Altkatholische Priesterin: "Für Frauen ist es eine Pionierrolle"
Die altkatholische Kirche betont die Gleichberechtigung aller Menschen als Grundsatz. Dazu zählen auch Priesterinnen. Am 27. Mai 1996 wurden Angela Berlis und die inzwischen verstorbene Regina Pickel-Bossau in Konstanz zu ersten Priesterinnen der altkatholischen Kirche geweiht. Im Interview erinnert sich Theologin Berlis an diesen Tag und spricht über die Bedeutung ihrer Weihe.
Frage: Frau Berlis, vor 25 Jahren wurden Sie als eine der ersten Frauen zur Priesterin der altkatholischen Kirche geweiht. Werden Sie das Weihejubiläum besonders feiern?
Berlis: Auf jeden Fall, denn es war - wie auch meine Weihe zur Diakonin am 26. November 1988 - für mich persönlich etwas Besonderes. Auch in der altkatholischen Kirche wird an dieses wichtige Datum erinnert. Für mich sind 25 Jahre ein langer Teil meines Lebens, deshalb werde ich dem Ereignis besonders gedenken. Dabei geht es aber weniger um mich, sondern um den Schritt, den die altkatholische Kirche damals gemacht hat.
Frage: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung an diesen Pfingstmontag vor 25 Jahren?
Berlis: Es war ein großes und berührendes Fest. Die Christuskirche in Konstanz war gesteckt voll, der Gottesdienst wurde sogar nach außen übertragen. Später bin ich oft eingeladen worden, auch in römisch-katholischen Kreisen, um über Frauenordination und Frauen und Kirche zu sprechen. Da gab es immer wieder Leute, die zu mir sagten: Ich war damals auch dabei! Es herrschte eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Die Leute waren sich bewusst: Wir feiern ein Fest, dessen Bedeutung weit über die altkatholische Kirche hinausgeht.
Frage: Wie haben Sie überhaupt zur altkatholischen Kirche gefunden?
Berlis: Als Jugendliche habe ich mich in der altkatholischen Jugendarbeit engagiert. Damals hat die Frauenordination in der Kirche noch keine Rolle gespielt, und ich wollte eigentlich Medizin studieren. Aber nachdem eine Freundin Theologie studieren wollte und unser altkatholischer Pfarrer positiv reagiert hatte, habe ich gedacht: Es könnte sich doch was bewegen...
Als ich 1981 in Bonn mein altkatholisches Theologiestudium angefangen habe, hatte die altkatholische Bischofssynode gerade beschlossen, dass Frauen als Theologinnen angestellt werden könnten. Sie sprach sich auch für einen ständigen Diakonat für Frauen aus. Ich habe damals als Synodale mitgestimmt und habe seither also in meinem Leben die ganze Diskussion mitgemacht. Meine Weihe zur Priesterin war in gewisser Weise ein Abschluss und ein Neuanfang.
Frage: Die Weihe für Priesterinnen fiel auch in der altkatholischen Kirche nicht vom Himmel. Warum kam vor 25 Jahren Bewegung in die Sache?
Berlis: Das Thema der Frauenordination kam ab den 1960er Jahren langsam auf. Gleichzeitig änderte sich damals die Rolle der Frauen, auch in den Kirchen. 1976 erklärte die altkatholische Bischofskonferenz, dass Frauen nicht zum dreifachen Amt - also weder als Bischöfin, Priesterin und Diakonin - zugelassen werden können. Sie ging damit weiter als die römisch-katholische Kirche, die in "Inter Insigniores" nichts zum Diakonat gesagt hatte. Altkatholische Synoden in der Schweiz und in Deutschland votierten damals dafür, den Diakonat für Frauen zu öffnen. Schließlich gab es in den ersten Jahrhunderten Frauen als Diakoninnen. Für Altkatholiken sind Argumente, die sich auf die Alte Kirche beziehen, immer sehr wichtig.
1987 wurde in der Schweiz die erste Frau zur Diakonin geweiht. In den 1980er Jahren hat sich dann die Diskussion vom Diakonat zum Priesteramt verlagert, und die ganze Diskussion fing neu an. Zumal es hier in der Alten Kirche keine vergleichbare Ausgangslage gab.
Frage: Wie nahmen die anderen Kirchen die Diskussion auf?
Berlis: Der altkatholischen Kirche war die Sicht der ökumenischen Partner immer wichtig. Es gab Diskussionen auf der Ebene der einzelnen Kirchen und der Bischofskonferenz, zu denen Theologinnen und Theologen aus der römisch-katholischen, anglikanischen und auch orthodoxen Kirche eingeladen waren.
Innerhalb der altkatholischen Kirchenfamilie - der Utrechter Union - war es eine schwierige Situation. Die altkatholische Kirche in Deutschland war der Ansicht, dass man Frauen die Weihe nicht mehr länger vorenthalten könne. 1994 beschloss die deutsche Bischofssynode die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Ich war damals die einzige Frau, die die Voraussetzungen der Ausbildung erfüllte, und 1996 war es dann so weit...
Frage: Die altkatholische Kirche in Deutschland ist damit also vorgeprescht?
Berlis: Ja, wir waren schneller, und unser Bischof durfte eine Zeitlang sein Stimmrecht nicht ausüben. Schließlich gab es auch gegensätzliche Positionen zur Frauenordination in den Mitgliedskirchen. Die polnisch-altkatholische Kirche in den USA etwa war völlig dagegen und schied sieben Jahre später aus der Utrechter Union aus.
Frage: In der katholischen Kirche gilt die Weihe von Frauen als ungültig. Schmerzt Sie das?
Berlis: Die römisch-katholische Kirche beruft sich auf ihr Kirchenrecht, das die Weihe von Frauen ausschließt. Historisch gesehen ist die Vorstellung, dass die Weihe an das Mannsein gebunden ist, jedoch nur eine mögliche Sicht. Mittelalterliche kirchenrechtliche Kommentare gehen hier und da von der Möglichkeit aus, dass die Weihe aufgrund der Taufe erteilt wird. Historisch gesehen gibt es also einen größeren Spielraum.
Ich möchte etwas Grundsätzliches sagen. Die altkatholische Kirche bezeichnet sich auch als katholische Kirche und argumentiert katholisch - auch im Hinblick auf das Amt. Sie möchte damit zeigen, dass der Horizont des Katholischen so weit gespannt ist, dass unterschiedliche theologische Ansichten Platz haben - auch zur Frauenordination.
Frage: Derzeit lehren Sie als Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte in Bern. Wie verbinden Sie das mit Ihrem Amt?
Berlis: Ich bin als Priesterin im allgemeinen Dienst der Kirche und halte Gottesdienste, aber nicht in der Regelmäßigkeit wie eine Pfarrerin mit eigener Gemeinde.
Frage: Wie viele Priesterinnen der altkatholischen Kirche gibt es heute in Deutschland?
Berlis: In Deutschland gibt es neun Priesterinnen, sechs davon sind im allgemeinen Dienst oder üben ihr Amt im Ehrenamt aus, drei sind gewählte Pfarrerinnen. Frauen in dem Amt sind immer noch in der Minderheit, aber ihre Zahl wächst.
Frage: Woran liegt das? Spüren die Frauen Widerstände? Oder ist es gar nicht so attraktiv, Priesterin zu sein?
Berlis: Ich habe mich anfangs auch über die überschaubare Resonanz gewundert. Die Menschen in den Gemeinden haben sich nach dem langen Diskussionsprozess schließlich überwiegend gefreut, dass nun auch Priesterinnen am Altar standen.
Für die Frauen ist es eine Pionierrolle, die gestaltet und mit Leben gefüllt sein will. Das hat vermutlich manche abgeschreckt. Eine Pionierin erlebt schließlich auch immer wieder Rückschläge und wird mit merkwürdigen Ansichten konfrontiert. In meiner ersten Gemeinde schauten die Leute auf die Uhr und fragten, ob ich nicht nach Hause müsse, um Mittagessen zu kochen; das hätten sie bestimmt keinem Priester gesagt. Aber ich habe gelernt, mit solchen unerwarteten Erwartungen umzugehen.
Frage: In der römisch-katholischen Kirche ist die Diskussion um das Diakonat der Frau im Moment sehr laut. Wie nehmen Sie den Prozess wahr?
Berlis: Ich verfolge das Ringen seit Jahren mit Spannung und Solidarität. Es ist auf jeden Fall an der Zeit - auch weil ich weiß, was sich in der Kirche verändert, wenn Frauen auf der Kanzel stehen und als Seelsorgerinnen wirken. Dabei gibt es viele, die schon jetzt - an verschiedenen Orten in der Seelsorge, in der Leitung von Gemeinden - ihre Frau stehen. Natürlich müssen sie dafür keine geweihte Diakonin sein. Aber: Es spricht aus meiner Sicht auch nichts dagegen, dass sich das, was Frauen da leisten, "Diakonat" nennen darf.
Frage: Warum ist die Weihe für Frauen so wichtig?
Berlis: Wenn Frauen zur Diakonin oder Priesterin geweiht werden, ist das eine Zuerkennung von Autorität ihrer Leitungsfunktion als Frau gegenüber. Außerdem spüren viele Frauen eine geistliche Berufung, Diakonin oder Priesterin zu werden. Dieser Berufung sollte die Kirche keine Steine in den Weg legen.