Vor 800 Jahren kam der Orden nach Deutschland

Dominikaner-Provinzial: "Unser Leben muss überzeugen"

Veröffentlicht am 29.05.2021 um 13:29 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ 1221 kamen erstmals Dominikaner nach Deutschland. Im Interview blickt Pater Peter Kreutzwald, Provinzial der Ordensprovinz Teutonia, auf anstehende Herausforderungen – und verrät, was der heutigen Ordenslandschaft ohne die Dominikaner fehlen würde.

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Seit 800 Jahren wirken die Dominikaner in Deutschland. Pater Peter Kreutzwald, Provinzial der Dominikanerprovinz Teutonia, spricht über die wechselvolle Geschichte, das dominikanische Wirken, das Alleinstellungsmerkmal des Ordens und über die künftigen Aufgaben.

Frage: Herr Provinzial Kreutzwald, werden die Dominikaner ihren runden Geburtstag trotz Corona feiern?

Kreutzwald: Seit 800 Jahren gibt es Dominikaner in Köln und damit wahrscheinlich auch in der Ordensprovinz Teutonia, die im heutigen Verständnis Deutschland ohne Bayern und Baden-Württemberg umfasst. Somit feiert unsere Provinz ebenfalls in diesem Jahr runden Geburtstag.

2016 haben wir den 800. Gründungstag des gesamten Dominikanerordens groß gefeiert. Deshalb wollten wir unser Provinzjubiläum in diesem Jahr eher auf kleiner Flamme begehen. Wegen Corona ist diese nun noch ein bisschen kleiner als geplant. Wir freuen wir uns, dass wir am Pfingstmontag in St. Andreas in Köln einen öffentlichen Festgottesdienst feiern konnten. Wir planen weitere Veranstaltungen, wissen natürlich nicht, ob sie stattfinden können. Wir nehmen unser Jubiläum auch zum Anlass, in die Zukunft zu blicken für weitere feierliche Anlässe: Gerade denken wir mit der süddeutsch-österreichischen Dominikanerprovinz über eine Fusion nach.

Frage: Blicken wir kurz zurück – 800 Jahre sind eine lange Zeit. Was sind die wichtigsten Veränderungen, die der Orden hierzulande durchlaufen hat?

Kreutzwald: Darüber könnte man Bände schreiben, und manche Dominikaner tun das wahrscheinlich gerade (lacht)... Aber ernsthaft: Der Anfang unserer Brüder 1221 in Köln löste eine Entwicklung im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich aus, die wir bis heute spüren. 1248 richteten die Dominikaner in Köln ein Generalstudium ein, einer der ersten Professoren war Albertus Magnus, und Thomas von Aquin wurde sein Schüler. Beiden ist es zu verdanken, dass Aristoteles und sein Denken im christlichen Europa wiederentdeckt wurden. Das Generalstudium der Dominikaner wurde darüber hinaus eine Keimzelle der Kölner Universität.

Frage: Was war noch einschneidend?

Kreutzwald: Natürlich die Reformation, die im 16. Jahrhundert hier in Deutschland startete. Mit der Säkularisation im Laufe des 19. Jahrhunderts mussten wir wie alle Orden unsere Klöster und Konvente aufgeben und durften viele Jahre nicht öffentlich tätig sein. Ab 1895 haben wir in der Provinz Teutonia wieder neue Konvente gegründet und wurden auch in Köln wieder aktiv. Der Nationalsozialismus war auch für Dominikaner unserer Provinz ein Einschnitt, der Narben hinterlassen hat. Ich will nicht behaupten, dass sich Brüder damals durchweg beispielhaft und aufrecht hervorgetan haben. Dennoch gibt es Dominikaner wie Pater Aurelius Arkenau, der posthum zum Gerechten unter den Völkern ernannt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Dominikanerkloster in Walberberg mit seiner Ordenshochschule eine kritische Stimme in gesellschaftspolitischen Debatten der jungen Bundesrepublik. Es ist schon eine Herausforderung, 800 Jahre in wenigen Sätzen zusammenzufassen...

Peter Kreutzwald OP
Bild: ©picture alliance/dpa/Thomas Frey (Archivbild)

Provinzial Peter Kreutzwald (links) bei einer Pressekonferenz der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) im Mai 2019.

Frage: Früher spielte bei den Dominikanern die Bildung eine große Rolle. Wie wichtig sind Bildung und Predigt heute für den Orden?

Kreutzwald: Ob Ordensmensch oder nicht: Bevor man den Mund öffnet und sich äußert, sollte man nachdenken und bereit sein, abweichende Argumente nachzuvollziehen. Unserer Erfahrung nach kann man das erlernen... (lacht) Für uns gehören die Kraft des Glaubens und der Vernunft zur DNA des Ordens. Genauso wie unser Ziel, gut zu predigen, damit wir Menschen den wohlwollenden Gott nahebringen.

Der offizielle Name der Dominikaner lautet ja auch Predigerorden. Predigt macht unseren Kern aus, und zwar in allen Formen der Begegnung mit Menschen. Der heilige Dominikus hat einmal gesagt, die wichtigste Predigt ist der Konvent, also das gemeinsame Leben der Brüder – das muss überzeugen. Und wenn man sich zudem noch nachvollziehbar mitteilen kann, ist das natürlich hilfreich. Dafür muss man aber gebildet sein, also bereit sein dazuzulernen und sich auseinanderzusetzen.

Frage: Sehr bekannt war Ihre Hochschule in Walberberg, die in den frühen 1970er Jahren aufgegeben wurde. Wie sieht es heute in Sachen Bildung aus?

Kreutzwald: Wir haben nach der Schließung der Hochschule provinzweit autarke Institute neu gegründet – eines für Predigtlehre, eines für Geschichtsforschung, sowie ein Institut mit sozialethischem und fundamentaltheologischem Schwerpunkt. Auch wird die umfangreiche Bibliothek nun in Köln weitergeführt. Seit einigen Jahren engagieren wir uns stark bei der Entwicklung des Campus für Theologie und Spiritualität in Berlin – ein Zusammenschluss verschiedener Ordensgemeinschaften und geistlicher Bewegungen wie der Schönstatt-Bewegung, der Alexianer und dem Deutschen Orden mit seinen Werken.

Dabei ergänzen sich die teilnehmenden Orden. Denn die einen sind finanziell besser ausgestattet, die anderen verfügen über mehr Manpower, was Forschung und Lehre angeht. Auch in den Zielen ergänzen wir uns: Die einen möchten den ordenseigenen "Spirit" in Aus- und Fortbildungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Altenheimen weitergeben, die anderen haben Interesse an ordenstheologischer Forschung und Lehre. Ursprünglich wollten wir auch andere Orden, die in Deutschland Hochschulen unterhalten, mit ins Boot holen, wie die Pallottiner, die Steyler oder die Jesuiten. Das ist uns leider bisher noch nicht gelungen.

Frage: Wo liegen weitere Schwerpunkte des dominikanischen Dienstes?

Kreutzwald: Ungefähr ein Drittel der Brüder unserer Provinz ist wissenschaftlich tätig, forscht, lehrt und publiziert. Ein weiteres Drittel begleitet Menschen in speziellen Lebenssituationen, beispielsweise in der Gefängnis-, Hochschul- und Krankenhausseelsorge. Und ein weiteres Drittel arbeitet als Pfarrer in urbanen Gemeinden, etwa in Köln, Berlin und Hamburg.

Linktipp: Ordensmeister der Dominikaner: "Europa ist heute Missionsgebiet"

Dieses Jahr gedenken die Dominikaner des 800. Todestages ihres Gründers: Eigentlich sollten zahlreiche Feierlichkeiten an Dominikus erinnern, doch dann kam Corona. Im katholisch.de-Interview erzählt Ordensmeister Pater Gerard Timoner, warum das kein Drama ist und was Mission heute bedeutet.

Frage: Was würde ohne die Dominikaner in der heutigen Ordenslandschaft fehlen?

Kreutzwald: Ohne uns Dominikaner würde sicherlich eine profunde wissenschaftliche Stimme fehlen. Zum Beispiel wirken die Beiträge des Thomas von Aquin in der Theologie bis heute nach. Die Dominikaner haben die "Summa", die Gesamtausgabe ihres Ordensbruders vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt und kommentiert. Diese "Thomas-Ausgabe" nimmt in der Philosophie, in der Dogmatik und Sozialethik weiterhin eine profilierte Position ein, denn Thomas hat sich mit tief menschlichen Fragen auseinandergesetzt, die zeitlos sind.

Heute engagieren wir uns, um in der direkten Begegnung mit Menschen Zeugnisse für unseren Glauben abzulegen – in Worten, Noten, Versen und Taten, analog und digital. Bei allem bin ich überzeugt: Man sollte sich nicht überbewerten und nicht zu wichtig nehmen (lacht).

Frage: Gibt es außer dem schwarz-weißen Habit ein Alleinstellungsmerkmal, das Sie von anderen Orden unterscheidet?

Kreutzwald: Die Dominikaner gehören zu den Bettelorden, welche – zum Beispiel anders als zurückgezogen lebende Benediktiner – in die Städte mitten unter die Menschen gegangen sind, in wissenschaftlichen Zentren. Wir Dominikaner wollen – ähnlich wie Jesuiten – Glauben und Vernunft miteinander verbinden. Im Unterschied zu ihnen pflegen wir ein intensives Gemeinschaftsleben.

Frage: Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?

Kreutzwald: In der Provinz Teutonia sind wir knapp 100 Brüder, davon einige in der Ausbildung. Zurzeit orientieren sich zwei Anwärter im Postulat, ein Bruder im Noviziat und zehn Brüder leben im Studentat. Verglichen mit anderen Orden dürfen wir uns also über Ordensnachwuchs freuen. Absolut gesehen schrumpfen wir aber; mehr Brüder sterben als neue dazukommen.

Frage: Sie haben eingangs die mögliche Fusion der Provinzen angesprochen. Würde sie der Zukunftssicherung dienen?

Kreutzwald: Wir haben in beiden Provinzen gerade einen gemeinsamen Prozess zur Orientierung begonnen, zur Fokussierung unseres zukünftigen Profils: Wo werden wir gebraucht? Wie wollen wir in Zukunft für Menschen da sein? Welche Schwerpunkte wollen wir dabei setzen? Und wo wollen wir etwas sein lassen? Corona kommt uns natürlich auch dabei in die Quere. Ein Austausch per Zoom ist für alle Brüder nicht dasselbe wie eine persönliche Begegnung. Aber wir werden unseren dominikanischen Weg in die Zukunft gemeinsam finden.

Von Angelika Prauß (KNA)