Auch Kardinal Marx belastet

Münchner Missbrauchsfall: Schwere Vorwürfe gegen Benedikt XVI.

Veröffentlicht am 04.01.2022 um 12:09 Uhr – Lesedauer: 

München/Hamburg ‐ Im Zentrum der Vorwürfe steht der Umgang mit einem Essener Diözesanpriester, der nach sexuellen Vergehen an Minderjährigen 1980 nach München geschickt wurde. Belastet wird neben dem damaligen Erzbischof Joseph Ratzinger auch der amtierende.

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Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche sind neue Details über das Handeln des früheren Papstes Benedikt XVI. und des Münchner Kardinals Reinhard Marx ans Licht gekommen. Nach Recherchen der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" wird insbesondere Joseph Ratzinger durch das dem Blatt vorliegende Dekret eines Münchner Kirchengerichts von 2016 belastet.

Im Zentrum der Vorwürfe steht der Umgang mit einem Essener Diözesanpriester, der nach sexuellen Vergehen an Minderjährigen 1980 nach München geschickt wurde. Ratzinger, damals Münchner Erzbischof, habe von der Sachlage gewusst und der Aufnahme von Peter H. zugestimmt. Mehrere Bischöfe, darunter auch Ratzinger, hätten "bewusst auf eine Sanktionierung der Straftat verzichtet". Benedikt XVI. ließ die Kritik über seinen Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, zurückweisen: "Die Behauptung, er hätte Kenntnis von der Vorgeschichte (Vorwürfe sexueller Übergriffe) zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufnahme des Priesters H. gehabt, ist falsch." Der emeritierte Papst habe auch nicht bewusst auf die Sanktionierung von H. verzichtet.

Vorwurf von Pflichtverletzungen auch gegen Kardinal Marx

Die beiden Kirchenrechtsprofessoren Norbert Lüdecke (Bonn) und Bernhard Anuth (Tübingen) werfen in einem "Zeit"-Interview auch Kardinal Marx Pflichtverletzungen im Umgang mit dem Missbrauchstäter vor. Dieser habe 2008 zwar eine psychiatrische Begutachtung des inzwischen vorbestraften Pfarrers beauftragt und ihn versetzt, aber keine interne Voruntersuchung angeordnet und den Fall auch nicht an den Vatikan gemeldet.

In der Woche vom 17. bis 21. Januar wird die Veröffentlichung eines Gutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising erwartet. Es wurde von der Bistumsleitung in Auftrag gegeben und umfasst auch die Amtszeit von Marx. Die Anwälte sollen dabei auch Verantwortliche für eine mögliche Vertuschung benennen.

Die Pressestelle des Erzbistums München und Freising gab auf Nachfrage keine Stellungnahme ab. Man könne der Veröffentlichung des Gutachtens durch die Kanzlei nicht vorgreifen, hieß es zur Begründung. Alle dem Ordinariat vorliegenden Akten zum Fall H. seien den Anwälten zur Verfügung gestellt worden, die Ergebnisse der Untersuchung nicht bekannt. (tmg/KNA)

4.1., 16:50 Uhr: Aussage Gänsweins präzisiert. 18:15 Uhr: Ergänzt um Pressestelle.