Himmelklar – Der katholische Podcast

Ignatianisch und innovativ – Warum ein junger Mann Priester wird

Veröffentlicht am 20.10.2021 um 00:30 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Auch der Jesuitenorden hat Nachwuchssorgen – umso größer ist deshalb die Vorfreude: Am Samstag wird der junge Jesuit Dag Heinrichowski in Hamburg zum Priester geweiht. Im Podcast erzählt der Dreißigjährige, was ihn an Ignatius von Loyola fasziniert.

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Warum stellt sich ein junger Mann im 21. Jahrhundert noch als Priester in den Dienst der katholischen Kirche? Im Himmelklar-Podcast spricht der junge Jesuit Dag Heinrichowski über seine Motivation für ein Ordensleben, seine Arbeit mit Jugendlichen und was sie mit dem heiligen Ignatius von Loyola zu tun hat.

Frage: Sie sind 30 Jahre alt und werden in drei Tagen in Hamburg zum Priester geweiht. Sind Sie schon aufgeregt?

Heinrichowski: Die Aufregung hält sich erstaunlicherweise in Grenzen. Es ist natürlich eine Vorfreude da und auch eine Lust auf ein Fest und auf diesen Schritt. Aber ich bin erstaunt, dass es doch eher mit einer inneren Ruhe einhergeht. Vor der Diakonweihe war ich aufgeregter.

Frage: Am Samstag werden Sie geweiht. Ihr großer Tag – unter Corona-Bedingungen?

Heinrichowski: In gewisser Weise schon. Es gibt in Hamburg seit ein paar Wochen die Möglichkeit, auch sogenannte 2G-Veranstaltungen zu machen, wo nur geimpfte und genesene Personen teilnehmen dürfen und dadurch einen Großteil der Beschränkungen aufgehoben werden können. Und wir haben uns auch entschieden, die Weihe als einen 2G-Gottesdienst zu feiern, sodass dann viele Leute teilnehmen können. Auch Jugendliche, mit denen ich zusammenarbeite in der Jugendarbeit und Familie, Freunde, Mitbrüder.

Ich glaube, das wird ein schönes Fest, wo man vielleicht auch einen Moment lang zumindest Corona nicht mehr ganz so präsent hat. Die Primiz am Folgetag wird dann aber die normale Sonntagsmesse sein mit den gewohnten Beschränkungen.

Frage: Und irgendwas haben Sie sich wahrscheinlich schon zurechtgelegt. Es fragt ja immer einer: Warum um alles in der Welt wird man im 21. Jahrhundert Priester?

Heinrichowski: Das ist tatsächlich eine Frage, die mir ab und an begegnet. Ich finde es auch immer wieder schwierig, darauf zu antworten, weil ich, glaube ich, gar nicht den einen Grund benennen kann. Es hat viel für mich mit meinem eigenen Lebensweg zu tun. Sicherlich spielen eine Rolle Priester, die ich selbst erlebt habe als Jugendlicher, die mich irgendwie beeindruckt haben und die mir das Gefühl gegeben haben: Das ist ein Lebensweg, auf dem man glücklich werden kann.

Und ich habe auch eine typische "Sakristei-Karriere" hingelegt, war bei den Pfadfindern, also Jugendarbeit war mir wichtig, und es war dann eher so ein Gefühl: Das könntest du dir vorstellen. Ich wollte eben nicht mehr mit 30 die Frage immer noch stellen und dann nicht wissen, ob ich es jetzt mal ausprobieren müsste. Ich habe einfach nach dem Abi gedacht, probierst du es mal aus – und dann wirst du schon merken, ob es passt oder nicht.

Irgendwie ist es jetzt ein Schritt, auf den ich mich lange vorbereitet habe, auf den ich mich freue und der auch ganz organisch herausgewachsen ist aus dem, was ich lebe, auch als Jesuit, was irgendwie zu meinem Leben dazugehört. Ich freue mich einfach auf diese neue Dimension, den Glauben verkünden zu dürfen, für Menschen da zu sein, mit Menschen unterwegs zu sein und mit Menschen gemeinsam auch auf sakramentale Weise zu schauen: Wo ist Gott eigentlich wirksam in der Welt und wo kann ich Gott entdecken? Ich glaube, das ist so ein Motiv, das sich durchzieht.

Der heilige Ignatius von Loyola
Bild: ©picture-alliance/akg-images/Erich Lessing

Die Gesellschaft Jesu (lateinisch Societas Jesu, SJ), wie die Jesuiten offiziell heißen, wurde von dem baskischen Adeligen Ignatius von Loyola gegründet und 1540 als Ordensgemeinschaft päpstlich anerkannt. Nachdem er eine schwere Kriegsverletzung erlitten hatte, schwor Ignatius Umkehr und führte ein religiöses Leben. Bis heute werden seine spirituellen Schriften gelesen, 1622 wurde er von Papst Gregor XV. heiliggesprochen. (Ausschnitt aus Peter Paul Rubens Gemälde "Die Wunder des heiligen Ignatius von Loyola")

Frage: Es klingt immer so ein bisschen blöd, aber wenn Ihnen jetzt doch noch der richtige Partner über den Weg läuft, die Frau oder der Mann fürs Leben – klar, Lebenswege ändern sich oder biegen auch mal ab. Jetzt gerade scheint das natürlich nicht der Plan zu sein, sonst stünde die Priesterweihe nicht an. Aber was lässt Sie so sicher sein? Es wird ja Gespräche und viele Gedanken darüber gegeben haben vor diesem Schritt.

Heinrichowski: Ich weiß gar nicht, ob es die Sicherheit gibt, von der Sie sprechen. Also ich glaube, es ist für mich vor allen Dingen auch ein Sprung in etwas Ungewisses hinein, aber auch ein Sprung in ein Vertrauen hinein. Das wird jetzt aber keine Garantie, dass da nicht auch noch mal – beziehungsweise ich bin ziemlich sicher, dass da noch mal Phasen kommen werden, wo ich ordentlich ins Schaukeln komme. Ich glaube aber, dass das zum Leben dazugehört und gar nichts Spezielles mit einer Priesterweihe zu tun hat.

Ich habe auch Freunde, die geheiratet haben, wovor ich auch meinen Hut ziehe und sage: Wow, dass du dich für diese Lebensform entscheidest. Ich glaube, dass das zum Leben dazugehört, wo man sich nicht sicher sein kann. Diese Weihe ist für mich ein Ausdruck des Vertrauens. Ich hoffe natürlich, dass ich glücklich werde und gehe davon momentan auch aus. Aber ich bin mir bewusst, dass es solche und solche Phasen geben wird und dass es letztlich vielleicht auch nicht ganz an mir hängt in dem, was Priestersein ist. Ich war die letzten Tage noch mal im Kloster, um mich so ein bisschen innerlich vorzubereiten. Da sagte der Benediktiner, bei dem ich war, er hätte in einem Artikel die Frage gelesen: "Bist du schwach genug, um Priester zu sein?"

Und ich glaube, das ist eine vielleicht provozierende Frage, aber ich finde, sie passt in die Zeit, tatsächlich sich bewusst zu sein, dass diese Weihe jetzt auch nicht alle Gegensätze und Schwierigkeiten irgendwie auflöst, aber noch mal ganz klar der Schritt, auch zu sagen: Ich will mich diesem Gott anvertrauen, ich will versuchen, dem auf diese Weise Raum zu geben in meinem Leben. Und ich vertraue darauf, dass er mir auch hilft, das gut leben zu können. Wie gesagt, die Sicherheit habe ich nicht und die wird es auch nicht geben, aber es gibt ein Vertrauen, das ist mir wichtig.

Frage: Eine dieser großen Entscheidungen in Ihrem Leben stand schon mit 24 Jahren an. Da stand fest: Ich werde Jesuitenpater. Ist diese Entscheidung denn nach wie vor die richtige gewesen?

Heinrichowski: Ich habe das Gefühl, schon, ja, sonst würde ich jetzt auch nicht vor der Weihe stehen. Es ist vielleicht auch die Entscheidung, die jetzt diese Entscheidung noch mal ein bisschen relativiert, weil sich ja äußerlich gar nicht so viel verändert. Ich bleibe in meiner Aufgabe hier in Hamburg in der Jugendarbeit, wo ich schon seit diesem Sommer bin. Ich bleibe in der Kommunität wohnen. Natürlich kommt eine neue Dimension dazu durch diesen Dienst als Priester und diese Aufgaben. Aber vieles von dem, was ich lebe, habe ich ja davor auch schon gelebt. Also dass das Gebet eine Rolle spielt, dass das Leben in Gemeinschaft eine Rolle spielt, das Dasein für andere Menschen, dass das wichtig ist.

Insofern war sicherlich die Entscheidung, die ich da getroffen habe, in den Orden einzutreten, die wichtigere – und eine Entscheidung, die ich bisher nicht bereue. Natürlich ist auch im Orden nicht alles Gold, was glänzt. Trotzdem ist es für mich der richtige Ort, wo ich irgendwie das Gefühl habe, das zu leben, was ich leben will und auch die Herausforderungen gestellt zu bekommen, die mir guttun, um auf Trab zu bleiben.

Frage: Wie sind Sie mit Anfang 20 darauf gekommen? Wie kam es dazu?

Heinrichowski: Ich bin immer wieder Jesuiten begegnet. An der Schule, wo ich war, gab es Jesuiten in der Jugendarbeit dort. Dann im Studium: Ich war in Sankt Georgen in Frankfurt an der Hochschule, habe Theologie studiert, eigentlich als Priesteramtskandidat für das Erzbistum Hamburg, und habe da Jesuiten kennengelernt, war dann in Schweden, habe dort auch noch mal Jesuiten kennengelernt. Und mich hat irgendwie die Breite fasziniert, die es in diesem Orden gibt. Auch eine Breite, die mich anfangs ein bisschen verunsichert hat, wo ich nicht genau wusste: Wie hält der Laden eigentlich zusammen? Aber mehr und mehr kam wirklich auch eine Faszination. Das Gefühl, da sind Menschen, die gemeinsam versuchen, etwas für das Reich Gottes auf der Erde zu tun, sich einzusetzen aus Leidenschaft für Gott und die Menschen. Und ich habe einfach gemerkt, die Spiritualität, die Exerzitien vom heiligen Ignatius, diese Art und Weise, mit Christus in Kontakt zu kommen, die hilft dem eigenen Leben weiter.

Tatsächlich ist da diese Vielfalt an Aufgaben, die einem im Orden begegnen können. Wir haben ja Mitbrüder, die an ganz unterschiedlichen Stellen leben und arbeiten, an ganz verschiedenen Orten. Diese Vielfalt hat mich gereizt und diese Verfügbarkeit in der Sendung, die es bei uns gibt. Also nicht zu sagen, man geht eben in ein Kloster oder an einen Ort und bleibt dann dort, sondern man lässt sich immer wieder an verschiedene Orte, in verschiedene Aufgaben schicken. Und ich glaube, dass mir das hilft, immer wieder so ein bisschen aus der eigenen Komfortzone auszubrechen und mich nicht zu schnell einzurichten. Ich glaube, diese äußere Unruhe, die mit dem Jesuitsein verbunden ist, die hilft mir persönlich auch, um innerlich unruhig zu bleiben, auf der Suche zu bleiben und wach zu bleiben. Ich glaube, das ist ein entscheidender Grund, warum ich mich dann für die Jesuiten entschieden habe.

„Ich glaube, an Ignatius ist cool, dass er jemand ist, der die Persönlichkeit der Menschen ernst genommen hat und der geschaut hat, wo ein Mehr an Freiheit und Liebe möglich ist.“

—  Zitat: Dag Heinrichowski

Frage: Wie hatte denn Ihre Familie reagiert?

Heinrichowski: Meine Familie hat im Großen und Ganzen positiv reagiert, als ich mich entschieden hatte, nach dem Abitur und nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr ins Priesterseminar zu gehen. Das war eher eine Reaktion von wenig Überraschung, eher so, das passt, das können wir uns vorstellen. Als ich mich dann für den Orden entschieden habe, war bei vielen Freunden und Familienmitgliedern eigentlich gar nicht so klar: Was ist da jetzt eigentlich der Unterschied? Also was ist jetzt Orden und Priester? Irgendwie ist es ja doch von außen gesehen alles ähnlich. Und ich glaube, bei meinen Eltern war meine Mutter eher ein bisschen überrascht und vielleicht auch nicht ganz glücklich, weil das halt auch heißt, dass man eben nicht unbedingt nahe an der Familie wohnen wird. Ich glaube, mein Vater, der Jesuiten kennt, fand das eigentlich eine ganz vernünftige Entscheidung.

Inzwischen habe ich vor allen Dingen auch das Gefühl, dass meine Mutter vom Orden sehr begeistert ist. Sie war zur Diakonweihe in Paris. Die Kommunität hat da einfach einen wunderbaren Empfang gemacht und es war ja noch zu Corona-Hochzeiten. Das hat sie auch sehr genossen, so eine Erfahrung vom Orden machen zu können und erzählt immer noch gerne von dieser Reise nach Paris. Auch die Mitbrüder erzählen gerne noch von dieser Reise meiner Mutter in die Kommunität. Meine Eltern waren auch in Hamburg in der Kommunität schon zu Gast und im Noviziat und in Berlin. Deswegen glaube ich, inzwischen können die das sehr gut nachvollziehen und finden das gut. Ich fühle mich da sehr unterstützt. Ich glaube, am Anfang war es auch so ein Moment von Überraschung: Was heißt das jetzt fürs Leben? Aber ich erfahre da eine große Unterstützung.

Frage: Sie haben eben schon vom Gründer des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, gesprochen. Ist er also ein Vorbild?

Heinrichowski: Vorbild? Das weiß ich nicht, ob das das Wort wäre. Er ist sicherlich jemand, der mich inspiriert und den ich beeindruckend finde. Ich glaube, Vorbild wäre mir das zu starke Wort, weil ich schon sagen würde, dass er einfach in so einer anderen Zeit gelebt hat und ich ja auch den Vorteil habe, dass ich das ganze Leben sozusagen auf einmal anschauen kann, durch seine Autobiografie, den Pilgerbericht, und dass ich dann merke, dass er da ja auch Phasen hatte, wo er sehr streng mit sich selber war und ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen ist.

Insofern würde ich sagen, wenn Vorbild, dann in den richtigen Dosen und an den richtigen Stellen. Aber klar, das ist jemand, der mir viel bedeutet, dem ich auch viel verdanke und der mir sehr wichtig ist.

Frage: Wie erklären Sie denn einem 15-Jährigen oder 20-Jährigen, was daran cool ist? Welche Begeisterung schwingt da mit?

Heinrichowski: Ich glaube, an Ignatius ist cool, dass er jemand ist, der die Persönlichkeit der Menschen ernst genommen hat und der geschaut hat, wo ein Mehr an Freiheit, auch ein Mehr an Liebe möglich ist und der uns Instrumente mit den Exerzitien an die Hand gegeben hat, die dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, die dabei helfen, zu wachsen und einfach frei zu werden und sich auf Gott einzulassen.

Ich weiß nicht, ob das jetzt mit cool beschrieben werden würde, aber das ist zumindest das, was meine Faszination ausmacht. Und ich glaube, dass das auch viele andere, die auch nicht Jesuiten sind, faszinieren kann, dass da eben jemand ist, der Menschen hilft, so zu leben, wie das Leben erfüllend ist, und so zu leben, wie Gott auch möchte, dass jemand lebt.

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Frage: Also eine Spiritualität, die Sie auch ganz gut auf 2021 übersetzen können. Sie waren in Berlin außerschulisch am Canisius-Kolleg in der Jugendarbeit tätig und sind es auch jetzt in Hamburg. Sie kennen sich also aus: Was müsste die Kirche anders machen? Zum Beispiel, um attraktiv zu bleiben und noch ein paar Generationen weiter der Ort des Glaubens zu bleiben?

Heinrichowski: Ich glaube, dass die Fragestellung schon eine Problematik aufzeigt – in zwei Richtungen. Das eine ist für mich die Frage, ob es tatsächlich um eine kirchliche Selbsterhaltung gehen sollte oder ob es nicht die Frage ist: Wo können Kinder und Jugendliche mit einer freimachenden Tradition in Berührung kommen? Wo können sie Freiräume entdecken? Und das ist auch das, wie ich Kirche selbst als Jugendlicher entdeckt habe: Als einen Raum, wo Dinge möglich sind, wo ich gestalten kann. Ich glaube, das ist eine wichtige Erfahrung, die auch – wenn sie gemacht wird – dazu führen kann, dass mit Kirche positive Dinge verbunden werden und dass Kirche als ein Raum erlebt wird, wo Freiheit geatmet werden kann und auch diese Botschaft Jesu Christi noch mal ganz anders hineinfällt. Auch als eine Botschaft, die mich letztlich frei machen will, die mich zum Leben führen möchte.

Die andere Richtung: Gerade in Zeiten, wo viel von Kirchenkrise gesprochen wird, ist mir ganz wichtig – und das ist auch schön, dass ich in der Jugendarbeit sein darf – als Kirche dürfen wir uns auch noch mal stärker bewusst sein und uns da auch irgendwie dran freuen, dass Kirche ganz viel das ist, was vor Ort passiert. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es ganz laute Stimmen gibt in und über Kirche, die sich letztlich nur damit beschäftigen, was eigentlich der Bischof hier gemacht hat oder das Gremium dort entschieden hat. Und ich glaube, diese Dimension, dass Kirche auch vor Ort passiert, gestaltet und lebt, dass die eine ganz heilsame Perspektive sein kann, um eben auch zu merken: Kirche ist was, was mit dir was zu tun hat. Aber es gibt dann sicherlich auch – und das gehört mit zum Bild dazu – auch Teile, wo in der Kirche einfach Krise ist, wo Dinge schief gehen, wo Mist gemacht wird und wo Leute verletzt werden. Aber dann gilt es eben auch zu sagen: Es gibt auch diese andere Art von Kirche, die Kirche vor Ort, die Kirche im Kleinen vielleicht, die genauso ihre Berechtigung hat. Vielleicht noch mehr, weil das manchmal auch der Ort ist, wo noch mehr vom Evangelium gelebt und weitergegeben wird.

Frage: Wer davon noch mehr wissen will, kann das ja auch in Ihrem Buch nachlesen.
In Ihrem Leben sind Sie schon ganz schön herumgekommen: von Hamburg nach Frankfurt am Main zum Philosophie- und Theologiestudium. In dem Zuge sind Sie auch für einige Zeit in München und Schweden gewesen und dann Berlin, Paris. In diesem Jahr ging es nach Hamburg zurück. Wie haben Sie die Auslandsaufenthalte geprägt?

Heinrichowski: Ich glaube, dass die Auslandsaufenthalte mich geprägt haben in meiner Art, mit Vielfalt umzugehen. Und ich glaube auch, dass das eine unglaublich kostbare Erfahrung für mich war, zu sehen: Wie funktioniert eigentlich oder wie erlebe ich eigentlich Kirche? Wie erlebe ich die Menschen in Norddeutschland, wie ist das im Süden der Republik? Wie ist es in Schweden? Wie ist es in Paris? Mit ganz vielen verschiedenen Stilen, das zu erleben und dann auch zu merken, es gibt Dinge, die uns zusammenhalten – das ist eine kostbare Erfahrung für mich, die mich auch geprägt hat in der Frage, wie ich mit Unterschiedlichkeiten umgehe und wie ich damit umgehe, wenn Menschen irgendwie vielleicht nicht so reagieren, wie ich es auf den ersten Blick machen würde. Ich glaube, dass das eine wichtige Erfahrung für mich ist.

Dazu kommt für mich natürlich: Dadurch, dass ich in Schweden Schwedisch lernen durfte und jetzt in Paris auch Französisch lernen durfte, worum ich mich in der Schule ein bisschen gedrückt hatte – das stimuliert auch noch mal stark das Denken. Also zu merken, dass man manche Dinge in gewissen Sprachen gut ausdrücken kann, andere nicht – ich glaube, das ist eine ganz großartige Schule fürs Denken und um zu verstehen, warum Dinge vielleicht manchmal auch für andere nicht zu verstehen sind.

Das ist auch eine ganz wichtige Erfahrung, einfach sich in verschiedenen Sprachen ausdrücken zu können und auch zu merken, wie man sich selbst verändert, wenn man eine gewisse Sprache spricht. Als ich hier nach Hamburg umgezogen bin, hatten mich zwei französische Jesuiten begleitet. Sie haben einen kleinen Roadtrip gemacht. Und die sagten mir dann, das fand ich spannend, dass ich ganz anders reden würde, wenn ich auf Deutsch sprechen würde.

Ich finde spannend, sich selbst zu entdecken: Was für ein Mensch bin ich eigentlich, wenn ich Französisch spreche, was für eine Art von Humor habe ich dann? Was traue ich mich dann auch vielleicht, zu sagen? Oder was traue ich mich nicht, zu sagen? Und ich glaube, dass insofern diese Auslandsaufenthalte für mich auch eine ganz wichtige Schule und ein ganz wichtiger Teil von Ausbildung war, unabhängig von allen Studieninhalten.

Ein Mann wird zum Priester geweiht
Bild: ©KNA/CIRIC/Corinne Simon (Archivbild)

Bei der Priesterweihe erhält der Kandidat nach katholischem Verständnis ein "unauslöschliches Prägemal", das ihm die Vollmacht verleiht, "in persona Christi" die Sakramente zu spenden. Die Zahl der Priesterweihen ist in den meisten Diözesen und Orden des Westens seit Jahrzehnten stark rückläufig.

Frage: Das Theologie-Aufbaustudium hat ja komplett in Lockdown-Zeiten stattgefunden in Paris, in Frankreich. Wie gehen Sie mit der Lage um, in der wir seit mehr als eineinhalb Jahren stecken?

Heinrichowski: Ich merke einen ganz großen Unterschied für mich im Studium und jetzt in der Arbeit. Im Studium habe ich in einer großen Kommunität gewohnt, mit vielen anderen Jesuiten aus verschiedensten Ländern: Mit Professoren, mit anderen Studenten, mit Jesuiten, die in der Pastoral tätig sind. Da war das Studieren für mich die Hauptaufgabe. Und das ging gut im Lockdown. Ich hatte Austausch, ich hatte meine Materialien, ich konnte in Ruhe schreiben, ich hatte viel weniger Dinge um mich herum, die mich vielleicht ablenken würden. Das konnte ich irgendwie anders genießen.

Ich merke, in Hamburg ist es noch mal stärker auch eine Schwierigkeit, gerade in der Jugendarbeit und in der Schule: Überall werden noch Masken getragen. Das erste, was man als Verantwortlicher tun muss, ist Regeln erklären und dafür sorgen, dass Regeln eingehalten werden. Und ich merke, dass das total erschwert, in Beziehungen zu kommen, weil immer das erste, was ich sage, wenn ich Jugendliche sehe, ist quasi: Setzt bitte die Maske ordentlich auf! Oder: Haltet ein bisschen Abstand! Das erlebe ich als total anstrengend und auch nervig. Gleichzeitig ist es notwendig. Aber das ist für mich viel schwieriger als im Studium, wo es ja für mich einfach um andere Dinge ging.

Insgesamt ist es eine anstrengende Zeit. Man gewöhnt sich natürlich an gewisse Sachen, aber es bleibt auch so ein bisschen die Sorge, gerade bei den Kindern und Jugendlichen, wenn sie nicht oder noch nicht geimpft sind, wenn das vielleicht Eltern nicht möchten, ist natürlich auch immer so eine Sorge da: Bringe ich da jetzt auch noch einen Virus mit nach Hause oder zu meinen Großeltern? Das finde ich, ist eine unglaubliche Last, die da Kinder und Jugendliche zu tragen haben. Und das finde ich irgendwie auch wirklich ungerecht und ich würde mir wünschen, dass sich da die Dinge auch noch mal ein bisschen verschieben, damit solche Dinge wieder zwangfreier möglich sind. Aber es liegt dann letztlich eben nicht in unserer Hand.

Frage: Wie kann die Kirche oder wie können auch Sie jetzt in Ihrem Job da den jungen Menschen unter die Arme greifen und helfen?

Heinrichowski: Eine Sache ist, sich nicht einschüchtern zu lassen und das, was die Jugendlichen an Willen und Energie mitbringen, auch weiter zu machen. Das auch möglich zu machen, also da auch zu versuchen, möglichst viele kreative Lösungen zu finden. In welche Räumlichkeiten kann man noch gehen? Wie kann man Formate noch mal anders machen? Und da wirklich zu unterstützen, da zu sein und gemeinsam zu gucken, wie wir einfach das, was wir vielleicht vorher schon gemacht haben, weiter machen können.

Es gibt bei uns in der Jugendarbeit alle zwei Wochen am Dienstagabend eine Möglichkeit für die älteren, sich zusammenzusetzen bei einem Bier oder bei einer Cola. Da gab es die Idee: Mensch, wir können das doch einfach draußen machen. Und jetzt wird das seit einem halben Jahr draußen auf einem kleinen, abgeteilten Feld des Schulhofs gemacht. Ich glaube, das ist unglaublich wichtig, dass solche Angebote weiter bestehen und nicht immer nur alle Regeln gesehen werden, sondern geguckt wird: Wo können wir Spielräume schaffen und wo können wir auch Dinge ermöglichen? Das ist ja zum Glück auch, was in vielen Regeln staatlicherseits mit geschaut wird, dass eben solche Erfahrungen wichtig sind. Wichtig ist, dass die Kirche da auch weiter dran bleibt und nicht nur sich schützen will und auf hundertprozentige Sicherheit geht, sondern sagt: Wo sind weiterhin Räume möglich, wo ich mich selbst und auch Gott erfahren kann?

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Frage: Das Studentenleben ist vorbei. Sie bleiben an Ihrem Einsatzort in Hamburg. Was wünschen Sie sich denn für Ihr Priestersein jetzt?

Heinrichowski: Ich wünsche mir für mein Priestersein einerseits, geerdet zu bleiben. Ich glaube, das ist mir wichtig, da mit Menschen in Kontakt zu bleiben, die mich auch schon lange kennen und einfach zu schauen, dass ich als der, der ich bin, eben auch Priester sein kann.

Das andere, was ich mir wünsche, ist tatsächlich einfach, dass ich – das mag irgendwie vielleicht fromm klingen, aber – so was wie ein Instrument sein darf. Dass ich also jemand sein darf, wo eine Erfahrung mit Gott möglich ist, in Sakramenten, in Gesprächen, in Gottesdiensten. Und ich hoffe, dass da auch in meinem Tun etwas von dem, was ich erleben durfte – Gott als jemand, der immer größer ist, der Freiheit will, der Liebe will, der das Gute will – dass Gott auch in dem, was ich tue, was ich predigen werde, in den Sakramenten, die ich feiern darf, dass so auf diese Weise Gott kennengelernt werden darf. Dass da ein Kontakt entstehen kann mit Gott und unter den Menschen, das ist mir wichtig.

Frage: Was gibt Ihnen in dieser Zeit und jetzt, kurz bevor Sie Priester werden, Hoffnung?

Heinrichowski: Hoffnung geben mir einerseits tatsächlich die Jugendlichen, die ich im Alltag erleben darf, die ganz viel Energie haben, die Dinge anpacken, die weitermachen, die vorangehen, die gestalten wollen, die sich einbringen. Das gibt mir viel Hoffnung.

Und andererseits, und das habe ich in den letzten Tagen jetzt noch mal im Kloster gemerkt, tatsächlich der Blick auf Jesus Christus und auch sein Blick auf mich, der mir sagt: Ich bin bei euch, ich bin bei dir alle Tage. Das ist einfach eine großartige Botschaft, die mir Hoffnung gibt.

Von Katharina Geiger