Die Mutterkirche der Anglikaner will nachziehen und Bischöfinnen erlauben

Jetzt soll es klappen

Veröffentlicht am 11.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
England

Bonn/London ‐ Die Entscheidungsfindung war lang, ruckelig und sehr schmerzhaft. Hohn und Spott gab es in der britischen Gesellschaft, als es 2012 wieder nicht geklappt hatte - obwohl der alte wie der neue Primas damals geradezu flehentlich dafür plädiert hatten. Nun kommt die Kuh offenbar endlich vom Eis. Bischöfinnen sollen für die Mutterkirche der Anglikaner ab Montag eine beschlossene Sache sein.

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Dann stimmt die Generalsynode der Kirche von England nach Jahren heißer Diskussionen, nach unzähligen Verschiebungen und mehreren gescheiterten Voten endgültig über die Zulassung von Frauen zum Bischofsamt ab. Alle drei Häuser der Synode - Bischöfe, Geistliche, Laien - müssen jeweils mit Zweidrittelmehrheit Grünes Licht geben.

Im Vorfeld der Beratungen, die am Freitag in York beginnen, warf der anglikanische Primas, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, noch einmal sein ganzes Gewicht in die Waagschale. Er will die Frage endgültig entschieden wissen, die die Kirche schon so lange lähmt und spaltet. Sie war ein Stolperstein für die gesamte Amtszeit seines Vorgängers, Erzbischof Rowan Williams (2002-2012). Und auch Welby selbst bescherte das Thema, noch bevor er überhaupt im Amt war, im November 2012 die erste Niederlage als künftiges Kirchenoberhaupt.

Irland und Wales haben schon Bischöfinnen gewählt

Der frühere Öl-Manager und Finanzexperte von Elf Aquitaine, Justin Welby, ist Erzbischof von Canterbury und damit Primas der anglikanischen Staatskirche von England.
Bild: ©KNA

Der frühere Öl-Manager und Finanzexperte von Elf Aquitaine, Justin Welby, ist Erzbischof von Canterbury und damit Primas der anglikanischen Staatskirche von England.

Nicht nur aus der britischen Gesellschaft - auch aus anderen der 38 anglikanischen Nationalkirchen weltweit gab es zuletzt immer mehr Zugzwang. Allein seit September 2013 haben Irland , Wales , Südindien und Australien ihre ersten Bischöfinnen gewählt. Andere, wie die USA und Kanada, segeln schon seit vielen Jahren auch unter weiblicher Führung. Nach dem Sturm von 2012 musste die Kirche von England zunächst ihre Segel flicken. Seitdem versuchte sie, tastend noch einmal auf gleichem Kurs auszufahren.

Das hauchdünne Nein vom November 2012 - trotz eigentlich sehr großer Mehrheiten - kam durch ein äußerst knappes Scheitern der Zweidrittelmehrheit bei der Teilabstimmung der Laien zustande. Das komplizierte Abstimmungsverfahren brachte damit das gesamte Projekt zum Scheitern. In der öffentlichen Wirkung war das ein Fiasko - hatten doch die liberale britischen Regierung und die Medien hartnäckig auf eine Annahme hingearbeitet. Diesmal haben fünf der Dissidenten von damals bereits zugesagt, dem neuen Kompromiss zuzustimmen. Damit wäre die Sperrminorität beseitigt - sofern nicht (unwahrscheinlicherweise) diesmal andere dagegen votieren.

Erste Weihen bereits 2015?

Ein Drittel des anglikanischen Klerus in England ist inzwischen weiblich. Die Staatskirche hatte sich Anfang der 90er Jahre, ebenfalls mit dünner Mehrheit, für eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt entschieden. 2016 oder sogar schon 2015, so meinen Experten, könnten nun die ersten Weihen von Bischöfinnen stattfinden.

Die Verästelungen all der Bedingungen, Kompromisse, Zusatzvereinbarungen und Hintertüren, die eine solche Weihe möglich machen sollten, sind inzwischen mehr als unübersichtlich geworden. Traditionalistische Pfarreien, die eine Pfarrerin oder Bischöfin ablehnen, sollen zwar künftig grundsätzlich Anspruch auf Seelsorge durch einen männlichen Pfarrer oder Bischof haben. Allerdings soll es keine Diözesen mehr geben dürfen, die überhaupt keine weiblichen Geistlichen mehr zulassen. Für Streitfälle - die in der Praxis unvermeidbar scheinen - soll nach neuester Fassung eine Schiedseinrichtung geschaffen werden.

Neues Ungemach droht bereits; nun mehr weniger aus der britischen Öffentlichkeit, sondern an anderer Stelle: in der Ökumene. Katholiken und noch stärker Orthodoxe werden "not amused" sein, ab 2015/16 auch in der anglikanischen Mutterkirche mit Bischöfinnen zu tun zu bekommen. Sie sehen darin einen Bruch der kirchlichen Tradition, die die Kirchen weiter voneinander entfernt, statt sie einander anzunähern.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

Die anglikanische Church of England

Die Church of England (Kirche von England) ist die größte Glaubensgemeinschaft Großbritanniens. Rund 25 Millionen Menschen in England, auf den Kanalinseln und der Isle of Man gehören ihr an. Sie ist Teil der weltweiten Gemeinschaft anglikanischer Kirchen mit rund 80 Millionen Anhängern. Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Heinrich setzte sich selbst 1534 als Oberhaupt der neuen Staatskirche ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre. Später setzten sich protestantische Einflüsse durch. Die Anglikaner erkennen den universellen Primat (Vorrangstellung) des Papstes nicht an. Anders als in der katholischen Kirche können bei ihnen Frauen zu Priesterinnen geweiht werden. Außerdem dürfen Priester heiraten. Außerhalb Englands gibt es 38 anglikanische Nationalkirchen in 26 Kirchenprovinzen, darunter in den USA, Australien und in mehreren afrikanischen Ländern. Der englischen Mutterkirche steht der König oder die Königin als weltliches Oberhaupt vor, aktuell also Queen Elizabeth II. Der Erzbischof von Canterbury ist geistliches Oberhaupt, Primas der Kirche von England sowie Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft. Derzeit ist das der ehemalige Öl-Manager Justin Welby. Er hat jedoch als Primus inter pares (Erster unter Gleichen) keine Weisungsbefugnis für die Nationalkirchen. Bereits im 17. Jahrhundert entstanden bei den Anglikanern zwei große theologische Lager, die "High Church" mit Betonung von Kirchenverfassung und Sakramenten sowie die "Low Church" mit Betonung der Heiligen Schrift. Seit dem 19. Jahrhundert zeigt sich zudem eine Rückbesinnung auf katholische Elemente. Mittlerweile stehen sich in beiden Lagern Konservative und Liberale einander gegenüber. Innerkirchliche Spannungen haben sich in den vergangenen Jahren verschärft. Streitfragen sind die in vielen Nationalkirchen zugelassene Weihe von Frauen zu Geistlichen, teils auch zu Bischöfinnen, sowie der Umgang mit Homosexuellen. (luk/dpa/KNA)