Wie eine Sonnenblume oder ein Anti-Resignativum

Ein neuer Horizont: Die Kraft der christlichen Hoffnung

Veröffentlicht am 01.01.2022 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 
#jetzthoffnungschenken

Bonn ‐ Die Bibel sieht in der Hoffnung ein Kennzeichen des christlichen Glaubens, schreibt die Bestsellerautorin Melanie Wolfers. Diese Hoffnung ist mehr als ein billiges Trostpflaster: Sie hilft mit Krankheit, Sterben, Leid und Unrecht gelassener umzugehen – und fordert unsere besten Kräfte.

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Mach es wie die Sonnenblume

Die Sonnenblume wendet noch in der Nacht ihren Kopf in jene Richtung, wo die Sonne aufgeht.

Die Kraft der Sonnenblume beeindruckt mich – und zwar so sehr, dass sie sogar titelgebend wurde für mein Buch: "Zuversicht. Die Kraft, die an das Morgen glaubt". Denn ähnlich wie die Sonnenblume wendet sich die Hoffnung noch in der Nacht in jene Richtung, wo die Sonne aufgeht.

Hoffen wir, dann wenden wir uns dem Licht einer wünschenswerten Zukunft zu. Und dieses Licht erhellt bereits heute die Gegenwart. Es treibt an, so zu leben, dass wir dem Erhofften einen Weg bahnen.

Ein Feld mit Sonnenblumen, im Hintergrund eine Kirche.
Bild: ©Picfabrik/Fotolia.com (Symbolbild)

Beeindruckend findet Melanie Wolfers die Kraft der Sonnenblume, sich in der Nacht in die Richtung zu drehen, aus der die Sonne morgens aufgehen wird.

Die christliche Hoffnung: ein Anti-Resignativum

Es ist bemerkenswert, dass die Bibel in der Hoffnung ein Kennzeichen und Unterscheidungsmerkmal des christlichen Glaubens sieht. Was meint christliche Hoffnung? Und wie verändert sie den Umgang mit Krisen?

Der christlichen Hoffnung wird oft unterstellt, dass sie wie ein Beruhigungsmittel eingesetzt wird, um Angst oder Kummer zu betäuben oder um die Hände in den Schoß zu legen. Und in der Tat: Sie kann auf diese Weise missbraucht werden, und die Geschichte hält genügend Beispiele dafür parat. Doch recht verstanden setzt die christliche Hoffnung den entgegengesetzten Impuls frei! Drei Hinweise dazu:

Als erstes zeigt ein Blick in die Bibel, dass die christliche Hoffnung kein billiges Trostpflaster auf die Wunden der Welt klebt. Vielmehr hat sie den Schmerz des Lebens und die Ohnmacht des Sterbens ungeschminkt vor Augen. Ja, selbst die letzten Worte Jesu sind ein markerschütternder Schrei zum Himmel, wenn er in der Dunkelheit seines Sterbens ruft: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Markus 15,34)

Zugleich drückt die Bibel in verschiedenen Bildern die Hoffnung auf Auferstehung, auf ein "Leben in Fülle", ein "Leben in Gott" aus. Wie diese Wirklichkeit aussieht, weiß niemand, und alle Bilder bleiben vage Versuche, diese Hoffnung auszudrücken. Doch dass unser endliches Leben mit seiner Schönheit und seinem Schrecken im Unendlichen geborgen ist – darin kommen die biblischen Bilder überein. Und darin findet der christliche Glaube seine Mitte. Eine solche Hoffnung wirkt wie ein Licht, das hilft, sich der ängstigenden Dunkelheit zu stellen, und das einen neuen Morgen verspricht.

Drittens: Die Hoffnung auf Auferstehung bietet keinen Weg an, Not und Ausweglosigkeit, Leiden und Sterben theoretisch zu verstehen. Sie kann aber einen Weg eröffnen, diese zu bestehen – und das vor allem in solidarischer Sorge um diejenigen, die um ihr Leben betrogen werden und vom Leid am meisten betroffen sind. Denn aus christlicher Perspektive ist Solidarität der menschlichste Ausdruck des Glaubens. Darauf macht Jesus mit seiner überraschenden Erzählung aufmerksam, worauf es am Lebensende ankommt: Es wird nicht gefragt, welche Glaubenssätze man im Kopf, sondern ob man für andere ein Herz hatte (vgl. Matthäus 25,31–46). Es wird nicht gefragt, zu welcher Religion oder Kultur man gehört, sondern ob man sich als Mitglied der einen universalen Menschheitsfamilie verstanden und entsprechend gelebt hat. Die christliche Hoffnung geht mit der Weigerung einher, Leid und Unrecht als schicksalhaftes "So ist es eben und so war es immer" hinzunehmen. Sie wirkt wie ein Anti-Resignativum, das vor Bequemlichkeit oder falscher Gelassenheit bewahrt.

Trauergesellschaft auf dem Friedhof
Bild: ©Fotolia.com/Rawpixel.com (Symbolbild)

"Im Hoffen auf Gott eröffnet sich ein Horizont, in dem auch Sinnlosigkeit und Tod ihren Platz finden". schreibt Melanie Wolfers. "Ich muss schmerzhafte und absurde Erfahrungen nicht bis aufs Letzte verstehen oder bewältigen."

Persönlich nachgefragt

Als Christin und Ordensfrau werde ich manchmal gefragt, ob mir mein Glaube hilft, mit Krankheit und Sterben, mit Leid und Unrecht gelassener umzugehen.

Im Hoffen auf Gott eröffnet sich ein Horizont, in dem auch Sinnlosigkeit und Tod ihren Platz finden. Ich muss schmerzhafte und absurde Erfahrungen nicht bis aufs Letzte verstehen oder bewältigen. Und ich muss auch nicht alle Krisen meistern! Vielmehr dürfen Situationen und Erfahrungen fremd und schmerzhaft bleiben – dank der Hoffnung: "Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält." (Rainer Maria Rilke) Eine solcher Glaube hilft, durch Dunkles hindurchzugehen und auf einen neuen Morgen zu hoffen.

Geschenkt

Zuversicht und Hoffnung fallen uns nicht einfach in den Schoß. Sie sind eine Haltung, die wir einnehmen und einüben können. Und dies fordert unsere besten Kräfte! Zugleich ist es auch ein Geschenk, wenn man in schweren Zeiten Tag für Tag Vertrauen und Zuversicht in sich vorfindet. Wenn man sich in der Ohnmacht "irgendwie" gehalten erfährt, und wenn sich nach einer langen Nacht ein heller Streifen am Horizont zeigt.

Im Prozess der Zuversicht ist also unser Tun gefordert und unsere Bereitschaft, geschehen zu lassen. Eine aktive Einstellung dem Leben gegenüber und eine kontemplative, empfangsbereite Haltung. Darin liegt eine Grundregel für ein von Hoffnung und Zuversicht getragenes Leben: Dass ich alles tue, was in meiner Macht liegt, und offen bin für Rettendes. Dass ich wie die Sonnenblume noch im Dunklen aktiv den Kopf in jene Richtung wende, wo die Sonne aufgeht, und mich dem Geheimnis von Nacht und Tag überlasse.

Diese adventliche Zuversicht wünsche ich Ihnen und uns allen!

Von Melanie Wolfers

Die Autorin

Melanie Wolfers ist Philosophin und Theologin und eine der bekanntesten christlichen Autorinnen im deutschsprachigen Raum. 2004 trat sie in den Orden der Salvatorianerinnen ein. Sie ist Bestsellerautorin, gefragte Rednerin und betreibt den Podcast "GANZ SCHÖN MUTIG – dein Podcast für ein erfülltes Leben". www.melaniewolfers.de

Die Beiträge sind bearbeitete Auszüge aus: Melanie Wolfers, Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt, bene! Verlag 3. Auflage 2021

Aktion #jetzthoffnungschenken

Die Zahlen sind erschreckend: Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich einsam. Und es sind nicht nur ältere Menschen betroffen. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Dabei reichen oft nur kleine Gesten wie ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein offenes Ohr oder etwas Zeit, um seinem Gegenüber Hoffnung zu schenken. Mit der Aktion #jetzthoffnungschenken will das Katholische Medienhaus in Bonn gemeinsam mit zahlreichen katholischen Bistümern, Hilfswerken, Verbänden und Orden im Advent 2021 einen Beitrag gegen Einsamkeit leisten. Erfahren Sie mehr auf jetzthoffnungschenken.de.