Grasfresser und Wundertäter: Die Schutzpatrone der EM-Teilnehmer
Auch protestantische Nationen haben einen Schutzheiligen - und ob! Bei der anstehenden Fußball-EM unter Corona-Vorzeichen kann sowas erst recht nicht schaden. Wir stellen die Patrone der 24 Teilnehmernationen und ihre Stärken vor:
Belgien: Nationalpatron von Flamen und Wallonen ist Josef von Nazareth, der Ziehvater Jesu; eine kernige Nummer 6, die auch eigenwillige Spielvorgaben umsetzt und das Handwerk versteht. Eher defensiv als ein Stürmer, ermöglicht er durch Standhaftigkeit und Duldsamkeit das Allergrößte.
Dänemark: Der heilige König Knut IV. (ca. 1043-1086) soll einst angeordnet haben, dass die Weihnachtszeit auf 20 Tage verlängert wird - bis zum Knutstag (13. Januar). Sollte er das EM-Turnier für die Dänen ebenfalls auf 20 Tage verlängern, wäre das ein schöner Erfolg: Viertelfinale! Bei der WM 2018 war im Achtelfinale Schluss.
Deutschland: Wie frustrierend - der Apostel deutscher Tugenden ist ein Brite! Der heilige Bonifatius (672-754) war als Missionar ganz vorne und trieb den Germanen beim Auswärtsspiel in Fulda schon früh den Mythos von der deutschen Eiche aus. 2014 wurde das Team von Jogi Löw durch einen Götzen Weltmeister. 2016 und 2018 lief es dann eher so mittel.
England: Die EU-Aussteiger von der Insel holten ihren Nationalpatron aus der Türkei - Ablösesumme unbekannt. Der heilige Georg von Kappadokien, ermordet um 303 bei der Christenverfolgung unter Diokletian, ist bekannt als tapferer Ritter und Drachentöter. Erklärt sich so, dass die Elf unter dem Georgskreuz niemals kapituliert - außer beim Elfmeterschießen?
Finnland: Laut Überlieferung nahm der heilige Heinrich von Uppsala an einem Finnland-Kreuzzug teil und wirkte dort als Missionar und erster Bischof, wurde aber um 1156 von einem Bauern erschlagen. Heinrich wird dennoch stets stehend gezeigt, den Mörder zu seinen Füßen. "Bischof Henrik" werden elf Wunder zugeschrieben - gar nicht so schlecht für eine Fußball-EM...
Frankreich: Nach dem verlorenen "EM-Finale dahoam" 2016 griffen die Franzosen wieder an - und wurden mit einem ehemaligen Soldaten an der Spitze 2018 Weltmeister. Der heilige Martin, Bischof von Tours (316-397) und gebürtiger Ungar, steht für ein multikulturelles Frankreich. Doch er hat einen schwachen Punkt: Er teilt allzu gern mit anderen.
Italien: Die Nationalpatronin ist eine Sie: Katharina von Siena (1347-1380). Die Ordensfrau hatte in schwierigen Zeiten die Hosen an - und ordnete selbst dem Papst an, wo er zu sein hatte: in Rom statt im französischen Avignon. Eine Frau mit Mut zum Anpfiff!
Kroatien: Der heilige Kirchenvater und Gelehrte Hieronymus von Stridon (347-420) war hochgebildet, doch wegen seines Temperaments permanent rotgefährdet. Theologische Meinungsverschiedenheiten nahm er persönlich. Sein stetiges Gebet: "Sei mir gnädig, Herr, da ich Dalmatiner bin."
Niederlande: Der heilige Willibrord (um 658-739), "Apostel der Friesen" und Gründer von Kloster Echternach, war ein angelsächsischer Missionar aus Nordhumbrien (Northumbria). Ausgangspunkt seiner Friesland-Mission war vermutlich Antwerpen. Die "Elftal" kann einen Schutzheiligen gebrauchen - denn trotz erwiesener internationaler Klasse schaffte sie es zuletzt nicht mehr zu größeren Turnieren. Hup, Willibrord!
Nordmazedonien: Neuer Name, uralte Kultur - das kleine Nordmazedonien, auf Rang 65 der Fifa-Weltrangliste, will nach dem Quali-Sieg über Deutschland auch bei der EM auf sich aufmerksam machen. Mit dabei: Kliment (Clemens) von Ohrid (um 840-916), Musterschüler der Slawenapostel Kyrill und Method. Ihm erging es nach seinem Tod wie der dezentral organisierten EM 2021: Ein Arm liegt in Sofia, ein Finger in Rom, der Kopf im benachbarten Griechenland.
Österreich: Nationalheiliger für Alaba & Co ist Markgraf Leopold III. (1073-1136). Trotz seines Beinamens "der Milde" stand er in der Schlacht immer an der richtigen Stelle. Und wo er es wollte, wuchs kein Wald mehr.
Polen: Unser östlicher Nachbar hat vorne Lewandowski - und ist auch keineswegs knapp an Heiligen. Bischof Stanislaus von Krakau (um 1030-1079) war ein besonderer Kämpfer. Für seine Überzeugung widerstand er sogar dem König und Polens Primas - und bezahlte mit seinem Leben. Zudem steht er für Effizienz. Eine alte Bauernregel sagt: "Wenn sich naht Sankt Stanislaus, rollen die Kartoffeln raus."
Portugal: "CR7" heißt die Dauer-Ikone mit den gezupften Augenbrauen und dem Astralkörper. Und Schutzheiliger des Europameisters von 2016 ist ein demütig gewordener Millionärssohn, Franziskaner und Fastenprediger: Antonius von Padua (1195-1231), Helfer bei Verlusten. Können die Portugiesen mit ihm ihren neuen Weltmachtstatus behaupten?
Russland: Die Russen setzen beim geistlichen Beistand auf Kleinasien. Der Apostel Andreas, Bruder des Petrus, ist ausgerechnet auch Patron des Patriarchates von Konstantinopel, des ewigen Rivalen des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchen. Moskau, das "dritte Rom", vertraut auf den Schutzmann des "zweiten Rom" im Osten. Und: Die Türken sind bei der EM ebenfalls am Start - und die Schotten haben denselben Schutzpatron!
Schottland: Als eines der letzten Teams qualifizierten sich die "Bravehearts" für ihr erstes großes Turnier seit 23 Jahren - durch einen Elfmeterkrimi in Belgrad. In dieser Gegend war auch schon ihr Schutzheiliger unterwegs; allerdings als Missionar, nicht zum Toreschießen. Für den Apostel Andreas, Bruder des Petrus, wird in Schottland alljährlich am 30. November, dem Nationalfeiertag, der St. Andrews Day zelebriert. Die schottische Flagge basiert auf dem Andreaskreuz (engl. saltire) mit den schrägen Balken.
Schweden: Die heilige Birgitta (1303-1373) war Europäerin durch und durch - und tat vieles, was Kirche gut findet. Sie gebar acht Kinder, bevor ihr Mann und sie sich für das Ordensleben entschieden. Birgitta gründete eine bis heute wirkmächtige Ordensgemeinschaft und redete selbst dem Papst ins Gewissen.
Schweiz: Muss man sich wundern, dass ein Einsiedler die Schweiz beschützt? Nikolaus von Flüe (1417-1487) war ein Visionär, Bauer, Familienmensch. Doch er war zu Höherem berufen, und so machte er seine Berufung zu seinem zweiten Leben: die Verteidigung des Glaubens. "Bruder Klaus" wurde zum Vorbild des defensiven "Schweizer Riegels", der in den 1930er bis 50er Jahren vor allem auf Konter setzte.
Slowakei: Eines der kleinsten EM-Länder hat gleich zwei Patrone; sozusagen die Bender-Brüder der Slawenmission. Kyrill (826/827-869) und Method (um 815-885). Die beiden Missionare aus dem griechischen Thessaloniki sind zusammen die "Slawenapostel". Kein Slowake kann jemals so viele Tore schießen, wie diese beiden für Europa geöffnet haben. Ihr Monatseinkommen war allerdings deutlich niedriger.
Spanien: Für die Spanier ist nur er der "wahre Jakob": der heilige Jakobus (gest. um 44). Seit Papst Johannes Paul II. den Jakobsweg 1980 nach Jahrhunderten der Flaute auf Europas Agenda zurückbrachte, führen wieder alle Wege zum Apostelgrab nach "Sant-Iago". Und mit den Pilgern kamen allmählich auch die Titel zurück: Weltmeister 2010, Europameister 2008 und 2012.
Tschechien: Obwohl keine Christen, hießen die beiden ersten Staatspräsidenten der postkommunistischen Ära Wenzel/Vaclav. Ihr Namenspatron, der heilige Wenzel von Böhmen (907-935), starb schon im besten Fußballeralter. Junger Herrscher und frommer Christianisierer, wollte er zugunsten seines Bruders abdanken und ins Kloster gehen. Doch der erschlug ihn noch während der Messe. Tendenz: frühes Aus.
Türkei: Heute zu über 99 Prozent muslimisch, führt die Türkei einen der stärksten christlichen Heiligen ganz Europas aufs Feld. Bischof Nikolaus von Myra (270/86-343/51) hat die Jugend auf seiner Seite, dazu die Manager/Händler und die Star-Trainer. Wäre der "Hyperhagios" neben all seinen vielen Jobs auch noch Patron der Schiedsrichter, wäre Schlimmes zu befürchten: jede Menge Geschenke...
Ukraine: Durch Taufe und Eheschließung wurde Wladimir, Fürst der Kiewer Rus, 988 Teil der kaiserlichen Familie in Konstantinopel und damit der christlichen Könige des Mittelalters. Die Spannung zwischen Ost und West hält auch mehr als 1.000 Jahre später an. Aber hier soll ja am Ende nur das Runde ins Eckige.
Ungarn: Nein, der Linksfuß Ferenc Puskas ist es nicht - sondern der heilige Stephan (969-1038). Seine einbalsamierte "heilige Rechte" (Szentjobb) wird heute als Armreliquie in der Stephansbasilika in Pest am Ostufer der Donau verehrt. Mit links oder rechts - Ungarn hat seit dem "Wunder von Bern" 1954 fußballerisch nicht mehr viel getroffen.
Wales: Der heilige David (um 512-587) war Bischof von Menevia (walisisch "Mynyw", heute St. Davids). Von königlichem Geblüt, wollte er lieber untere Wege gehen. Seine Klosterregel schrieb vor, dass Mönche den Pflug selbst zu ziehen hatten, ohne die Hilfe der Kraft von Tieren. Sie durften nur Wasser, Brot, Salz und Kräuter zu sich nehmen. Kann "Grasfressen" Wales zum EM-Titel führen?