Eine neue Welle von Vandalismus in französischen Kirchen
In Ancy-Dornot im Departement Moselle: die schwere Osterkerze heruntergefegt. In der Pfarrkirche von Aytre in der Region Charente-Maritime: Tischläufer verbrannt und zu Boden geworfen. In Loctudy im bretonischen Finistere passiert alle paar Tage etwas anderes: mal werden Kerzen zerbrochen, mal Gegenstände in den Opferstock gestopft. Jeder Vorfall aus den vergangenen Wochen ist für sich genommen nicht dramatisch - aber sie reihen sich ein in eine wachsende Zahl von Vandalenakten in französischen Kirchen, die meist in Wellen auftreten.
Auch in den französischen Überseegebieten waren zuletzt Vandalen unterwegs: Satansschmierereien an einer Pfarrkirche in Bellevue auf Martinique, drei Übergriffe auf die Kirche von Matoury in Französisch-Guayana binnen zwei Wochen. Schon 2019 gab es eine solche Zerstörungswelle, mit Brandspuren auf dem Altar, Einschusslöchern in Kirchenfenstern, Raub von liturgischen Gefäßen und den darin aufbewahrten Hostien; beschädigte Marienstatuen und ein Kreuz aus Exkrementen. 2013 wurden auch Bischofskirchen nicht verschont, binnen weniger Tage die mittelalterlichen Kathedralen von Limoges und Nantes mit Parolen beschmiert und geschändet. Obszöne Schmierereien, Hitler-Bärte und andere Nazi-Embleme, Teufelssymbole wie die Zahl "666" auf einem Altar.
Die schlichte Lust an der Zerstörung
Die Motive all dieser Taten sind denkbar verschieden; Übermut, Frust, Drogenkonsum, Hass oder Habgier. Doch allen ist eines gemeinsam: wachsende Gleichgültigkeit gegenüber den religiösen Gefühlen der anderen. Eine Folge der französischen Übung des Laizismus? Der traditionellen revolutionären Bereitschaft, seinen Überzeugungen auch handgreiflich Ausdruck zu verleihen? Der Verdunstung religiöser Bindungen? Rache für kirchliche Missbrauchsskandale? Oder tatsächlich eine gesellschaftliche Radikalisierung? Bei vielen ist es wohl schlichte Lust am Politisieren und Zerstören in Zeiten einer sozialen Krise.
Die Linie von Frankreichs Bischofskonferenz war zuletzt, sich nicht offiziell zu solchen Wellen von Vandalismus zu äußern. Hintergrund ist wohl, in den Spitzenzeiten nicht durch öffentliche Empörung Trittbrettfahrer ermuntern und so weitere Schändungen vermeiden zu wollen. Behördliche Strafankündigung für die Täter gehört zum verbalen Ritual nach terroristischen oder vandalistischen Straftaten. Natürlich: Verbale Stärke wird einerseits erwartet. Andererseits nutzt sie sich ab.
Nach terroristischen Akten haben Frankreichs Bischöfe in der Vergangenheit davor gewarnt, in die "Falle" der Täter zu tappen und sich über die Medien gegenseitig verbal zu überbieten. Kirchen müssten "offene Orte für die Menschen bleiben". Solche Mäßigung und christliche Gelassenheit wirkt wohltuend - kommt jedoch mit jedem neuen Vorfall auf den Prüfstand. Die meisten Dorfpfarreien können sich Alarmanlagen oder Ähnliches nicht leisten, um ihre Kirchen sorglos offenzuhalten.
Kirchen in Frankreich werden vermehrt Tatorte
Besonders radikal war die Ermordung des 85-jährigen Pfarrers Jacques Hamel in seiner Kirche im Arbeiterort Saint-Etienne-du-Vouvray bei Rouen im Juli 2016. Einer der beiden jungen Islamisten hatte die Tat wie selbstverständlich in den Sozialen Netzwerken angekündigt: "Du nimmst ein Messer, gehst in eine Kirche, du schlachtest jemand ab, trennst zwei oder drei Köpfe ab, damit hat es sich!"
Den Mord verübten sie mit einem Küchenmesser, wie man es zum Gemüseschälen benutzt, stachen einen weiteren 87-Jährigen nieder, der damals knapp überlebte. Während schon ein Einsatzkommando unterwegs war, begann einer der Islamisten mit den traumatisierten Frauen in der Kirche ein gespenstisches Gespräch über Gott und ihren Glauben.
Und der rechtsextreme Theoretiker und Waffenkundler Dominique Venner erschoss sich im Mai 2013 demonstrativ vor dem Hauptaltar der Pariser Kathedrale Notre-Dame. In seinem Blog schrieb er noch: "Wir treten in eine Zeit ein, in der Worte durch Taten bekräftigt werden müssen", um "die Bewusstlosen aufzuwecken". Diese Art des vermeintlichen gesellschaftlichen Weckrufs hat vor allem eines bewirkt: In Frankreich sind Kirchen zunehmend zu einem Tatort für Extremisten und Wutbürger geworden.