"Tatort"-Star Nemec: Meinen Kirchenaustritt habe ich nie bereut
Ihr neuer "Tatort: Wunder gibt es immer wieder" führt die beiden Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) an diesem Sonntag (20.15 Uhr, ARD) in ein Frauenkloster im Voralpenland. Das Mordopfer in der 89. Folge des beliebten Ermittlerduos hatte zuletzt als Wirtschaftsprüfer in dem Kloster zu tun, in dem das gottesfürchtige Leben nur auf den ersten Blick beschaulich zu sein scheint. Gedreht wurde die Episode fast vollständig in dem 2019 aufgelösten Kloster Reisach im oberbayerischen Oberaudorf. Im Interview mit katholisch.de spricht Hauptdarsteller Miroslav Nemec über die Dreharbeiten hinter den Klostermauern, das Klostersterben in Deutschland und seinen Glauben an Wunder. Außerdem offenbart er, warum er einst aus der katholischen Kirche ausgetreten ist und wie er auf sein eigenes Lebensende blickt.
Frage: Herr Nemec, für Ihren neuen "Tatort: Wunder gibt es immer wieder" sind Sie und Ihr Kollege Udo Wachtveitl in die Welt der katholischen Klöster eingetaucht. Wie war das für Sie?
Nemec: Das war schon etwas Besonderes. Wir haben für den Münchner "Tatort" vorher noch nie in einem Kloster gedreht, insofern war das für alle Beteiligten natürlich sehr interessant. Mir persönlich war das Klosterleben aber schon vorher durchaus vertraut: Eine meiner Tanten hat im damaligen Jugoslawien wegen einer Behinderung zeitweise in einem Nonnenkloster gelebt, und ich durfte sie als Junge dort in den Ferien besuchen. Deshalb war ich schon sehr früh im Kontakt mit dieser besonderen Welt hinter den Klostermauern.
Frage: Inwieweit haben sich die Dreharbeiten im Kloster Reisach von Ihren sonstigen Drehs für den "Tatort" unterschieden?
Nemec: In der Regel wird ein "Tatort" an vielen verschiedenen Orten gedreht. Das war diesmal anders, weil tatsächlich fast die gesamte Folge im Kloster spielt. Insofern war der Dreh von den Räumlichkeiten her wesentlich konzentrierter als sonst. Und das hat sich natürlich auch auf die Arbeitsatmosphäre ausgewirkt. Wir haben bei den Dreharbeiten schon etwas von der sprichwörtlichen klösterlichen Ruhe gespürt. Das hat durchaus auf uns ausgestrahlt.
Frage: Klöster gelten bei vielen Menschen als geheimnisvolle, mythenumrankte Orte. Haben Sie von einer solchen Atmosphäre im Kloster Reisach auch etwas gespürt?
Nemec: Im Keller schon (lacht). Wir haben teilweise in den Katakomben des Klosters gedreht, und da war es schon ein bisschen unheimlich – auch wegen der vielen Spinnenweben. Solche alten Kellergewölbe helfen dem Grusel und der Fantasie durchaus auf die Sprünge ...
„Mit Gottes Bodenpersonal konnte ich nie viel anfangen.“
Frage: Das reale Kloster Reisach wurde 2019 wegen Nachwuchsmangels aufgelöst – so wie etliche andere Klöster in den vergangenen Jahren. Berührt Sie dieses Klostersterben, mit dem ja auch ein großer Traditionsabbruch einhergeht?
Nemec: Ich muss ehrlich sagen, dass mir dieses Thema vor unseren Dreharbeiten gar nicht bewusst war. Das Klostersterben scheint sich nach meinem Eindruck eher im Stillen zu ereignen; in den Zeitungen liest man jedenfalls kaum etwas davon. Durch unseren Dreh habe ich inzwischen aber natürlich etwas mehr darüber erfahren – auch durch meinen Kontakt zu einem polnischen Pater, der früher in Reisach gelebt und mir einiges über das Klosterleben erzählt hat. Trotzdem muss ich sagen: So ganz verstehe ich nicht, warum die Klöster hierzulande so wenig Nachwuchs haben. Immerhin entspricht das Leben hinter Klostermauern nach meinem Eindruck doch durchaus einem gewissen Zeitgeist. Ich nehme jedenfalls wahr, dass sich viele Menschen angesichts unserer überstrapazierten Welt mit ihrer Konsumorientierung am liebsten in eine andere, stillere Welt zurückziehen würden. Und aus dieser Perspektive erscheint ein Leben im Kloster doch durchaus attraktiv. Allerdings darf man den Zölibat nicht außer Acht lassen.
Frage: Sie selbst sind bereits vor vielen Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten. Warum?
Nemec: Das hatte für mich vor allem mit der Institution Kirche zu tun. Um es mal so zu formulieren: Mit Gottes Bodenpersonal konnte ich nie viel anfangen. Und ich muss sagen, dass ich meinen Austritt angesichts der Missbrauchsfälle und des kirchlichen Umgangs damit auch nie bereut habe. Das kann ja kein Katholik gut finden, was da alles falsch gelaufen ist in den vergangenen Jahren.
Frage: Sie kommen ursprünglich aus Kroatien, einem sehr katholischen Land. Welche Rolle haben der christliche Glaube und die Kirche früher in Ihrem Leben gespielt? Wie sind Sie dadurch geprägt worden?
Nemec: Glaube und Kirche haben in meiner Kindheit und Jugend eine große Rolle gespielt. Ich habe gerade in der Kirche viel Positives erfahren, insbesondere mit Blick auf das soziale Miteinander. Sie müssen bedenken: Jugoslawien war damals ein sozialistisches Land, in dem die Kirche eine Art Rückzugsort war. Ich habe auch dort hautnah den Wert von Menschlichkeit und Nächstenliebe kennengelernt.
Frage: Und wie steht es heute um Ihren Glauben?
Nemec (überlegt lange): Der Glaube, wie ihn die Kirche vermittelt, kommt in meinem Leben heute nicht mehr vor. Sicher, die frühkindliche Prägung legt man nie ganz ab. Und gewisse zentrale Inhalte des christlichen Glaubens, wie die eben bereits erwähnte Nächstenliebe oder ethisches Handeln, sind natürlich nach wie vor relevant für mich. Womit ich hingegen nicht viel anfangen kann, ist der symbolträchtige Charakter der vermittelten Inhalte. Das sind für mich bis heute lediglich Geschichten geblieben, die man den Menschen erzählt, damit sie etwas haben, an das sie glauben und an dem sie sich festhalten können, wenn sie sich einsam und verloren fühlen. Und diese Sichtweise hat sich natürlich auch auf mein Kirchenbild ausgewirkt: Ich habe im Laufe meines Lebens festgestellt, dass ich – trotz vieler Schicksalsschläge – immer weniger auf die Kirche als Ort der Sinngebung angewiesen war.
Frage: Viele Menschen nähern sich der Religion im Alter wieder an – gerade auch angesichts des irgendwann unausweichlichen Blicks auf das eigene Lebensende. Können Sie sich vorstellen, dass es bei Ihnen auch so kommt?
Nemec: Ich denke nicht. Ich erinnere mich, dass mir schon als Kind bewusst war, dass unsere Zeit auf der Erde begrenzt ist. Das lässt mich mit einer gewissen Gelassenheit auf mein eigenes Lebensende blicken. Was nach dem Tod kommt, weiß ich zwar nicht; es macht mir aber auch keine Angst. Allerdings hoffe ich, dass mir noch ein paar Jahre auf dieser Erde vergönnt sind – mein Leben gefällt mir nämlich ziemlich gut. Auch wenn ich jetzt in einem Alter bin, in dem schon ein großer Teil des Lebens hinter mir liegt: Die Jahre, die noch kommen, möchte ich weiterhin zu einer guten Zeit werden lassen.
Frage: Zurück zu Ihrem neuen "Tatort: Wunder gibt es immer wieder". Wie ist das bei Ihnen persönlich: Glauben Sie an Wunder? Oder haben Sie sogar schon mal ein echtes Wunder erlebt?
Nemec: Ich habe in meinem Leben sicher einige Momente erlebt, die gläubige Menschen vielleicht als eine Art Wunder bezeichnet hätten. Ich persönlich stehe der katholischen Faszination für Wunder aber skeptisch gegenüber. Dass es Menschen gibt, die im Auftrag des Vatikan um die Welt reisen, um angebliche Wunder überprüfen, finde ich eher schräg. Ansonsten gilt hier das, was ich eben schon gesagt habe: Es gibt Menschen, die solche Geschichten glauben, um sich daran festhalten zu können und Hoffnung für das eigene Leben daraus zu schöpfen – wie meine Oma zum Beispiel, und das habe ich immer respektiert.
Frage: Nach Ihrem dienstlichen Ausflug in die Welt der Klöster: Könnten Sie sich vorstellen, auch mal privat ein Kloster zu besuchen – zum Beispiel für Exerzitien oder um zur Ruhe zu kommen?
Nemec: Es gibt ein Haus in Istrien – wenn ich meine Ruhe haben möchte, fahre ich dahin. Mein Schwiegervater war vor einiger Zeit allerdings mal eine Woche für Schweigeexerzitien in einem Kloster und war hinterher ganz begeistert. Das könnte ich mir durchaus auch mal vorstellen.
Zur Person
Miroslav Nemec (*1954) ist als Kriminalhauptkommissar Ivo Batic seit 1991 einer der beiden Hauptdarsteller im Münchner "Tatort". Nemec wurde in Jugoslawien geboren und wuchs ab seinem zwölften Lebensjahr in Deutschland auf. Nach dem Abitur in Traunstein studierte er am Mozarteum in Salzburg Musik, später besuchte er die Schauspielakademie in Zürich. Ab 1977 spielte er Theater, unter anderem an den Bühnen der Stadt Köln, am Bayerischen Staatsschauspiel in München, in Essen, an der Oper Frankfurt und am Münchner Volkstheater. Nach und nach wandte sich Nemec dann dem Fernsehen zu, wo er unter anderem in den Serien "Liebling Kreuzberg", "Derrick" und "Der Alte" mitspielte. Der "Tatort: Wunder gibt es immer wieder" ist bereits der 89. Fall des Münchner Ermittlerduos. Damit sind Nemec und sein Kollege Udo Wachtveitl die Ermittler mit den meisten Einsätzen in dem ARD-Krimi. Privat ist Nemec zum zweiten Mal verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in München.