Corona-Teststation in der Kirchenkrippe

Ein Besuch auf dem Bamberger Krippenweg

Veröffentlicht am 26.12.2021 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 6 MINUTEN
Ein Besuch auf dem Bamberger Krippenweg
Bild: © KNA

Bamberg ‐ Wie sieht es aus, wenn Gott inmitten unserer Lebenswelt Mensch wird? Alljährlich sind in der Domstadt zahlreiche Krippen aus allen Epochen und Regionen aufgebaut. Kreative Krippenkünstler lassen sich immer neue Details einfallen, um Besucher zum Staunen zu bringen.

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Die "Kripperlroas" ist ein im Nachbarland Österreich weit verbreitetes Brauchtum. Zusammen mit der eigenen Familie zieht man in den Tagen rund um Weihnachten von Haus zu Haus, von Kirche zu Kirche, um miteinander die Krippenlandschaften zu bewundern, die vielerorts in diesen Tagen aufgebaut sind. Auch bei uns in Deutschland ist das Krippenschauen weit verbreitet. Freilich wird die Tradition der Hauskrippen hierzulande nicht immer mit so großer Hingabe gepflegt, wie zum Beispiel im Tiroler Land. Dennoch gibt es auch hier bei uns viele sehenswerte Krippendarstellungen, die der Advents- und Weihnachtszeit zum Betrachten und Meditieren einladen.

Besondere Bekanntheit besitzt dabei der "Bamberger Krippenweg". In den vielen Kirchen der Domstadt sind in den Wochen rund um Weihnachten zahlreichen Krippen aufgebaut, die ihre Besucher zum Betrachten einladen. Ein erster Abstecher führt in den Kaiserdom, in dem Krippenfiguren zu finden sind, die aus der Werkstatt des Ottobrunner Bildhauers Josef Hien stammen. Doch die Krippe ist nicht die einzige Weihnachtsdarstellung im Bamberger Dom: Auf dem Altar des berühmten Künstlers Veit Stoß ist in der Mitte die Geburt Christi zu sehen, sowie auf den beiden Seitenflügeln die Flucht nach Ägypten, die Anbetung der Sterndeuter, die Geburt Mariens und die Darstellung Jesu im Tempel. Das Weihnachtsgeschehen ist im Dom das ganze Jahr über präsent. Die Krippendarstellung, die im Seitenschiff alljährlich zum ersten Advent aufgebaut wird, ergänzt diese Abbildung.

Bild: ©Fabian Brand

Die Verkündigung an Maria aus der Bamberger Domkrippe stammt aus der Werkstatt von Josef Hien.

Direkt neben dem Dom betritt man das Diözesanmuseum, das jedes Jahr mit einer Krippenausstellung aufwartet. Größtenteils stammt die Krippensammlung aus dem Nachlass des berühmten bayerischen Krippenpfarrers Johann Freitag (+ 1979), der einst im Bürgerspital auf dem Bamberger Michelsberg inmitten einer außergewöhnlichen Sammlung lebte. Im Diözesanmuseum befindet sich eine "Heilige Nacht mit großem Hirtenfeld", die aus der Werkstatt des Thaurer Bildhauers Romed Speckbacher stammt. Eine zweite Speckbacherkrippe zeigt einen pompösen Dreikönigszug mit 45 Figuren. Auch einige Figuren des Bamberger Krippenschnitzers Max Huscher sind im Museum zu bewundern. Huscher betrieb hauptberuflich mit seiner Frau das Café in der Villa Remeis und schnitzte nebenbei zahlreiche Krippenfiguren, die ihren Weg in viele fränkische Haushalte und Kirchen gefunden haben. Auch eine reiche Krippensammlung aus aller Welt ist im Diözesanmuseum zu bestaunen: Krippendarstellungen aus Nigeria, Ghana, Frankreich, Malta und Böhmen sind diesjährig unter anderem ausgestellt.

Nur wenige Fußminuten vom Diözesanmuseum entfernt liegt auf der halben Höhe des Kaulbergs die Pfarrkirche zu Unserer Lieben Frau, die im Volksmund schlicht die "Obere Pfarre" genannt wird. Die Krippe, die dort gezeigt wird, ist weithin berühmt, stammt doch ein Kernbestand der Figuren noch aus dem 18. Jahrhundert. Sie ist wohl eine der wenigen Krippen, welche die 22 Jahre des 1803 erlassenen Krippenverbots überstand. Der damalige Pfarrer Andreas Augustin Schellenberger hatte sie versteckt. Hier in der Oberen Pfarre ist die Krippe vor allem aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit bewundernswert: Jedes Jahr denken sich die Krippenbauer neue Szenen aus, die das Geschehen rund um die Heilige Nacht von Betlehem umrahmen. Neben einer freiwilligen Corona-Teststation und dem Abstandsgebot ist in diesem Jahr die "untere Brücke" von Bamberg dargestellt, die von vielen Touristen und Einheimischen zu bunten Feiern belagert wurde.

Bild: ©Fabian Brand

Bamberger Krippenfiguren mit Maske und Abstand: Die Krippenbauer der "Oberen Pfarre" setzen Aktuelles gekonnt in Szene.

Eine ebenfalls sehr alte Krippe befindet sich direkt in der Bamberger Fußgängerzone, in der Pfarrkirche St. Martin am Grünen Markt. Die Kirche diente einst den Jesuiten als Kloster- und Universitätskirche. Schon aus dem Jahr 1615 weiß die Kirchenchronik von Alt-St. Martin von einer Krippe zu berichten, die allerdings in den Wirren der Säkularisation verlorengegangen ist. Im Lauf des 19. Jahrhunderts erwarb die Pfarrei St. Martin eine neue Krippe, die heute über 200 Figuren umfasst.

Im Gegensatz zu den vielen alten Krippen findet sich in der evangelischen Kirche St. Stephan eine moderne, ausdrucksstarke Darstellung. Die Figuren sind aus Granit und Muschelkalk hergestellt und stammen aus der Werkstatt der Künstlerin Wini Bechtel-Kluge. Die Menschen, die zur Krippe strömen, um das Kind anzubeten, sind vielfältig: Kranke und Unentschlossene sind dort zu entdecken, aber auch der heilige Bischof Nikolaus oder die heilige Katharina von Alexandrien. Die Botschaft der Krippe von St. Stephan ist eindeutig: Alle Menschen sind eingeladen, um die Nähe des Jesuskindes zu suchen. Die Gegenwart Gottes in Jesus Christus ist nicht einigen wenigen Privilegierten vorbehalten; sie gilt allen Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten.

Experimentell mit "Klubberln" oder lieber klassisch im Stil des 18. Jahrhunderts?

Lässt man die vielen anderen Kirchen und ihre Krippendarstellungen einmal links liegen, führt der nächste Weg ins Bamberger Krippenmuseum. In der ehemaligen Lebkuchen- und Zuckerwarenfabrik Schröppel hat Erk Baumann einen Ort gefunden, an dem er Jahr für Jahr wieder Krippen aus seiner Privatsammlung ausstellt. Neben Krippenkästen aus Böhmen oder dem Erzgebirge findet sich auch eine umfangreiche Papierkrippe aus dem böhmischen Trebitsch. Auch Figuren des Salzburger Krippenbauers Xandi Schläffer sind im Krippenmuseum zu bewundern. Daneben finden sich auch zeitgenössische Darstellungen, wie ein großer Krippenkasten, der vom Oberammergauer Künstler Christian Mayr hergestellt wurde. Die Besonderheit an dieser Darstellung: Die Figuren sind aus "Klubberln" gemacht, also alten Wäscheklammern. Das Herzstück des Museums bildet jedoch eine umfassende Krippe, deren Figuren vom Museumleiter selbst ab 1980 aus einer Modelliermasse gefertigt und bekleidet worden sind. Die Figuren sind dabei im Stil des 18. Jahrhunderts gehalten.

Nur wenige Kilometer von Bamberg entfernt liegt die Stadt Baunach. Trotz der Nähe zu Bamberg gehört Baunach schon zum Bistum Würzburg. Hier gibt es erst seit dem Jahr 2016 ein Krippenmuseum, das sich im Karner neben der Pfarrkirche befindet. Die Initiative für dieses Museum stammte vom damaligen Kunstreferenten des Bistums Würzburg, Dr. Jürgen Lenssen. Als Grundstock für das Museum stiftete Lenssen seine umfangreiche Krippensammlung, mit mehr als 500 Darstellungen, von denen heute ein Teil im Baunacher Museum ausgestellt ist. Im Erdgeschoss sind dabei vor allem Krippen aus dem deutschen Sprachraum zu finden. Das wohl älteste Exponat ist eine Salzburger Barockkrippe aus der Zeit um 1750. Im Dachgeschoss des Museums findet man Krippen aus aller Welt: Aus allen Kontinenten hat Jürgen Lenssen Darstellungen des Weihnachtsgeschehens zusammengetragen. Und so präsentiert das Museum neben Krippenfiguren aus Afrika auch eine Szene aus Neapel, die geprägt ist von einem bunten Markttreiben. Aber auch Darstellungen aus Polen, Spanien, Tschechien oder Israel laden zum Betrachten ein.

Wie sieht es aus, wenn Gott inmitten unserer Lebenswelt Mensch wird? Krippenkünstler aus allen Jahrhunderten und allen Ländern der Erde haben das Geschehen von Betlehem mitten in ihre Heimat hineinversetzt. Was sie damit zeigen wollten: Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus gilt allen Menschen. Es ist die Zusage Gottes an alle Menschen, dass sie auf sein Mitgehen und seine Begleitung hoffen dürfen. Gerade die vielen Krippendarstellungen zeigen, wie sehr der universale Glaube auch seine konkrete Verortung im Leben der Menschen braucht. Oder mit anderen Worten: Das, was wir an Weihnachten feiern, wird dort greifbar, wo wir es in unserem eigenen Leben und unserem eigenen Alltag erfahren dürfen.

Von Fabian Brand