Weitere Hinweise aufgetaucht
Die Nachforschungen über die rund 800 Kinderleichen, die in einem Massengrab im irischen Tuam gefunden wurden, ziehen weitere Kreise. Laut einem Bericht der Tageszeitung "Irish Independent" vom Samstag haben sich nun auch ehemalige Bewohner eines Heimes für ledige Mütter und deren uneheliche Kinder in Cork zu Gerüchten über einen Friedhof im Stadtteil Blackrock geäußert.
Es habe immer schon "Gerüchte über die Begräbnisse und den Friedhof" des Bessborough-Heims gegeben, sagte der ehemalige Heimbewohner John Barrett gegenüber der Zeitung. Es könnten dort viele Babies begraben liegen. Schließlich handle es sich um die größte Institution ihrer Art in Irland. Barrett wurde 1952 selbst in Bessborough geboren.
Man müsse herausfinden, ob es sich "nur um Gerüchte" handle oder ob dort tatsächlich "tragische Vorfälle" passiert seien. Auch andere Heimbewohner hatten in den vergangenen Tagen von einem Verdacht gesprochen. Das Bessborough Heim in Cork wurde von den Herz-Jesu- und Marien-Schwestern geleitet. Der Orden erklärte, er begrüße eine unabhängige Untersuchung der Angelegenheit.
Uneheliche Kinder lediger Mütter
Laut Medienberichten sollen in Bessborough auch Impfstoffe an Kindern ohne deren Wissen getestet worden sein. Zudem sollen danach die Leichen verstorbener Kinder für medizinische Studien verwendet worden sein. Das Heim wurde in den 1950er Jahren kurzfristig geschlossen. Nach seiner Wiedereröffnung war es bis in die 1980er Jahre von ledigen Müttern und deren Kindern bewohnt.
Bei den 800 Kinderleichen im irischen Tuam soll es sich um die unehelichen Kinder lediger Mütter handeln. Das Massengrab war schon vor mehr als 30 Jahren entdeckt worden. Bewohner der Region dachten lange Zeit, es handele sich um Opfer der irischen Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Erst kürzlich hatte eine Historikerin Belege für deren tatsächliche Herkunft gefunden. Die irische Regierung hat bereits angekündigt, die Nachforschungen auszuweiten. Experten zufolge lässt sich die Todesursache der Kinder auch heute noch feststellen. Sie sollen zwischen 1925 und 1961 gestorben sein.
Das Heim in Tuam war Medienberichten zufolge eine von zehn Einrichtungen in Irland, in denen insgesamt rund 35.000 ledige Mütter, sogenannte gefallene Frauen, untergebracht wurden. Zum Teil mussten sie dort Zwangsarbeit verrichten. Die Kinder "gefallener Frauen" wurden den Müttern in der Regel weggenommen und vielfach an andere Familien weitergegeben.
Auch der Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin hat seine Unterstützung bei den Nachforschungen zugesagt. Er hatte bereits vor einigen Tagen alle wichtigen Ordensgemeinschaften und Regierungsbehörden aufgerufen, dasselbe zu tun.
Würdiges Begräbnis geplant
Unterdessen erklärte Erzbischof Michael Neary von Tuam, dass es in den Diözesanarchiven "keine Dokumentation" gebe, da das betreffende Heim für ledige Mütter und deren Kinder vom Frauenorden der Bon-Secours-Schwestern und nicht von der Diözese geführt wurde. Alle relevanten Akten des Heims seien 1961 an die Verwaltung der Grafschaft Galway und die Gesundheitsbehörde übergeben worden, zitierte ihn der Sender BBC am Donnerstag. Außerdem kündigte er an, nachträglich für "ein würdiges Begräbnis" der Kinder sorgen zu wollen und voll mit den Behörden zu kooperieren. Es sei jedoch vor allem an den Bon-Secours-Schwestern, "ihre Verantwortung wahrzunehmen".
Dublins Erzbischof Martin sagte, das Evangelium lehre, dass "echter Glaube" danach bemessen werde, "wie wir mit Kindern umgehen". Er nannte die bekanntgewordenen Details über das Massengrab in Tuam "erschütternd".
Geschichte muss genau aufgearbeitet werden
Bereits vor einigen Monaten habe er den Diözesanarchivar angewiesen, Informationen über Heime für ledige Mütter und deren Kinder in Dublin zusammenzutragen, so der Erzbischof weiter. Hunderte Dokumente seien bereits zusammengekommen. Er wolle "alle Aspekte des Lebens in den Heimen" untersuchen, vor allem die Frage, wie dort Adoptionen organisiert wurden.
In den vergangenen Jahren hat sich Martin nach eigenen Worten wiederholt mit Vertretern ehemaliger Heimbewohner getroffen. Alles müsse getan werden, um die Geschichte dieser Menschen möglichst genau aufzuarbeiten und darzustellen. Martin unterstützt die Errichtung von Denkmälern an allen anonymen Gräbern. (som/KNA)