sündenkatalogen und Strafregistern über Moral sprechen, sagte er. Vielmehr gehe es darum, den Menschen dabei zu helfen, ihr Leben unter dem Anspruch des Evangeliums gestalten zu können und zu "reflektierten" Gewissensentscheidungen zu kommen.

Von Christoph Arens (KNA)