Chef von Caritas international: Flutopfer brauchen das Geld jetzt
Noch immer ist das Ausmaß der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands nicht absehbar. Wie das Hilfswerk Caritas international konkret hilft, erklärt dessen Leiter Oliver Müller.
Frage: Herr Müller, sind Sie mit dem bisherigen Spendenaufkommen zufrieden?
Müller: Wahrscheinlich ja. Durch das Wochenende konnten viele Spenden noch nicht von den Banken verbucht werden. Das Onlinespendenaufkommen ist allerdings sehr, sehr hoch. Es liegt im obersten Bereich. Entsprechend gehen wir davon aus, dass das auch für die Überweisungen gilt.
Frage: Für viele gilt Caritas international als Hilfswerk für Katastrophen in der Dritten Welt – etwa nach Dürren, Überschwemmungen oder Vulkanausbrüchen.
Müller: Stimmt. Aber wir können auch Hilfen in der Bundesrepublik organisieren. Beispiele sind die Flutkatastrophen in Ostdeutschland und Bayern an Elbe und Donau 2002 und 2013. Auch damals haben wir bundesweit die Koordination in der Caritas übernommen.
Frage: Was geschieht mit den eingehenden Geldern genau?
Müller: Die am Montag bereitgestellten 1,5 Millionen Euro fließen zunächst an die betroffenen Diözesancaritasverbände, im konkreten Fall zum Beispiel nach Trier, Aachen und Köln. Sie alle besitzen extrem breit aufgestellte Strukturen, haben viele Ortscaritasverbände in den betroffenen Regionen. Die helfen auf die unterschiedlichsten Weisen: beispielsweise bei der Unterbringung und Versorgung von Flutbetroffenen, mit Trocknungsgeräten, Pumpen und Hochdruckreinigern, mit Reinigungs- und Desinfektionsmittel oder mit einmaligen pauschalen Geldzuwendungen in geringer Höhe.
Aber wir kümmern uns auch um psychosoziale Arbeit für die Gruppen und Personen, die am ehesten gefährdet sind, durchs Netz zu fallen. Zum Beispiel das ältere Ehepaar, das sich beim Umgang mit Behörden schwer tut, oder Familien mit Migrationshintergrund.
Frage: Worin unterscheiden sich staatliche Hilfen von denen der Caritas?
Müller: Es ist noch gar nicht klar, was Bund und Länder überhaupt geben. Deshalb ist ein Vergleich nicht möglich. Die Erfahrung zeigt, dass wir uns um Härtefälle kümmern. Das können chronisch Kranke sein oder Menschen, die als Folge der Überschwemmungen ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Wir versuchen, die Gerechtigkeit herzustellen, die der Staat aufgrund seiner Vorgaben oft nicht herstellen kann. Unsere Spenden müssen immer nachrangig zu staatlichen Hilfen sein – das wollen auch unsere Spender. Trotzdem besteht eine Spannung: Die Menschen brauchen das Geld jetzt.