"Schrecklich still": Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt
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Die Namen sind in die Stufen eingelassen, die zum Eingang der Berliner Gedächtniskirche hinaufführen. Dalia Elyakim steht da zum Beispiel, eine Israelin, die mit Anfang 60 auf dem Weihnachtsmarkt starb. Kleine Steine liegen auf dem Treppenabsatz wie auf einem Grabstein, im Judentum wird auf diese Weise der Toten gedacht. Daneben brennen rote Grablichter, Rosen leuchten weiß vor grauen Stufen.
Auch der Name "Christoph Herrlich" ist in den Beton geschrieben. Der Mann lacht auf seinem Foto dem Betrachter freundlich ins Gesicht. Die aufgestellten Bilder sollen an die zwölf Ermordeten dieser Nacht erinnern. Vor ein paar Wochen gab es ein 13. Todesopfer – ein Ersthelfer starb an seinen Verletzungen.
Fünf Jahre ist es her, dass der islamistische Terrorist Anis Amri mit einem Lkw auf den Weihnachtsmarkt raste und zahlreiche Menschen überfuhr. Etwa 70 wurden schwer verletzt. Im Dezember 2021 ist die Gedenkstätte ein Ort der Ruhe, mitten im Weihnachtsmarkt, von dem Bratwurstgeruch herüberweht und weihnachtlicher Chorgesang.
"Was damals passiert ist, begleitet seither mein Leben"
Der Pfarrer der Gedächtniskirche, Martin Germer, war kurz nach dem Anschlag gegen 20 Uhr vor Ort – um zuzuhören und da zu sein. Er bleibt oft an dem Mahnmal stehen, das mit den Worten "Für ein friedliches Miteinander aller Menschen" übertitelt ist.
Germer betrachtet das Bild von Christoph Herrlich und sagt, während er auf eines der umliegenden Hochhäuser deutet: "Herr Herrlich hat hier am Breitscheidplatz als Anwalt gearbeitet. Er war mit einer Kollegin auf dem Weihnachtsmarkt. Die Kollegin hat er noch schnell weggeschubst und ist dann selbst von dem LkW erfasst worden", erzählt der evangelische Geistliche. Dass dabei seine Stimme bricht, seine Augen feucht werden – "das ist eben so, das verschwindet auch nicht. Das, was damals passiert ist, begleitet seither mein Leben", sagt er. "Es wird immer ein Teil davon sein."
Spaltung der Gesellschaft? Ganz im Gegenteil
Ein Trost ist für den Seelsorger, dass das, was mit dem Anschlag beabsichtigt war – die Spaltung der Gesellschaft – von dem Attentäter nicht erreicht wurde. "Sondern im Gegenteil", sagt der 65-Jährige. Der Ort sei "ein Gegenakzent gegen alles, was Menschen in Schubladen einteilt". Seine Beziehungen zur islamischen Gemeinschaft etwa hätten sich seitdem deutlich verbessert – man suche wechselseitig die Zusammenarbeit. Entsprechend ist zum Jahrestag ein interreligiöser Gedenkgottesdienst geplant, bei dem neben dem evangelischen Bischof Christian Stäblein und dem katholischen Erzbischof Heiner Koch auch Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sanci vertreten sind.
Auch Ersthelfer Gerhard Zawatzki ist dazu eingeladen, der damals mit Bekannten aus München auf dem Weihnachtsmarkt war. "Es war erst ein lustiger Abend", erzählt er. "Ich habe mich gut amüsiert." Irgendwann gingen sie zusammen die paar Stufen zur Gedächtniskirche hoch, die mitten im Weihnachtsmarkt liegt. "Und nur Sekunden später sahen wir den Lastwagen durchfahren." In Panik flüchteten zahlreiche Menschen die Stufen hoch. Zawatzki und seine Freunde blieben weitgehend unverletzt.
Dann kam die Stille. Und die Dunkelheit. "Es war alles weg, die Musik, die Lichter. Und es schrie auch niemand. Es war schrecklich still", erzählt Zawatzki. Da er in seiner Jugend als Rettungssanitäter gearbeitet hatte, war für ihn sofort klar, dass er den Verletzten helfen musste. "Für mich war das eine innere Verpflichtung – auch als Christ", sagt der Katholik. Etwas Besonderes ist es für ihn nicht, was er geleistet hat.
"Das beschäftigt mich immer noch"
Dabei hat das Geschehene ihn nachhaltig mitgenommen. Der Anschlag in Barcelona 2017 führte bei ihm zu einem "Flashback" - "ich konnte kaum noch das Haus verlassen, hatte Angstzustände." Traumatisiert sei er immer noch, sagt der gelernte IT-Fachmann, trotz therapeutischer Behandlung.
Besonders, wenn es auf Weihnachten und damit auf den Jahrestag zugeht, kommen bei ihm die Erinnerungen hoch. "Es ist schön, dass ich einem Schwerverletzten helfen konnte", sagt der 57-jährige. "Er lebt und hat seine Familie. Und seine Familie hat ihn. Aber furchtbar ist, dass ich einer jungen Frau nicht mehr helfen konnte. Ich musste ihr beim Sterben zusehen. Das beschäftigt mich immer noch."
Die Autorin
Nina Schmedding ist Redakteurin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
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