Kinderschutzexperte Zollner: Papst erwartet viel von Kardinal Marx
Papst Franziskus erwartet nach Meinung des katholischen Kinderschutzexperten Hans Zollner viel von Kardinal Reinhard Marx in der weiteren Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Das habe seine Ablehnung des Amtsverzichts von Marx gezeigt, sagte der Leiter des katholischen Kinderschutzzentrums CCP in Rom in der neuen Ausgabe des Podcast "Würde.Leben". Dieser wird vom Münchner Sankt Michaelsbund produziert. "Es ist auch in München eine Untersuchung der Fälle aus den vergangenen Jahrzehnten unterwegs, und der Kardinal wird die Spannungen, die dann unweigerlich auftreten werden, aushalten müssen."
Dies zu wissen, werde für die zukünftige Vorbeugung von Bedeutung sein, auch bei anderen Missbrauchsformen, so der Jesuit weiter. "Präventionsarbeit funktioniert nur, wenn ich weiß und anerkenne, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist." Entscheidend seien dabei auch verbindliche Formen, wie Betroffene in den Aufarbeitungsprozess und in die daraus sich ergebenden Konsequenzen eingebunden seien.
Auch andere Bischöfe müssten sich mit Konsequenzen auseinandersetzen
Zollner sieht in dem Schriftwechsel zwischen dem Papst und dem Kardinal, dass entscheidende Begriffe im kirchlichen Sprachgebrauch angekommen seien. "Beide sprechen etwa von institutionellem und systemischen Versagen." Damit sei nun auch eine verbindliche Einschätzung gesetzt. Verbunden mit dem Rücktrittsangebot des Münchner Kardinals müssten sich jetzt auch andere Bischöfe mit möglichen persönlichen Konsequenzen auseinandersetzen.
Als Irrlehre und Häresie bezeichnete der Kinderschutzexperte den Glauben, "dass die Kirche eine absolut makellose Institution ist und deren Vertreter damit automatisch sündlos sind". Das entspreche nicht dem Evangelium, "denn alle Menschen sündigen". Die Vorstellung einer perfekten Kirche habe weder etwas mit der Wirklichkeit noch mit dem Glauben zu tun: "An diesem Selbstbild zu kratzen, scheint auch heute noch für viele eine unmögliche Aufgabe zu sein." Das Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx sei in diesem Zusammenhang ein wichtiger Moment, so Zollner.
Anfang Juni hatte Kardinal Marx dem Papst in einem Brief seinen Rücktritt angeboten. "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten", schrieb der Münchner Erzbischof. In der vergangenen Woche hatte der Papst den Amtsverzicht abgelehnt. Der Pontifex erklärte in einem Brief: "Das ist meine Antwort, lieber Bruder. Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising." (mpl/KNA)