Die Kirche kennt fünf Patriarchate

Lateinische Patriarchen: Mächtige Titel mit turbulenter Geschichte

Veröffentlicht am 28.08.2021 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Patriarch – ein großer historischer Titel, den heute nur wenige katholische Kirchenmänner tragen. Hinter jedem dieser Titel steckt eine eigene Geschichte, die von Krisenzeiten und politischen wie religiösen Umwälzungen erzählt.

  • Teilen:

Die katholische Kirche ist zwar ein großes Ganzes – besteht aber aus vielen Einzelteilen, sogenannten Partikularkirchen. Die bekanntesten (und landläufigsten) Formen von Partikularkirchen sind Bistümer und Erzbistümer, doch es gibt noch viele weitere. Historisch bedeutend sind vor allem die Patriarchate – denn hier durften die Patriarchen für ihr Herrschaftsgebiet Gesetze machen. In der Lateinischen Kirche gibt es heute fünf Patriarchate, die allerdings eine etwas andere Rolle haben. Denn geschichtlich gesehen stehen eigentlich alle Patriarchen auf einer Stufe – unter anderem mit dem bekanntesten Patriarchen, dem Patriarchen des Abendlandes, dem Papst (obwohl sie seit Benedikt XVI. diesen Titel nicht mehr führen). Patriarch ist heute in der Regel ein Ehrentitel, mit dem keine besondere Macht mehr einher geht. Ein kleiner Überblick über die Patriarchate zeigt aber, welche unterschiedlichen Geschichten sich hinter den Titeln verbergen.

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Jerusalem ist seit jeher einer der Mittelpunkte aller christlichen Kirchen weltweit, schließlich wurde Jesus Christus hier gekreuzigt. So gab es bereits früh einen Patriarchen in Jerusalem. Einschneidend war dann aber die Spaltung der Kirche 1054 in die katholische und die orthodoxe Kirche. Jerusalem fiel in den Machtbereich der letzteren, während Rom zum Zentrum der Westkirche wurde. 1099 änderten sich die Machtverhältnisse im Nahen Osten durch die Kreuzzüge: Jerusalem wurde erobert und der Patriarch Jerusalems wurde ein Vertreter der lateinischen (West-)Kirche – der übernahm gleich die Besitztümer seines orthodoxen Vorgängers. Der Patriarch versuchte, im von den Kreuzfahrern errichteten Königreich Jerusalem an die Macht zu kommen, das funktionierte jedoch nicht. Das Patriarchat genauso wie der Kreuzfahrerstaat konnten sich auf Dauer nicht halten, beide gingen 1291 unter. Seitdem war der Patriarch von Jerusalem ein ehrenhalber verliehener Titel in Rom, vergleichbar jenen der Weihbischöfe, denen die Namen untergegangener Diözesen verliehen werden.

Neue Bewegung in das Patriarchat kam im 19. Jahrhundert. Durch technische Entwicklungen wie die Erfindung des Dampfschiffes war es nun leichter, das bis dahin recht isolierte Jerusalem zu erreichen. Napoleons Syrien-Feldzug lenkte den Fokus der europäischen Öffentlichkeit auf Palästina, der ambitionierte ägyptische Vizekönig Mohammed Ali marschierte dort ein und öffnete die Stadt für Einflüsse von außen, also etwa westliche Missionsgesellschaften. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es der katholischen Kirche dann vom Osmanischen Reich – zu dem Jerusalem mittlerweile gehörte – erlaubt, ihre Hierarchie wiederzuerrichten. Aus dem Ehrentitel wurde wieder ein reales Stück Kirche. Der Patriarch von Jerusalem steht den Katholiken in Israel und den Palästinensergebieten vor, aber auch jenen Jordaniens und Zyperns. Kathedrale des Patriarchats ist offiziell die Grabeskirche, die allerdings von insgesamt sechs Konfessionen genutzt wird. Die Kathedralfunktionen erfüllt deshalb die Konkathedrale vom Allerheiligsten Namen Jesu aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Bild: ©Stefan Gödde

Blick auf Jerusalem, Sitz des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem

Patriarchat von Lissabon

Nicht weniger als jenes in Jerusalem hat auch das Patriarchat Lissabons eine wechselvolle Geschichte: Schon im vierten Jahrhundert wurde dort eine Diözese gegründet, also etwa zur gleichen Zeit wie die ältesten deutschen Bistümer Köln und Trier. Doch 716 wurde die Stadt von den Mauren erobert und wurde islamisch. Erst als die Christen die Stadt 1147 zurückeroberten, entstand wieder ein Bistum, das 1394 Erzbistum wurde und 1716 vom damaligen Papst Clemens XI. den Titel Patriarchat ehrenhalber verliehen bekam. Kathedrale ist Sé Patriarchal in der Innenstadt Lissabons.

Patriarch von Ostindien

Wieder ein Ehrentitel mit spannender Geschichte – denn er ist ein Friedensangebot. Träger des Titels ist der Erzbischof von Goa und Daman mit Sitz in Velha Goa im Westen Indiens. Die Stadt war einst die Hauptstadt der portugiesischen Kolonie Portugiesisch-Indien, das Bistum wurde 1533 errichtet. Den Kolonisten folgten Missionare nach und christianisierten die Umgebung. Um ihre Bemühungen zu unterstützen, verlieh der Papst den portugiesischen Königen im 15. Jahrhundert das sogenannte "Padroado", also das Recht, Bischöfe zu ernennen und weitere Ämter zu besetzen. Im Endeffekt war die enge Verstrickung zwischen Kirche und Krone aber eher ein Hindernis, denn dadurch waren die Menschen weniger bereit, zum Christentum überzutreten. Im Vergleich etwa zu den Kolonien in Südamerika, wo die Kirche unabhängiger agieren konnte, war der Missionserfolg in Goa überschaubar. Bald begannen die Päpste, an den Königen vorbei Missionare zu entsenden – es entstanden Doppelstrukturen, die in Konkurrenz zueinander standen. Angeheizt wurde die Spannung zwischen Portugal und dem Vatikan, als die Portugiesen in Indien an Boden verloren und nur noch ein kleiner Flecken bei Goa übrigblieb – sie aber auf ihre kirchlichen Rechte nicht verzichten wollten. Im Streit kam es 1838 zum Goanesischen Schisma, es gab konkurrierende Gemeinden oft auf engem Raum. Erst durch ein Konkordat 1886 konnte der Streit beigelegt werden und es entstanden allseits anerkannte Diözesen. Der Vatikan hatte nun die Zügel wieder in der Hand. Als Ausgleich erhielt der Erzbischof den Patriarchentitel, der mit keinerlei zusätzlicher Macht mehr verbunden ist. Kathedrale des Patriarchen ist Sé de Santa Catarina in Velha Goa.

Der Markusdom in Venedig
Bild: ©Fotolia.com/Stefan

Der Markusdom im italienischen Venedig ist die Kathedrale des Patriarchen von Venedig.

Patriarchat von Venedig

Auch dieser Patriarch ist ausschließlich ein ehrenhalber verliehene Name. Der kam allerdings von außen: Denn erst, als Vorgängerdiözesen auf venezianischem Boden mit dem Patriarchat von Grado am Golf von Venedig zusammengelegt wurden, wanderte der Name 1451 ins Bistum ein. Kathedrale war bis 1807 San Pietro di Castello (nach dieser Insel war das frühere Bistum benannt), danach bis heute der Markusdom.

Patriarchat von Westindien

Spannend an diesem Patriarchat: Es hat nie existiert. Dem Namen nach soll es zwar auf den westindischen Inseln sitzen, dort gab es aber nie ein katholisches Bistum. Vielmehr wurde der Titel 1524 lediglich als Ehrentitel entwickelt und dem spanischen Bischof verliehen, der für das Militär des Landes zuständig war. Meistens war das der Erzbischof von Toledo. Seit 1963 trägt niemand mehr diesen Titel.

Von Christoph Paul Hartmann