Vor 800 Jahren ließen sich die Bettelbrüder nördlich der Alpen nieder

Das ist Deutschlands ältestes Franziskaner-Kloster

Veröffentlicht am 14.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Zunächst wurden sie als Häretiker vertrieben, dann eroberten sie die Herzen der Menschen nördlich der Alpen im Sturm. Seit 800 Jahren sind die Franziskaner in Deutschland. Das älteste erhaltene Kloster steht in Würzburg.

  • Teilen:

"Es ist Luxus, so ein Garten mitten in der Stadt." Bruder Andreas Murk steht am Fenster seines Zimmers im ersten Stock des Franziskaner-Klosters in Würzburg. Der Provinzial der Franziskaner-Minoriten blickt auf Tulpen, Osterglocken, blühende Sträucher. Die Vögel zwitschern. Ob der Garten schon zum ersten Kloster gehörte, das die Brüder des heiligen Franziskus vor 800 Jahren in der unterfränkischen Domstadt gegründet haben, weiß keiner so genau. Auf jeden Fall reicht er für die Geburtstagsfeier, die coronabedingt an Pfingsten kleiner ausfällt als ursprünglich geplant.

Das ändert nichts an der stolzen Tradition, auf die Murk und seine 18 Brüder in Würzburg blicken. Kein anderes Kloster der Franziskaner ist dauerhaft seit 1221 in Deutschland betrieben worden - auch wenn die Brüder erst nach 1249 dort ihr Kloster errichteten, wo sie heute noch sind. Der ursprüngliche Platz am Priesterseminar war zu klein geworden. Ihre Mission, die sie noch zu Lebzeiten des Heiligen Franziskus starteten, wurde zum Erfolg, weil sie eine neue Art von Kirche verkörperten, wie Bernd Schmies von der Franziskanischen Forschungsstelle in Münster erklärt. Innerhalb von zehn Jahren etablierten sie Niederlassungen in fast allen Bischofsstädten.

Kurz vor der Klostergründung sah es alles andere als gut aus

Dabei sah es zwei Jahre vor der Klostergründung alles andere als gut aus. Schon 1219 schickte Franziskus Brüder nach Deutschland, doch sie scheiterten an der Sprachbarriere, wie Schmies berichtet. Nachdem sie gemerkt hätten, dass die Menschen ihnen wohlwollend begegneten, wenn man immer mit "ja" antworte, hätten sie das auch getan, als die Frage gekommen sei, ob sie Häretiker seien. "Daraufhin hat man sie verprügelt und vertrieben", so der Franziskaner-Forscher. Bei der zweiten Mission mit 25 Brüdern dagegen stand mit Cäsarius von Speyer ein Mann an der Spitze, der nicht nur die Sprache beherrschte, sondern auch theologisch gebildet war.

Das Erfolgsgeheimnis der Franziskaner sieht Schmies im Vorbild des Ordensgründers, der als Wanderprediger zu den Menschen ging. Die Menschen in den deutschen Städten erlebten die Brüder in einer Art, die sie bisher von Kirche nicht kannten. "Man hat sich nicht zurückgezogen hinter Klostermauern, sondern man hat unter den Menschen gelebt, teilweise auch vor den Städten, bei den Aussätzigen, so arm wie auch die Menschen waren." In Würzburg war es der "Wöllrieder Hof" am Rande der Stadt, in dem sich die ersten Franziskaner engagierten.

Eine Nahaufnahme der gefalteten Hände eines Franziskaners.
Bild: ©KNA

Vor 800 Jahren ließen sich die Franziskaner in Deutschland nieder.

Diese Tradition ist bis heute geblieben. Jeden Tag holen sich etwa 20 Bedürftige im Kloster eine Brotzeit ab. Bruder Ludwig Moschel packt sie jeden Tag frisch. Einen Berechtigungsschein muss niemand vorzeigen. Finanziert wird das Projekt mit Spenden für Dienste an den heiligen Antonius, ebenfalls ein Franziskaner. Wem der "Schlamper-Toni" hilft, Dinge wiederzufinden, der möge doch spenden, findet Bruder Ludwig. In der Kirche steht der passende Opferstock für das Antonius-Brot.

Bruder Tobias Mattheis ist am Hauptbahnhof unterwegs, um Menschen auf der Straße zu helfen. Mit einer Salbe, einem Pflaster, aber auch mit vielen Gesprächen. Vor knapp 20 Jahren gründete er die Straßenambulanz. Heute lebt er im Kloster Schönau, eine Dreiviertelstunde weg von Würzburg. Drei Mal kommt er weiter in die Stadt. "Für Franziskus war ganz wichtig und klar: Die Welt ist unser Kloster. Also müssen wir auch da zu finden sein, da präsent sein, wo Menschen leben, leiden, lieben und Leben aushalten müssen."

Wie steht es um das arme Leben der Brüder selbst?

Doch wie steht es um das arme Leben der Brüder selbst? Ist es schon Luxus, dass nach der großen Klosterrenovierung in den vergangenen Jahren jeder eine eigene Dusche und ein eigenes WC im Zimmer hat? Und muss es denn ein Holzboden sein? Bruder Andreas Murk verweist auf die älteren Brüder. Aber er spricht auch von dem Spannungsfeld, in dem die Franziskaner heute leben. Ein Teil des Klostergeländes beherbergt seit wenigen Jahren die Erweiterung eines Luxushotels. Per Erbpacht haben die Brüder das Gelände dem Hotel überlassen. Mit den Einnahmen finanzieren sie den Erhalt des Klosters. Eine Immobilie könne auch ein Ballast sein, sagt der Provinzial. Den Aufenthalt im Hotel jedenfalls könnte er sich mit seinen 55 Euro Urlaubsgeld pro Tag nicht leisten.

Und dann kommt er auf das zweite große Thema der Franziskaner zu sprechen: die Schöpfung. Verantwortung für sie kann ebenfalls zu Konflikten führen, sagt Murk. Das Elektroauto etwa, das er fährt, sei deutlich teurer als der einfache Kleinwagen mit Benzinmotor. "Es gilt dann Armut und Schöpfung irgendwie unter einen Hut zu bringen." Immerhin sei es ein relativ kleines, günstiges Modell gewesen.

Von Christian Wölfel (KNA)