EKD löst Betroffenenbeirat auf – Mitglieder kritisieren Vorgehen
Die Beteiligung von Betroffenen bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist vorerst gescheitert. Der vor sieben Monaten einberufene Betroffenenbeirat wurde aufgelöst, wie die Kirche am Montagabend mitteilte. Teile des Beirats kritisierten das Vorgehen der Kirche als einseitig. "Wir lassen uns nicht auflösen", heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Erklärung, die von vier der insgesamt zwölf Mitgliedern des Gremiums unterzeichnet wurde.
In dem Schreiben erklären die Mitglieder weiter, mit dem einseitigen Schritt versuche sich die EKD der Kritik von Betroffenen an ihren unzureichenden Prozessen der Aufarbeitung zu entziehen. Betroffenenbeteiligung brauche ein starkes Mandat, fachliche Begleitung und Transparenz. Entgegen eigener Verlautbarungen habe die EKD grundlegende Voraussetzungen für eine gelingende Betroffenenbeteiligung bis heute nicht geschaffen, kritisieren die vier Mitglieder. Die zwölf Mitglieder hätten diese Schritte immer wieder angemahnt.
Die EKD hatte in ihrer Pressemitteilung von Montagabend von einer Neuausrichtung der Betroffenenbeteiligung an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gesprochen. Nach den Rücktritten mehrerer Mitglieder und einem Antrag auf Auflösung aus dem Gremium heraus sei die bisherige Konzeption gescheitert. Die EKD plant nach eigener Darstellung, die Arbeit des bisherigen Gremiums zunächst auszusetzen und extern auszuwerten, um die Perspektive der Betroffenen künftig besser einzubeziehen. Auf der Grundlage der Evaluation sollten gemeinsam mit den ursprünglichen Mitgliedern des Betroffenenbeirats neue Formen der Beteiligung diskutiert werden.
Interimslösung
Um die laufenden Prozesse der Aufarbeitung und Prävention auf EKD-Ebene auch im Übergang voranzubringen, gebe es eine Interimslösung. Der Entscheidung für eine Neuausrichtung vorausgegangen seien mehrere Gespräche zwischen dem Beauftragtenrat der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und den ehemaligen und verbliebenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats. Diese hätten zu keinem Konsens geführt.
Dagegen sehen sich die vier Betroffenen des Beirats nicht ausreichend in die Entscheidung eingebunden und bezeichnen die Auflösung als einseitig. "Warum hat der Rat der EKD nicht beim Betroffenenbeirat nachgefragt, bevor er der Empfehlung des Beauftragtenrates gefolgt ist", so Detlev Zander als Mitglied des Beirats. Man verlasse sich dort ganz auf das Urteil des Beauftragtenrates der EKD. Er fordere deshalb, auch den Beauftragtenrat pausieren zu lassen und zu evaluieren. Dort liege das eigentliche Problem. Sprecher des Beauftragtenrats ist der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns. Seit der Konstituierung des Betroffenenbeirats im September 2020 waren insgesamt fünf Mitglieder des zwölfköpfigen Gremiums zurückgetreten. Die extern durchgeführte Evaluation soll nach EKD-Angaben in diesem Jahr abgeschlossen sein.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, bedauerte die Vorgänge. In dieser Situation sollten sich alle Beteiligten "nochmal an einen Tisch setzen", sagte Rörig auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag in Berlin. Dies solle möglichst unter der Beteiligung unabhängiger Dritter geschehen. Rörig sprach von einer "traurigen Situation". Beide Seiten - die Vertreter der EKD auf der einen und die Betroffenen auf der anderen Seite - hätten möglicherweise die Herausforderungen für eine solche Zusammenarbeit unterschätzt. Vielleicht seien auch die Ziele und Grenzen einer Partizipation von Betroffenen unzureichend geklärt gewesen. Er hoffe, dass dies durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage noch nachgeholt werden könne. (tmg/KNA)
11.5., 13:40 Uhr: Ergänzt um Rörig.