Prüfstein für die Ökumene
Nun werden Mutter und Tochter mit großer Genugtuung begrüßen, was die Generalsynode der Church of England am Montagabend beschlossen hat: Frauen können in der anglikanischen Mutterkirche künftig auch Bischöfinnen werden. Noch in diesem Jahr könnten die ersten Ernennungen erfolgen.
Dauerstreit um Bischöfinnen könnte nun beendet sein
Der Weg dorthin war weit und holprig , und kurz vor dem Ende drohte er sich ganz im Gestrüpp der Kirchenverfassung zu verlieren. Trotz eigentlich großer Mehrheiten fehlten im November 2012 wenige Stimmen bei einer der Teilabstimmungen, und so musste das Projekt Bischöfinnen noch einmal eine weitere gesetzgeberische Ehrenrunde drehen - zum Spott der britischen Politik und Öffentlichkeit. Diese hatte den Vollzug bereits fest eingeplant. Am Montag nun ging endlich alles glatt. Mehrere der Dissidenten von 2012 hatten bereits im Vorfeld angekündigt, diesmal mit Ja zu stimmen.
Entsprechend groß ist die Erleichterung, endlich die "Seite umblättern" zu können, wie es schon der frühere anglikanische Primas Rowan Williams (2002-2012) so sehnlich erhofft hatte. Williams, der wohl mehr als jeder andere unter dem Dauerstreit gelitten hat, fragte schon 2012 beschwörend: "Wie viel Energie wollen wir weiterhin im kommenden Jahrzehnt auf diese Frage verwenden?"
„Wie viel Energie wollen wir weiterhin im kommenden Jahrzehnt auf diese Frage verwenden?“
In der Tat: Wenn sich Historiker dereinst mit der anglikanischen Kirche des frühen 21. Jahrhunderts beschäftigen, werden sie als zentrale Debatten kurioserweise die Frage der Bischöfinnen und des Umgangs mit Homosexuellen finden - und erst mit weitem Abstand Themen wie soziale Not, Wirtschaftskrise oder den Schwund beim Kirchenbesuch oder bei kirchlicher Praxis. Was davon wird nun obenan stehen auf der neu aufgeblätterten Seite?
"Weihe zweiter Klasse"?
Und wie werden sich die Verästelungen all der Bedingungen, Kompromisse, Zusatzvereinbarungen und Hintertüren, die am Ende die Weihe von Bischöfinnen möglich gemacht haben, in der Praxis bewähren? Traditionalistische Pfarreien , die eine Pfarrerin oder Bischöfin ablehnen, sollen künftig dennoch Anspruch auf Seelsorge durch einen männlichen Pfarrer oder Bischof haben. Der Verdacht einer "Weihe zweiter Klasse" bleibt.
Wie kann das christliche Zusammenleben dauerhaft funktionieren, wenn sich anglikanische Gemeinden per Mehrheitsbeschluss für frauen- oder schwulenfreundlich oder -feindlich aussprechen? Solche Kompromissformeln könnten zudem als eine disziplinarische Doppelmoral ausgelegt werden - und die Glaubwürdigkeit in anderen, zentraleren theologischen Fragen untergraben.
Ein Drittel des anglikanischen Klerus in England ist inzwischen weiblich. 1987 erreichten die ersten Frauen in der anglikanischen Kirche die erste Weihestufe. 1992 beschloss die Generalsynode eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt; die ersten Weihen erfolgten 1994. Bereits die Freigabe des Frauenpriestertums - übrigens ebenfalls mit hauchdünner Mehrheit beschlossen - führte die anglikanische Gemeinschaft an den Rand der Spaltung und löste eine regelrechte Abwanderungswelle zur katholischen Kirche aus. Damals konvertierte sogar die Nummer drei der englischen Hierarchie; Bischof Graham Leonard von London (1921-2010) wurde einfacher katholischer Pfarrer.
Gefährdung der Ökumene
Eine solche Abwanderung ist diesmal nicht zu befürchten - dafür aber eine Eintrübung in der Ökumene . Katholiken und noch stärker Orthodoxe werden "not amused" sein, nun auch in der anglikanischen Mutterkirche mit Bischöfinnen zu tun zu bekommen. Sie sehen darin einen Bruch der Tradition, die die Kirchen voneinander entfernt. Der frühere vatikanische Ökumene-Minister, Kardinal Walter Kasper, sprach schon 2008 von einem neuen "Hindernis für die Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und der Kirche von England" - zweier Kirchen, die sich noch vor einigen Jahren theologisch beachtlich nahe standen. Aktuell reagierte der Kirchenhistoriker und Direktor der Vatikanzeitung "Osservatore Romano", Giovanni Maria Vian. Die Öffnung des Bischofsamtes für Frauen erschwere den ökumenischen Dialog erheblich, "aber sie bedeutet sicher nicht dessen Ende", sagte er am Dienstag.
Von Alexander Brüggemann (KNA)