Deutsche Bischöfe halten an Verfahren für Anerkennungsleistungen fest
Die deutschen Bischöfe wollen grundsätzlich an dem aktuellen Verfahren bei den Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt festhalten. Gemeinsam mit der zum 1. Januar 2021 eingerichteten Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) seien bereits mehrere Maßnahmen für eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer ergriffen worden, "die – davon gehen wir aus – jetzt spürbar wird", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag bei der Abschlusspressekonferenz der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. Das weiterentwickelte Verfahren trage zahlreichen Anforderungen Rechnung, die von Betroffenen und aus der Wissenschaft eingebracht worden seien. "So wurde Unabhängigkeit etwa durch ein zentrales und unabhängiges Entscheidungsgremium, das verbindlich die Leistungshöhe festsetzt, geschaffen", betonte Bätzing.
Das Verfahren sei transparent, auch die Leistungshöhe sei deutlich angehoben worden, so Bätzing weiter. Hierbei lehne man sich an einen rechtsstaatlich üblichen und von der Kirche unabhängigen Referenzrahmen an, die Höhe der Leistungen orientiere sich an Schmerzensgeldzahlungen staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen. "Dabei haben wir bewusst entschieden, dass sich die im weiterentwickelten Verfahren festgesetzten Leistungen am oberen Bereich der Schmerzensgeldtabellen orientieren."
Zuletzt hatte der Betroffenenbeirat der DBK in einem Offenen Brief an die Bischöfe das Verfahren und dabei insbesondere die lange Bearbeitungsdauer einzelner Fälle kritisiert. "Wir verstehen, dass Betroffene durch das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die langen Bearbeitungszeiten erneut Retraumatisierung erleiden können", so Bätzing. Die Bischöfe bedauerten, dass Erwartungen enttäuscht worden seien. Mitte Oktober sei deshalb ein Gespräch zwischen Vertretern des Betroffenenbeirats, der Unabhängigen Anerkennungskommission, der Deutschen Ordensoberkonferenz und der Bischofskonferenz anberaumt. Dabei sollen die Kritikpunkte noch einmal diskutiert und mögliche Maßnahmen besprochen werden.
Einheitliche Standards bei der Aktenführung
Im Hinblick auf die Aufarbeitung und Prävention sexuellen Missbrauchs einigten sich die Bischöfe auf eine Standardisierung der Personalaktenführung von Klerikern. Die Personalaktenordnung (PAO) soll demnach als diözesanes Gesetz möglichst wortlautidentisch in den Amtsblättern der (Erz-)Diözesen veröffentlicht werden und zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Damit können Missbrauchsbeschuldigungen künftig in allen Diözesen verbindlich, einheitlich und transparent dokumentiert werden. Die Standardisierung der Personalaktenführung war eine der Verpflichtungen, die die deutschen Bischöfe im Anschluss an die Veröffentlichung der MHG-Studie eingegangen sind.
Bei ihrem Studientag beschäftigten sich die deutschen Bischöfe mit dem Thema Synodalität als Grundverfasstheit von Kirche im Allgemeinem und dem Synodalen Weg im Speziellen. So gibt es laut Bätzing unter den Bischöfen zwar auch kritische Stimmen. "Aber wir bleiben im Gespräch und arbeiten miteinander an Perspektiven, sodass wir unsere Erfahrungen auch in den Synodalen Weg der Weltkirche einbringen können." Zuletzt hatte der Regenburger Bischof Rudolf Voderholzer eine eigene Internetseite mit Alternativvorschlägen zum offiziellen Grundlagentext des Synodalforums I zum Thema "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" freigeschaltet. Auch Bischof Stefan Oster, der Mitglied des Forums IV zur Sexualmoral ist, veröffentlichte eigene Gedanken zum Thema abseits des Synodalen Wegs.
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Die Bischöfe hätten darüber hinaus auch einen Bericht der Glaubenskommission entgegengenommen, der sich mit dem entsprechenden Grundtext des Synodalforums "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" befasst. Anlass dafür war die Sorge der Bischöfe, der Text könne "Ausgangspunkt für die Entwicklung einer der Kirche wesensfremden Sozialstruktur werden". Die notwendigen Reformen müssten das Ziel haben, die Kirche in ihrem Wesenskern zu stärken, sie zur Verkündigung zu befähigen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. "Deshalb müsse beim Umgang mit Macht nach einem Modus gesucht werden, der sowohl den an politisch-gesellschaftliche Standards gewohnten Menschen als auch der Kirche gerecht wird." Mit Blick auf die weltweite Bischofssynode, die im Oktober beginnt, betonte Bätzing noch einmal, dass er das Vorbereitungsdokument "als Zeichen der Hoffnung und Zuversicht" lese.
Weder dem Zeitgeist folgen noch sich verschließen
Diskutiert wurde zudem über ein Zueinander der theologischen Quellen – Schrift und Tradition, Zeichen der Zeit und Glaubenssinn der Gläubigen sowie Theologie und Lehramt. Anlass sei ein entsprechender Orientierungstext, den das Präsidium des Synodalen Weges bei der Synodalversammlung in der kommenden Woche in Frankfurt vorlegen will. "Wer nach neuen Wegen für die konkrete Praxis der Kirche sucht, muss sich darüber vergewissern, aus welchen Quellen er die Orientierung auf diesen neuen Pfaden schöpft", so Bätzing. Es gehe darum, die Kernanliegen der Kirche von ihrem Ursprung her in eine neue Zeit mit neuen Bedingungen und Anforderungen zu tragen. "Das aber soll weder auf eine 'zeitgeistige' Selbstverlorenheit noch auf ein ängstlich-traditionalistisches Sich-in-sich-selbst-Verschließen hinauslaufen." In einer offenen und freimütigen Diskussion hätten die Bischöfe deshalb miteinander versucht, die Aspekte einzubringen und abzuwägen, "damit der Synodale Weg aus geistigen und geistlichen Quellen schöpft und nicht nur den Versuch einer Verwaltungsreform darstellt".
Laut Pressebericht habe der Vorsitzende der Liturgiekommission, Bischof Stephan Ackermann (Trier), den Bischöfen über die großen Herausforderungen der Corona-Pandemie für das liturgische Leben berichtet. Dabei sei er auf die einschlägigen kirchlichen Schutz- und Begleitmaßnahmen ebenso eingegangen wie auf die durch Corona vermutlich noch zusätzlich geschwächten Verbundenheit vieler Gläubigen mit dem liturgisch-sakramentalen Leben. Einen weiteren Themenschwerpunkt habe Ackermann in seinem Bericht auf die Frage unangemessener Machtausübung im Zusammenhang der Liturgie gelegt.
Bischöfe wollen Begriff "Seelsorge" neu definieren
Die deutschen Bischöfe wollen in den kommenden Monaten außerdem einen Text zum kirchlichen Seelsorgeverständnis veröffentlichen. Hintergrund sei, dass der Begriff einerseits in unterschiedlichen christlichen wie auch in anderen religiösen, kulturellen und institutionellen Zusammenhängen zur Anwendung komme, andererseits das verstärkte Engagement von Ehrenamtlichen hauptberufliche Seelsorgerinnen und Seelsorger herausfordere und ihre Aufgabenprofile verändere. Das Dokument, das den Titel "In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche" tragen soll, erläutere einerseits theologisch grundlegend das kirchliche Selbstverständnis von Seelsorge und behandle im Sinn einer aktualisierenden Konkretisierung drei zentrale Themenstellungen. Ziel des Textes sei es, den Diskurs zu einer theologisch vertieften wie auch gesellschaftlich relevanten Selbstvergewisserung von Seelsorge nach innen anzuregen.
Im Hinblick auf die veränderte Lebenswirklichkeit junger Menschen gab der DBK-Vorsitzende bekannt, dass die Vollversammlung neue Leitlinien zur Jugendpastoral beschlossen habe. "Sie greifen theologische und pädagogische Weiterentwicklungen sowie die Papiere der Jugendsynode von 2019 auf", so Bätzing. Wenn junge Menschen heute nach einem tragfähigen Lebens- und Gottesglauben suchten, geschehe das in einer Zeit, in der Kirche von vielen nicht mehr als Ort für weltanschauliche Orientierung oder sogar Gottessuche wahrgenommen werde. Zugleich solle das Papier den Bischöfen helfen, jugendliche Lebenswelten zu verstehen. "Neben der Individualisierung von Religiosität beobachten wir eine weite Pluralisierung religiöser Überzeugungen und Formen jugendlicher Religiosität, die sich nur noch teilweise mit institutionellen Formen decken." Die Jugendpastoral dürfe sich dabei nicht verschließen und in ihren eigenen Kreisen verstricken. Wichtigcsei auch, die durchgreifenden Prozesse der Digitalisierung und der Globalisierung in ihrer Bedeutung für die Jugendpastoral zu rezipieren und zu reflektieren. Die neuen Leitlinien sollen Anfang November veröffentlicht werden. Die letzten stammen aus dem Jahr 1991.
Die deutschen Diözesan- und Weihbischöfe hatten seit Montag in Fulda getagt. Unter anderem wurden die Mitglieder der 14 Bischöflichen Kommissionen neu gewählt, die für die inhaltliche Arbeit der Bischofskonferenz zwischen den Vollversammlungen zuständig sind. Sieben der Kommissionen haben einen neuen Vorsitzenden. Auch in den Unterkommissionen gab es Veränderungen. Daneben diskutierten die Bischöfe über Perspektiven für Afghanistan, den Dialog der katholischen Kirche mit dem Judentum in Deutschland und das kirchliche Engagement zur Bewahrung der Schöpfung. Erstmals nahm die neue Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, an einer Vollversammlung teil. Sie hatte zum 1. Juli ihr Amt angetreten. Offiziell beenden die Bischöfe ihr Zusammentreffen am Abend mit einem Gottesdienst im Fuldaer Dom. (mal/bod)
Pressebericht im Wortlaut
Den vollständigen Pressebericht zum Abschluss der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe finden Sie auf der Internetseite der Bischofskonferenz.