Beauftragter Rörig kritisiert Umgang der EKD mit Missbrauchsopfern
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die evangelische Kirche für ihren Umgang mit Mitgliedern des Betroffenenbeirats kritisiert. Derzeit gebe es noch keinen partnerschaftlichen Umgang mit ihnen, sagte Rörig der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Die neue Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sollte die Bekämpfung und Aufarbeitung von Missbrauch künftig zur Chefsache machen. Er wünsche sich, dass die Synode einen neuen Aufbruch für die Aufarbeitung bringe.
Die EKD wählt bei der am Sonntag beginnenden Synode in Bremen einen neuen Rat und einen neuen Ratsvorsitzenden. Auch das Thema der Aufarbeitung und Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder steht auf der Tagesordnung, dazu sind auch Betroffene eingeladen.
Rörig kritisierte vor allem, dass die EKD den Betroffenenbeirat im vergangenen Frühjahr ausgesetzt habe. Die einseitig beschlossene Aussetzung sei "für uns alle schockierend und erschütternd" gewesen, so der Beauftragte. Sie habe neben dem Vertrauensverlust von Betroffenen auch "enorme Auswirkungen auf die Aufarbeitungsprozesse" gehabt. So sei etwa die Erarbeitung einer "Gemeinsamen Erklärung" zur Aufarbeitung ins Stocken geraten.
Kritik an einseitiger Machtausübung
Der Betroffenenbeirat hatte sich im vergangenen Jahr konstituiert. Nach Konflikten mit der EKD und innerhalb des Beirats hatte die EKD die Beteiligung des Beirats im vergangenen Frühjahr ausgesetzt. Die katholische Kirche hatte eine "Gemeinsame Erklärung", in der sie sich zur Aufarbeitung verpflichtet, im vergangenen Jahr unterzeichnet. Sie setzte im Anschluss einen Betroffenenbeirat ein.
Rörig rief die evangelische Kirche zu einer professionellen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Betroffenen in der Aufarbeitung auf. Dazu gehöre auch, dass sie zur Beteiligung befähigt würden und Kritik ernst genommen werde, wenn Betroffene auf Missstände hinwiesen. Darauf mit einer einseitigen Machtausübung zu reagieren, wie das geschehen sei, sei nicht akzeptabel, so Rörig. Insbesondere sei wichtig, diesen Prozess gemeinsam mit den Betroffenen genau auszuwerten. Die EKD hatte zunächst angekündigt, den Vorgang evaluieren zu lassen. Inzwischen hatte sie dazu eine Expertise in Auftrag gegeben.
Rörig schlug außerdem vor, dass die Synode einen unabhängigen Beauftragen einsetzen solle, bei dem der Betroffenenbeirat angesiedelt werden könnte. Einen solchen unabhängigen Beauftragten hatte auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende und frühere EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt auf dem vergangenen Ökumenischen Kirchentag vorgeschlagen.
Unterdessen zeigte sich auch der scheidende EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm unzufrieden mit dem Stand der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und der Präventionsstrategie seiner Kirche. "Wir haben es versucht. Aber ich bin trotz aller Anstrengungen und allem Erreichten nicht zufrieden mit dem Ergebnis", sagte Bedford-Strohm dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag).
Missbrauchsfälle "in unserer Kirche belasten mich extrem"
Der bayerische Landesbischof verwies auf den elf Punkte umfassenden Handlungsplan gegen sexualisierte Gewalt, den die EKD "Schritt für Schritt" gegangen sei. "Dennoch ist es uns nicht gelungen zu vermitteln, dass wir das konsequent tun, und es ist uns vor allem auch nicht gelungen, das Vertrauen wiederzugewinnen, das verloren gegangen ist". Er bedauere es sehr, dass die EKD "trotz aller Anstrengungen noch nicht weitergekommen" sei, so Bedford-Strohm: "Die Fälle sexualisierter Gewalt in unserer Kirche belasten mich extrem."
Bedford-Strohm, der bei der kommenden Synode sein Amt nach sieben Jahren abgeben wird, appellierte an seine und auch an die katholische Kirche, bei der Aufarbeitung nicht nachzulassen. "Es ist nachvollziehbar, dass wir als Kirchen gemeinsam im Fokus stehen, so unterschiedlich die Betroffenheiten jeweils sind. Die moralische Fallhöhe ist bei keiner anderen Institution so hoch", betonte er. "Darum stehen wir in der Pflicht, konsequent so zu handeln, dass Risiken so weit wie irgend möglich minimiert werden." (tmg/KNA)