Bischof Joachim Wanke – Ein prägender Kopf der ostdeutschen Kirche
Im vergangenen Dezember erschien auf der Internetseite des Bistums Erfurt ein lesenswerter Beitrag von Altbischof Joachim Wanke. Unter der Überschrift "Warum ich Christ bin" unternahm Wanke darin den "Versuch einiger biographisch eingefärbter Antworten". Ausführlich reflektiert er in dem immer noch abrufbaren Text über sein Leben als Priester und Bischof sowie über die Situation von Christentum und Kirche in der Gegenwart. Stellenweise liest sich der Beitrag wie ein Vermächtnis, in jedem Fall aber lernt man bei der Lektüre viel über den emeritierten Bischof und seine Verwurzelung im christlichen Glauben. Heute wird Joachim Wanke 80 Jahre alt.
Geboren wurde er am 4. Mai 1941 in Breslau. Nach der Vertreibung aus der Heimat am Ende des Zweiten Weltkriegs siedelte sich seine Familie im thüringischen Ilmenau an, wo Wanke 1960 auch sein Abitur ablegte. Anschließend begann er ein Studium am Priesterseminar in Erfurt, nach dessen Abschluss er am 26. Juni 1966 zum Priester geweiht wurde. Seine erste Stelle trat Wanke danach als Kaplan in Dingelstädt im katholisch geprägten Eichsfeld an. Bereits drei Jahre später kehrte er jedoch für ein Promotionsstudium und eine anschließende Habilitation nach Erfurt zurück; parallel war er in dieser Zeit als Assistent und Präfekt am Priesterseminar in der Stadt tätig.
Vom Professorenstuhl auf den Bischofsstuhl
In den folgenden Jahren steuerte Wanke zunächst auf eine wissenschaftliche Karriere zu. 1974 erhielt er einen Lehrauftrag für Exegese des Neuen Testaments am Philosophisch-Theologischen Seminar in Erfurt, der einzigen akademischen Ausbildungsstätte für Priester in der DDR. Sechs Jahre später wurde er dort zum ordentlichen Professor berufen – schon kurz danach, am 2. Oktober 1980, gab Papst Johannes Paul II. jedoch bekannt, den damals gerade 39-Jährigen für andere, bischöfliche Karrierepläne ausgewählt zu haben.
Die Bischofsweihe empfing Wanke am 26. November 1980 durch den damaligen Berliner Bischof und späteren Kölner Kardinal Joachim Meisner. Und nur knapp zwei Monate später – nach dem Tod von Bischof Hugo Aufderbeck am 17. Januar 1981 – rückte Wanke als Apostolischer Administrator bereits an die Spitze des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen.
Dass Erfurt zur damaligen Zeit kein eigenständiges Bistum war, resultierte aus der deutschen Teilung. Eigentlich gehörten Erfurt und weite Teile Thüringens seit 1930 zu den Bistümern Fulda und Würzburg. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war die kirchliche Verwaltung der nun auf dem Gebiet der DDR liegenden Region aus der Bundesrepublik heraus nur noch schwer möglich. Deshalb wurden ab 1953 Fuldaer Weihbischöfe in Erfurt installiert, um den Bischof von Fulda im östlichen Teil seines Bistums zu vertreten. 1973 wurde diese kirchenrechtliche Konstruktion vom Vatikan aufgewertet und das Bischöfliche Amt Erfurt-Meiningen mit einem eigenen Apostolischen Administrator an der Spitze geschaffen.
Der Mauerfall und die daraus resultierende Freiheit als "großes Geschenk"
Wanke hatte das Amt des Administrators 13 Jahre lang inne, bevor Erfurt 1994 im Zuge der Neuordnung der deutschen Bistümer nach der Wiedervereinigung zu einer eigenständigen Diözese erhoben wurde. Mit diesem Schritt verbunden war auch Wankes Ernennung zum Diözesanbischof. Dieses Amt füllte er weitere 18 Jahre aus, einer der Höhepunkte in dieser Zeit war der auch ihm zu verdankende Besuch von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) in Erfurt und dem Eichsfeld im September 2011.
Benedikt XVI. dankte bei seinem Aufenthalt den ostdeutschen Christen für ihre Treue zur Kirche in der Zeit der DDR. Dazu hatte Wanke beigetragen wie nur wenige andere; er sah seine Aufgabe vor 1989 als Bischof nach eigenen Worten vor allem darin, die katholische Minderheit zusammenzuhalten. Ein Wirken über die Kirchenmauern hinaus in die staatlich verordnete atheistische Gesellschaft hinein war kaum möglich. Umso mehr empfand Wanke den Mauerfall und die daraus resultierende Freiheit als "großes Geschenk". Außerdem, so sagte er vor einigen Jahren, habe ihn die "Wendeerfahrung" gelassener gemacht im Blick auf das gesellschaftliche Umfeld, an dem die Kirche ihren Dienst auszurichten habe.
Als Wanke am 1. Oktober 2012 aus gesundheitlichen Gründen – in den vorausgegangenen Jahrzehnten hatte er sich zwei Herzoperationen unterziehen müssen – von seinem Bischofsamt zurücktrat, ging eine Ära zu Ende. Immerhin war er zum damaligen Zeitpunkt mit mehr als 31 Amtsjahren der dienstälteste Bischof Deutschlands und einer der prägenden Köpfe der ostdeutschen Kirche. Außerdem war er als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), als Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und als Leiter der Kommission zur Revision der Einheitsübersetzung der Bibel immer wieder auch überdiözesan in Erscheinung getreten.
Neymeyr: Weiß Wankes große Leistung zu schätzen
Seinen Ruhestand verlebt Wanke heute unweit des Erfurter Doms. Ganz ruhig ist es allerdings nicht um ihn geworden. Wie schon während seines aktiven Dienstes ist er weiter ein gefragter Gesprächspartner. Interviews gibt er zwar kaum noch, aber wenn es die körperlichen Kräfte erlauben, hält er – seit einem Jahr nur gebremst durch Corona – gut besuchte Vorträge.
Sein Nachfolger auf dem Erfurter Bischofsstuhl, Bischof Ulrich Neymeyr, würdigte Wanke im vergangenen Herbst: "Seit ich im Bistum Erfurt bin, weiß ich seine große Leistung zu schätzen: Er hat die katholische Kirche geführt in der Zeit der Repression durch die SED-Diktatur, in der aufwühlenden Zeit der friedlichen Revolution und in den großen Veränderungen, die die Wiedervereinigung für die Menschen mit sich brachten." Als er selbst, so Neymeyr, 2014 die Berufung zum Bischof von Erfurt angenommen hatte, habe ihn Wanke noch am selben Abend angerufen, "um mir seine guten Wünsche zu sagen. Das hat mich sehr bewegt. Ich bin froh, dass ich ihn immer wieder einmal um Rat fragen kann."