"Jesus Christ Superstar" – Perfekte Unterhaltung ohne großen Tiefgang
Das Leben und Sterben Jesu als schillerndes Massenspektakel mit lauten Rockklängen? Die Bühne als Hort der Sünde und der Sohn Gottes missbraucht für eine billige Showklamotte? Vor 50 Jahren, am 12. Oktober 1971, wird in New York das Musical "Jesus Christ Superstar" uraufgeführt. Die Rockoper bringt dem Komponisten Andrew Lloyd Webber, dem Texter Tim Rice und Regisseur Tom O'Horgan, der 1968 schon das Musical "Hair" inszeniert hatte, Weltruhm ein. Als sich der Vorhang hebt, ist das Stück, dass die sieben letzten Tage Jesu bis zur Kreuzigung erzählt, bereits für sechs Wochen ausverkauft. Das Publikum feiert das Musical mit stehenden Ovationen. Die Meinungen der Fachwelt allerdings sind so kunterbunt wie die Gewänder der Darsteller auf der Bühne.
Vor dem Theater protestieren konservative Christen gegen das "gotteslästerliche Werk". Zu den Kritikern gehört auch das American Jewish Committee, das die Juden erneut als Mörder Jesu an den Pranger gestellt sieht. Katholische Kreise werfen der Inszenierung vor, die Göttlichkeit Jesu zu leugnen und Judas zum Helden zu machen. Der Vatikan allerdings reagiert gelassen: Die Platte wird bereits in den 70er Jahren auf Radio Vatikan gespielt. In Deutschland hat die Melodie des Liedes "The Last Supper" 2013 Eingang in das katholische Gesangbuch "Gotteslob" gefunden – unter dem Titel "Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen".
Eine perfekt inszenierte Show mit hohem Unterhaltungswert
Das Musical bringt es am Broadway zwischen 1971 bis 1973 auf 720 Aufführungen. Auch wenn die Bibel allzu häufig nur als Vorlage für den rockigen Liederzyklus herhalten muss, geht die Inszenierung religiösem Pathos ebenso aus dem Weg wie verletzenden Geschmacklosigkeiten. Im Grunde ist "Jesus Christ Superstar" nichts anderes als perfekt inszenierte Show und Entertainment, ohne großen Tiefgang zwar, doch mit hohem Unterhaltungswert. Das blieb auch den gefürchteten Broadway-Kritikern nicht verborgen, die das Stück euphorisch als "Best English Musical In Years" lobten.
Schließlich passte das Thema zum Zeitgeist: In den USA erwachte eine neue Religiosität; "Jesus People" und Flower-Power entdeckten Gemeinsamkeiten. Auch der Umstand, dass Rice die Perspektive des Judas stark betonte, lag voll im die Autoritäten hinterfragenden Trend. Denn Judas, aus dessen Perspektive das Stück erzählt wird, stellt Jesus provokant in Frage und wirft ihm vor, sich selbst als Erlöser zu inszenieren.
"Jesus Christ Superstar" war das erste Musical der Broadwaygeschichte, das auf einer Plattenproduktion basierte. Bereits 1970 war eine gleichnamige Schallplatte in Großbritannien veröffentlicht worden – mit zunächst mäßigem Erfolg. Das änderte sich jedoch, als die Musik in den USA wie eine Rakete einschlug und zweieinhalb Millionen Schallplatten innerhalb von zwölf Monaten verkauft wurden. Für Webber und Rice öffnete das die Türen zum Broadway.
Was mit dem Musikalbum begann und die Bühneninszenierung fortsetzte, fand 1973 dann im gleichnamigen Kinofilm seine zeitgemäße Vollendung. Jesus als Hippie in der Wüste Negev, Wachen in Militärlook, ratternde Panzer und heulende Kampfflugzeuge. Die Jünger und das gemeine Volk in wallenden Woodstock-Gewändern. Der Song "I Don't Know How To Love Him", gesungen von Maria Magdalena, wurde gar zum veritablen Hit.
3.358 Vorstellungen im Londoner Westend
In Deutschland fand die Premiere von "Jesus Christ Superstar" im Februar 1972 ausgerechnet im katholischen Münster statt. Auch hier fielen die Proteste sehr verhalten aus. Im Londoner Westend brachte es das Musical auf 3.358 Vorstellungen. Weltweit wurde die Rockoper in unzähligen Versionen aufgeführt. So spielten Agnetha Fältskog von ABBA, Irene Cara oder Melanie Chisholm von den Spice Girls die Maria Magdalena, und in die Fußstapfen von Jesus traten John Legend und Sebastian Bach von Skid Row. Ebenfalls irgendwann mit von der Partie: Alice Cooper als König Herodes.
Komponist Andrew Lloyd Webber schrieb eine beispiellose und finanziell lohnende Erfolgsgeschichte. Nach Jesus Christ Superstar brachte der erfolgreichste Musical-Komponist der Gegenwart unter anderem auch Evita (1978), Cats (1980) und Das Phantom der Oper (1986) auf die Bühne. 1997 wurde er von der Queen zum Lord geschlagen.