Zahlen zu Austritten, Gottesdienstbesuch und Co. veröffentlicht

"Eine bittere Wahrheit": Das sagen die Bischöfe zur Kirchenstatistik

Veröffentlicht am 15.07.2021 um 12:36 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Dramatische Einbrüche bei Gottesdienstbesuch, Taufen und Hochzeiten – und die zweithöchste Kirchenaustrittszahl überhaupt: Zu den am Mittwoch veröffentlichten Zahlen zur katholischen Kirche in Deutschland haben sich mehrere deutsche Bischöfe geäußert – und zeigten sich nachdenklich.

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Auf die Veröffentlichung der Kirchenstatistik für das Jahr 2020 reagieren die deutschen Bischöfe mit nachdenklichen Worten. So rechnet der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im laufenden Jahr wieder mit einem Anstieg der zuletzt leicht gesunkenen Austrittszahlen. Der Würzburger Bischof Franz Jung verwies mit Blick auf den dramatischen Einbruch bei Taufen und Hochzeiten sowie beim Gottesdienstbesuch auf möglicherweise nicht umkehrbare Folgen der Corona-Pandemie. "Es stellt sich die Frage, ob sie sich nach diesem Einbruch wieder erholen", sagte Jung.

Beide Bischöfe verwiesen zudem auf die Folgen des Missbrauchsskandals und dessen Aufarbeitung. Das habe viele Kirchenmitglieder an der Glaubwürdigkeit ihrer Kirche zweifeln lassen, so Jung. Kirche müsse deshalb transparent und wahrheitsgemäß kommunizieren sowie das Evangelium in Wort und Tat verkünden, "um so verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen". Schick sprach von einem schlechten Image der Kirchen, für das er neben der Missbrauchskrise auch Finanzskandale und un- oder missverständliche Äußerungen kirchlicher Personen und Institutionen verantwortlich machte.

Auch der Augsburger Bischof Bertram Meier sieht den grundsätzlichen Trend zu sinkenden Katholikenzahlen nicht gestoppt. Gerade zuletzt hätten aber die Menschen verstärkt nach dem Sinn des Lebens gefragt. Die Kirche könne dazu ein Angebot machen, so Meier.

Burger: Jeder Austritt schmerzt

"Wir sehen eine Kirchenstatistik nach Zahlen. Die Sehnsucht der Menschen nach Halt, nach Geborgenheit im Herrn, können wir nicht messen", meinte der Passauer Bischof Stefan Oster. So seien 2020 die karitativen Einrichtungen an die Leistungsgrenze gestoßen. Die tägliche Arbeit der Kirche sei vielfach gefragt, in Heimen, in Beratungsstellen und Gesprächen.

Freiburgs Erzbischof Stephan Burger sagte, jeder Austritt schmerze, die Gemeinschaft lebe vom Beitrag jedes Katholiken. Er könne in gewisser Weise nachvollziehen, wenn Menschen enttäuscht seien. "Doch ebenso bedauerlich ist es, dass es uns nicht mehr gelingt, den Blick auf das Positive zu lenken, das in dieser Kirche geschieht", etwa auf die Seelsorge in den Gemeinden oder das karitative und soziale Engagement, das durch Kirchensteuermittel getragen werde.

Bischof Gebhard Fürst
Bild: ©KNA/Angelika Zinzow (Archivbild)

"Eine bittere Wahrheit" nannte der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst die Austrittszahlen.

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst nannte die Austrittszahlen "eine bittere Wahrheit". Er betonte: "Wir dürfen das nicht einfach hinnehmen und müssen gegensteuern." Die Kirche müsse ihre Quellen neu entdecken und ihre Kräfte mobilisieren, um die Botschaft Jesu Christi "so zu leben und zu verkünden, dass Menschen darin eine befreiende, heilende und stärkende Kraft erfahren können".

Nach Worten des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf belegen die Zahlen trotz eingeschränkter Aussagekraft wegen der Pandemie, dass die Kirche in den kommenden Jahren kleiner wird. "Ich glaube, dass wir an Quantität verlieren, dies aber eine Einladung sein kann und muss, an der Qualität zu arbeiten", so der Bischof.

"Die Corona-Pandemie ist auch am Bistum Hildesheim nicht vorbeigegangen", sagte Bischof Heiner Wilmer. "Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr möglichst viele verschobene sakramentale Feiern nachholen können." Die Pfarrgemeinden haben laut Wilmer mit "segensreichen Initiativen" geholfen, Leid und Einsamkeit während der Corona-Zeit zu lindern. "Das zeigt mir, welch eine glaubensstarke Gemeinschaft wir in unserem Bistum haben, auch wenn wir weniger werden."

Bätzing: Mit Kirchenaustritt ein Zeichen setzen

Als schmerzlich bezeichnete der Limburger Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, die Austrittszahlen. Viele hätten offenbar das Vertrauen verloren und wollten mit dem Kirchenaustritt ein Zeichen setzen, so Bätzing. Den dahinter liegenden Fragen müsse man sich offen und ehrlich stellen. "Dazu gehört an allererster Stelle die gründliche Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs."

Münsters Bischof Felix Genn warnte davor, sich die niedrigeren Austrittszahlen schönzureden. "Dieses Jahr holt uns die Wirklichkeit – soweit wir das im Moment wissen – mit deutlich höheren Austrittszahlen wieder ein", erklärte er.

Die 27 deutschen (Erz-)Bistümer und die DBK hatten am Mittwoch ihre Kirchenstatistiken für das Jahr 2020 veröffentlicht. Die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Deutschland ist demnach um 18,8 Prozent gesunken. 221.390 Menschen traten aus der Kirche aus, im Vorjahr waren es noch 272.771 Austritte. Trotz des Rückgangs ist die Zahl der Kirchenaustritte die zweithöchste überhaupt. Insgesamt machen die Katholiken mit 22.193.347 Kirchenmitgliedern 26,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Deutliche Einbrüche gab es bei den Zahlen zum Gottesdienstbesuch, der Taufen und der kirchlichen Trauungen. (tmg/KNA)