"Impfen ist ein Gebot der Solidarität"

Sozialbischof Overbeck: Geimpften Grundrechte zurückgeben

Veröffentlicht am 29.04.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Impfen lassen oder nicht? "Das ist keine statistische Frage, sondern rettet Menschenleben": Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ruft im Interview zur Impfung auf – und erklärt auch, wie er zur Aufhebung der Priorisierung und Lockerungen steht.

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Das Thema Impfen beherrscht die öffentliche Debatte. Mit dem früher oder später erfolgenden Wegfall der Priorisierung rückt für alle Deutsche die Frage in den Fokus, ob sie sich gegen Corona impfen lassen sollen oder nicht. Der Essener katholische Bischof Franz-Josef Overbeck, zugleich Sozialbischof, ruft im Interview dazu auf, sich impfen zu lassen.

Frage: Herr Bischof Overbeck, sollten sich alle Bürger möglichst gegen Corona impfen lassen?

Overbeck: Wir sehen am Beispiel von Ländern mit einer hohen Impfquote, dass das Impfen hilft und die Zahlen der Neuinfektionen heruntergehen. Das ist keine statistische Frage, sondern rettet Menschenleben. Deshalb sind aus meiner Sicht alle Bürgerinnen und Bürger, bei denen keine guten Gründe dagegensprechen, dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen.

Frage: Es gibt rechtlich keine Impfpflicht. Sehen Sie denn eine moralische (Christen)pflicht, sich impfen zu lassen, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten?

Overbeck: Die Impfung schützt nicht nur uns selbst, sondern auch alle anderen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit Geimpfte das Virus nicht weiterverbreiten. Impfen ist darum ein Gebot der Solidarität und der einzige Weg, um die Covid-19-Krise langfristig unter Kontrolle zu bekommen. Dabei müssen wir vor allem global denken. Ein Impfnationalismus von einigen wohlhabenderen Staaten wäre nicht nur unsolidarisch, sondern mit Blick auf mögliche Mutationen auch eine Gefahr für alle Menschen.

Frage: Sollte es angesichts der Lieferengpässe bei den Impfstoffen noch bei der Priorisierung bleiben? Oder ist es zu verantworten, diese jetzt schon aufzuheben?

Overbeck: Der Deutsche Ethikrat hat für die Priorisierung gute und überzeugende Gründe angeführt, die auch jetzt noch gelten. Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen und schwerer Krankheitsverläufe bei der jüngeren Bevölkerung kann ich aber den Wunsch vieler Menschen sehr gut nachvollziehen, möglichst bald ein Impfangebot zu bekommen. Darum halte ich es für klug, dass die Bundeskanzlerin angesichts zunehmender Impfstofflieferungen mit dem Monat Juni eine klare Perspektive für eine Aufhebung benennt.

Frage: Sollten Geimpfte ihre Grundrechte schneller zurückbekommen als andere Bürger?

Overbeck: Die Grundrechte mussten deshalb teilweise eingeschränkt werden, weil der Gesundheitsschutz das geboten hat. Es geht dabei immer um den Schutz anderer Menschen. Wenn Geimpfte das Virus allerdings nicht mehr übertragen können, dann entfällt dieser Einschränkungsgrund schlicht, was vielleicht auf den ersten Blick ungerecht erscheinen mag. Ich hielte es aber für absolut falsch, Grundrechtseinschränkungen nur deshalb aufrechtzuerhalten, weil noch nicht allen Menschen ein Impfangebot gemacht werden konnte oder noch keine Herdenimmunität herrscht. Das sind keine belastbaren Gründe, die sicherlich auch vor Gericht keinen Bestand hätten.

Frage: Haben Sie selbst auch schon eine Impfung bekommen?

Overbeck: Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger im Bistum Essen haben glücklicherweise bereits eine erste Impfung erhalten. Ich selbst kann mich noch nicht dazu zählen, habe aber bereits einen Impftermin vereinbaren können, den ich mit Sicherheit auch wahrnehmen werde.

Von Andreas Otto (KNA)