Projekt Tourismuspastoral Rhön hat vor einem Jahr erstes Programm vorgestellt

"Himmlisch erholen": Wie die Kirche Urlauber in der Rhön erreichen will

Veröffentlicht am 24.10.2021 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 

Hilders ‐ In Deutschland gibt es viele Urlaubsregionen, die Rhön ist eine davon. Jahr für Jahr zieht sie mehrere Millionen Touristen an. Die Kirche hat die Chancen des heimatnahen Urlaubs erkannt und versucht mit einem Projekt in der Rhön, Menschen anzusprechen, mit denen sie sonst nicht in Kontakt käme.

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Die Rhön ist längst kein Geheimtipp für den heimatnahen Urlaub in Deutschland mehr: Das Mittelgebirge bietet bewegungsfreudigen Touristen gut erklimmbare Berge, weitläufige Wälder und grüne Wiesen so weit das Auge reicht. Das im Grenzgebiet von Bayern, Hessen und Thüringen gelegene Biosphärenreservat ist von zahlreichen Wanderwegen durchzogen und hat etwa mit dem UNESCO-Welterbe-Kurort Bad Kissingen auch kulturell einiges zu bieten – kein Wunder also, dass immer mehr Urlauber ihren Weg in die Rhön finden. 2019 waren es knapp 1,6 Millionen Übernachtungsbesucher, ein Vielfaches an Tagesbesuchern kommt hinzu.

Doch nicht nur Politik und Wirtschaft haben im wachsenden Rhön-Tourismus eine große Chance erkannt, sondern auch die Kirche. Schließlich ist Urlaub in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie ein bedeutender Trend und somit eine gute Möglichkeit, viele Menschen anzusprechen. Im Oktober vergangenen Jahres hat deshalb die Tourismuspastoral Rhön offiziell die Arbeit aufgenommen und ihr erstes Programm vorgestellt. Das Seelsorge-Projekt des Bistums Fulda möchte die Menschen in der Urlaubszeit ansprechen und dazu beitragen, dass sie sich in der Rhön "himmlisch erholen" können, wie es in der Selbstbeschreibung der Tourismuspastoral Rhön auf Facebook heißt. Für Björn Hirsch, den Leiter des Projekts, ist dabei vor allem wichtig, dass sich die Kirche nicht als distanziert präsentiert: "Wir wollen mitten bei den Aktivitäten des Urlaubs dabei sein", sagt der promovierte Theologe und Pastoralreferent.

Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist das Lastenrad. Mit dem 170 Kilogramm schweren Gefährt ist das 20-köpfige Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen rund um Hirsch in der Hochzeit der Urlaubssaison zwischen Juni und September in der Rhön unterwegs gewesen. Auf dem Facebook-Profil des Projekts wurden die Standorte des Lastenrads an den touristischen Hotspots der Region jeweils kurz vorher bekannt gegeben. "Wir haben uns für ein Lastenrad entschieden, weil wir als Kirche modern in Erscheinung treten wollen. Sie stehen aktuell hoch im Kurs", begründet Hirsch die Initiative. "Erst hatten wir an einen VW-Bulli gedacht, doch ein Fahrrad passt besser zum naturnahen Rhön-Tourismus." Finanziert wurde das Lastenrad durch das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken im Rahmen des Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen".

Bild: ©

Björn Hirsch leitet die Tourismuspastoral Rhön des Bistums Fulda.

An mehreren Wochenenden schenkte das Team mehrere hundert Liter Kaffee und Kaltgetränke an die Urlauber aus und verschenkte Give-Aways wie Luftballons, Jutebeutel und Bibelkekse. "Um uns gut zu präsentieren, lässt sich das Lastenrad zu einer knapp drei Meter langen Theke umbauen", erklärt Hirsch. Die meisten Urlauber zeigten sich positiv überrascht über die kirchliche Initiative: "'Die Kirche traut sich ja richtig was.' Diese Reaktion haben wir oft gehört." Negative Reaktionen gab es für das Team der Tourismuspastoral in der ersten Saison mit Lastenrad nicht. Darüber ist Hirsch froh, denn in seiner Zeit als City-Seelsorger in Fulda wurde er als Mitarbeiter der katholischen Kirche doch auch schon das ein oder andere Mal scharf angegangen.

Kirche ein freundliches Gesicht geben

Die beim Lastenrad engagierten Ehrenamtlichen wurden von Hirsch drei Monate lang an den Wochenenden geschult. Dabei ging es um die erste Ansprache von Touristen genauso wie um das Führen von Glaubensgesprächen. "Bei einem Erstkontakt steht zwar nicht der Auftrag zur Evangelisierung im Fokus, doch das kann sich bei interessierten Personen daraus ergeben", erläutert der Pastoralreferent das hinter der Tourismuspastoral stehende Modell. Nach dem ersten Gespräch könne die Einladung zu Events und Veranstaltungen stehen. Über eine individuelle Auseinandersetzung mit Glaubensthemen sei es möglich, dass das Interesse an der Kirche so stark wachse, dass die Vorbereitung auf die Sakramente und sogar die bewusste Nachfolge die nächsten Schritte seien. Doch zu Anfang stehe das Ziel, der Kirche ein freundliches Gesicht zu geben und durch Serviceangebote den Urlaub zu verschönern.

Dabei helfen auch die Ehrenamtlichen des Projekts. Da immer mindestens zwei Personen für jeden Einsatz des Lastenrads gebraucht werden, ist die ökumenisch aufgestellte Gruppe stark gefordert. Auch wenn die Frauen mit mehr als zwei Dritteln den Kreis dominieren, haben sich auch Männer für den Einsatz in der Rhön-Pastoral gefunden. Viele seien schon ehrenamtlich in ihren Kirchengemeinden und Verbänden, wie der Kolpingsfamilie, engagiert, weiß Hirsch. Der Theologe schätzt die Gruppe, in der sich Unternehmensberater ebenso wie Fotografen oder Mitarbeiter der Verwaltung finden. Für viele würden die Gespräche auch zur Vertiefung des eigenen Glaubens dienen.

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Neben der Präsenz des Lastenrads an für Urlauber besonders interessanten Punkten der Rhön hat die Tourismuspastoral in diesem Jahr zum ersten Mal ein Programm mit mehr als einem Dutzend Angeboten umgesetzt. Geistliche Konzerte, Waldbaden, eine Bergmesse, ein Foto-Kurs und ein Besuch auf einem Hof mit Lamas sind nur einige der Programmpunkte, die von den Rhön-Touristen gerne wahrgenommen wurden. "Es ist mir dabei besonders wichtig, spirituelle Angebote mit regionalen Traditionen zu verbinden", sagt der Leiter des Tourismusprojekts. Er denkt dabei etwa an die mehrmals angebotenen Bildstockwanderungen, denn die Rhön sei bekannt für die knapp 2.000 Bildstöcke, die ein Ausdruck des Glaubens der Region seien.

In der Servicestation, dem Büro und Ansprechpunkt der Tourismuspastoral Rhön in der Kleinstadt Hilders, gibt es zudem einen Verleih von Gesellschafts- und Familienspielen, Wanderstöcken und Bollerwagen. Dieses Serviceangebot werde wie auch die persönliche Beratung bei Fragen, etwa nach Gottesdienstzeiten, gerne genutzt, berichtet Hirsch. "So bauen wir eine Verbindung zu Menschen auf, die mit der Kirche sonst nicht in Kontakt kämen." Dasselbe gelte auch für die Lage des Projektbüros im Gebäude der kommunalen Verwaltung gegenüber der Touristeninformation. "Die Gemeinde ist sehr an einer guten Zusammenarbeit mit der Kirche interessiert und will die Tourismuspastoral sogar als Alleinstellungsmerkmal in das Konzept der Region aufnehmen." Das Stichwort "ganzheitliche Erholung" spreche die Verantwortlichen an.

Der Erfolg des Projekts veranlasst Hirsch, eine Ausweitung der Angebote über die "klassische" Pastoral für Touristen hinaus ins Auge zu fassen. Schon jetzt ist das Lastenrad regelmäßig auf dem Wochenmarkt in Hilders anzutreffen und richtet sich somit als Informationspunkt auch an die Einwohner der katholisch geprägten Dörfer der Rhön. "Es wäre schön, wenn wir etwa bei Sportfesten präsent wären und unsere Angebote auf die gesamte Gesellschaft ausrichten könnten", so der Theologe. Doch fühlt sich jemand, der zuvor in der mittelgroßen Stadt Fulda die Citypastoral aufgebaut hat, auch in einer ländlich geprägten Region wie der Rhön wohl? "Ich war zunächst überrascht über das Angebot des Bistums zum Aufbau der Tourismuspastoral", gibt das "Stadtkind" Hirsch zu, der aus dem Ruhrgebiet stammt. "Doch inzwischen bin ich persönlich hier sehr gut angekommen und arbeite gerne in der Rhön." Der Pastoralreferent kann nun dort wirken, wohin andere reisen und sich "himmlisch erholen".

Von Roland Müller