Kirchen gedenken der Flutopfer: "Es verschlägt einem die Sprache"
Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben die christlichen Kirchen am Samstag im Aachener Dom der Flutopfer gedacht. An der Feier mit Hinterbliebenen, Betroffenen, Hilfskräften und Notfallseelsorgern nahmen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) teil. Auch die Regierungschefs der beiden besonders betroffenen Bundesländer, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und ihr nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet (CDU), waren dabei.
"Welch eine Zerstörung in so kurzer Zeit! Was für eine Not", klagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, in seiner Predigt. "Es verschlägt einem die Sprache", sagte er mit Blick auf die Menschen, deren Angehörige in den Fluten umgekommen sind und die ihre Häuser und Existenzgrundlage verloren haben. "Es verschlägt einem die Sprache, wenn ein junger Helfer Schlamm wegräumt und dabei ein Mädchen tot in der Baggerschaufel findet."
Über all das Geschehene müsse gesprochen werden, um mit den "tief einschneidenden traumatischen Erfahrungen" weiterleben zu können, so Bätzing. "Trauer um die verlorenen Menschen braucht Zeit, und es braucht unfassbar viel Kraft für Wiederaufbau und Neubeginn." Tröstlich seien "Hände, die Halt geben; Hände, die Menschen aus ihren Häusern gerettet haben; Hände, die festhalten und umarmen, wenn Tränen fließen; Hände, die zupacken, Schutt und Dreck wegräumen".
"Gott war da, mitten in den Fluten"
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte in seiner Predigt: "Gott war da, mitten in den Fluten. Aber nicht als der, der auf den Flutknopf gedrückt hat, sondern als der, der mit den Opfern geschrien hat, der mit ihnen gelitten hat, der sie getragen hat in den Abgründen."
Der bayerische Landesbischof bekundete die Hoffnung, dass die Katastrophe zu einem Neuanfang führe. "Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen. Das haben wir verstanden", so der Geistliche. Vielleicht lasse sich in 20 Jahren rückblickend sagen, dass die Schäden zu veränderten Prioritäten in der Politik geführt haben.
Feier bewusst in Aachen
Der Gottesdienst fand auf Einladung von Bätzing, Bedford-Strohm und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, Erzpriester Radu Constantin Miron, statt. Im Anschluss hielt Bundespräsident Steinmeier eine Ansprache.
Steinmeier bekundete den Menschen, die Angehörige verloren haben, sein tiefes Beileid. Er gedachte auch der Flutopfer in den Nachbarländern. "Wir trauern heute mit Ihnen." Die Fluten hätten alles mitgerissen: Menschen, Häuser, Brücken, Straßen, Schulen, Rathäuser, Kirchen, Friedhöfe. Das Unglück habe in einem Moment zugeschlagen, "als wir hofften, dass wir die Pandemie endlich unter Kontrolle bekommen würden. Aber dann kam eine neue Katastrophe hinzu."
Der Bundespräsident dankte für die "überwältigende Hilfsbereitschaft". Einsatzkräfte von Feuerwehr, DLRG, Polizei, Rotem Kreuz, Bundeswehr und Technischem Hilfswerk hätten bis zur vollkommenen Erschöpfung geholfen. Sein Dank gelte auch Bürgermeistern, Verwaltungsmitarbeitern und den vielen freiwilligen Helfern und Spendern.
Jetzt müsse Geld fließen
Steinmeier würdigte, dass die Bundesregierung schnell "einen Hilfsfonds in nie dagewesener Höhe" beschlossen habe. Die Gelder müssten jetzt schnell fließen. Die Menschen in den Katastrophengebieten brauchten aber auch dann Hilfe, wenn die Fernsehkameras abgebaut seien und andere Nachrichten die Schlagzeilen beherrschten.
Mit aller Entschlossenheit müsse der Klimawandel bekämpft werden, forderte das Staatsoberhaupt. Die Folgen hätten ohne Zweifel Europa erreicht, sagte er mit Verweis auch auf die Feuer im Mittelmeerraum. Zudem gelte es, sich besser auf künftige Krisen vorzubereiten.
Zur Trauerfeier hatten sich auch die Spitzen von Bundesrat, Bundestag und Bundesverfassungsgericht, Reiner Haseloff, Wolfgang Schäuble (beide CDU) und Stephan Harbarth, angesagt. Auch Vertreter jüdischen und muslimischen Glaubens nahmen neben weiteren christlichen Repräsentanten teil. Mit der Wahl von Aachen als Ort des Gedenkens sollte auch daran erinnert werden, dass die Nachbarländer Belgien, Luxemburg und die Niederlande ebenfalls von der Flutkatastrophe betroffen sind. Aus Luxemburg war Kardinal Jean-Claude Hollerich angereist.
Durch Hochwasser und Starkregen waren am 14. und 15. Juli in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, hunderte wurden verletzt. Die Naturkatastrophe war eine der folgenschwersten in der Geschichte der Bundesrepublik. Bund und Länder wollen für den Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. (cph/KNA/epd)