Als Gast Advent und Weihnachten im Kloster erleben
Wenn ich gefragt werde, wie wir bei den Kapuzinern im "Kloster zum Mitleben" den Advent gestalten, möchte ich am liebsten kurz antworten: Normal. Von klein auf ist bei mir der Advent mit vielen Traditionen verbunden, an denen sich über die Jahre gar nicht so viel geändert hat. Zum Advent gehören Kerzen in dunkler Jahreszeit, Tannenreisig als Gesteck oder in Kranzform, alte, stimmungsvolle Lieder, Flötenmusik, Lebkuchen, Stollen und Plätzchen – zumindest die Versucherle von der Weihnachtsbäckerei. Sowieso ist vieles in dieser Zeit von der Vorbereitung auf Weihnachten geprägt.
Ist das im Kloster anders? Nein, im Gegenteil! Vielleicht ist es bei uns im Kloster sogar noch traditioneller, verfasster, "schon immer so gewesen" – auf eine für mich sehr schöne Weise. Die Texte in der Liturgie sind altbekannt und archaisch: hoffnungsvolle Propheten- und herausfordernde Gerichtsworte, Bilder, die sehr konkret und verständlich sind, wechseln ab mit Worten, die wie aus einer anderen Welt zu kommen scheinen. Die Worte der Lieder und Gebete in dieser geprägten Zeit haben Schwere und hoffnungsstiftende Ausdruckskraft, die Melodien sind vertraut, getragen und Erwartung stiftend. Bei mir funktioniert das gut: Wie auf Knopfdruck werde ich in adventliche Stimmung versetzt.
Der Advent im Kloster ist voller Traditionen
In unserer Kapuzinerkirche feiern wir wöchentlich Rorate-Messe: Die Kirche ist nur durch Kerzen erleuchtet. Das Licht reicht gerade so, um die Bibeltexte am Lesepult und das Messbuch auf dem Altar lesen zu können. Die sehr reduziert eingesetzten Gesänge gehen auswendig, ein instrumentales Flöten- oder Orgelstück schafft Stimmung und Atmosphäre. Über die Worte der Liturgie und der Schriftlesungen hinaus braucht es nicht viel, damit ich besinnlich werden und zum Nachdenken kommen kann. Das ist der geistliche Sinn der Adventszeit und dazu soll der äußere Rahmen dienen, den wir uns als Klostergemeinschaft in diesen Tagen geben: Vorbereitung auf die Menschwerdung Gottes in der Weihnachtsnacht, in meinem eigenen Leben und in der heutigen, konkreten Welt und Realität. Wieder neu empfangsbereit werden, sowohl im Sinne eines Radioempfängers, der die Antenne neu ausrichtet und versucht, die richtige Frequenz zu finden, als auch in der Weise eines frisch geleerten Gefäßes, dass neu befüllt werden kann.
Dieser Anspruch steht meist im Widerstreit zu den Vorbereitungsarbeiten für das Weihnachtsfest: Bäume fällen und aufstellen, den Krippenbau planen und durchführen, Plätzchen backen, Rezepte für das Weihnachtsessen wälzen, Einkäufe dafür planen und dann zum Großmarkt fahren, Liturgie vorbereiten und Weihnachtspredigten ersinnen… Alles eine Extraportion Stress und zugleich immer wieder Anknüpfungspunkt zu dem, um was es eigentlich geht: Gott neu einen Platz im Leben geben und diesen Raum schmücken und vorbereiten. Gut, dass die Kontrapunkte zum Getriebe der Weihnachtsvorbereitung gut eingeübt und institutionalisiert sind: Gebetszeiten, Gottesdienste, stille Meditation, aber auch gemeinsame Mahlzeiten und "Rekreationen", wie wir Ordensleute die Erholungszeiten am Abend, in der sich die Hausgemeinschaft trifft und austauscht, bezeichnen.
Advent und Weihnachten mit Gästen
Wir im Kloster in Stühlingen sind eine Gemeinschaft von vier Kapuzinerbrüdern und zwei Franziskanerinnen, die immer wieder Gäste einlädt, bei uns "mitzuleben": in Gästewochen von Samstag bis Samstag und zu besonderen Gelegenheiten im Kirchenjahr wie über die Weihnachtstage oder am Jahreswechsel. Mit unseren Gästen teilen wir unseren Alltag: miteinander beten, arbeiten, essen, Gespräch, Stille, Lachen und Gedanken. Das erfährt natürlich im Advent und an Weihnachten seine ganz eigene Prägung: In der ersten Adventswoche haben wir zu einer "stillen Woche" eingeladen. Außer in der Liturgie, für die nötigsten Absprachen oder Begleitgespräche haben wir die Woche komplett im Schweigen verbracht. Still werden, um neu hören zu lernen auf Gott, auf das, was in mir selber geschieht oder geschehen ist, auf meine Umwelt und was dort passiert. Gerade im Getriebe des ausgehenden Jahres mit all seinen Pflichten und Einladungen ist das ein intensiver Moment der Unterbrechung und des Durchatmens. Am Anfang der Woche fällt es noch schwer, ruhig zu werden, zum Ende hin kommt der Freitagabend, an dem wieder gesprochen wird, fast zu schnell und man möchte gerne noch ein wenig länger in der Ruhe verweilen. Aber auch der Moment des Neustarts, des Wiederaufbrechens in das Leben – hoffentlich frisch gestärkt – gehört zu dem Rhythmus von Aktion und Kontemplation, aus dem das Ordensleben sich gestaltet.
Auch in den Wochen ohne Schweigen erlebe ich unsere Gäste im Advent und auf Weihnachten hin in besonderer Weise. Es scheint mir, als wäre diese Hoffnungszeit aus dem Dunkel heraus gerade in der Zeit der Pandemie von besonderer Bedeutung. Die Menschen, die zu uns ins Kloster kommen, atmen auf und freuen sich daran, in Gemeinschaft sein zu können. Wir sind sehr froh, dass wir dieses Jahr mit dem entsprechenden Hygienekonzept auch und gerade über den Winter für die Menschen, die zu uns kommen, offen sein können – so sieht es zumindest bis jetzt aus. Gerade in der dunklen (Jahres-)Zeit brauchen wir die heller werdenden Kerzen, die die alte Hoffnung auf Neubeginn zum Ausdruck bringen und uns neues Leben in Aussicht stellen, dass Gott als Mensch und mit uns Menschen gestalten möchte.