Im Osten viele Neue
Das ostdeutsche Bistum Görlitz hingegen hatte 2013 erstmals seit seiner Gründung 1994 am Ende eines Jahres mehr Mitglieder als zum Anfang: plus 0,27 Prozent. Das Bistum Dresden-Meißen ist im gleichen Zeitraum um 0,37 Prozent gewachsen. Das Erzbistum Hamburg, das sich über Schleswig-Holstein, die Hansestadt und Mecklenburg erstreckt, kann ein kleines Plus von 0,61 Prozent verbuchen. An der Spitze steht das Erzbistum Berlin mit einem Zuwachs von 1,37 Prozent.
Hoffnungsort Berlin
Aber warum wachsen ausgerechnet die ausgewiesenen Diaspora-Bistümer in einer Gegend, in der es wenige Christen und kaum Katholiken gibt? Im Falle von Berlin, Hamburg und Dresden-Meißen ist die Frage einfach beantwortet. Die Hauptstadt hat einen massiven Zuzug von Menschen aus der ganzen Bundesrepublik aber auch aus dem Ausland. Der scheidende Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki , bezeichnete Berlin als "Sehnsuchts– und Hoffnungsort". Tatsächlich sei die Metropole für viele ein Zufluchtsort, an dem sie Rettung oder die Erfüllung ihrer Träume suchen, sagt Bistumssprecher Stefan Förner. Berlin ziehe deshalb viele Menschen an. Aber auch hier waren die Austrittszahlen hoch: 6.625 Katholiken kehrten dem Erzbistum den Rücken. Dennoch überwiegt der Zuwachs durch die vielen Menschen, die nach Berlin ziehen.
In Dresden und Leipzig sind es vor allem Zuzügler aus dem Süden und Westen Deutschlands, die die Katholikenzahlen in die Höhe treiben. Die Leipziger Propsteigemeinde St. Trinitatis wächst seit Jahren und wartet auf ihren Kirchenneubau, der im Frühjahr 2015 fertig sein soll. In der Hansestadt Hamburg macht sich die Zuwanderung aus allen Teilen Deutschlands ebenfalls bemerkbar. Der Stadtstaat wächst seit den 1990er Jahren kontinuierlich um rund 0,3 Prozent pro Jahr. Mit der Einwohnerzahl wächst auch hoch im Norden die Zahl der Katholiken.
Polnische Katholiken in den Grenzgebieten
Im nördlichen Teil des Erzbistums Berlin sieht es ein bisschen anders aus. Nach Vorpommern und Brandenburg ziehen viele Polen – die wohl katholischsten Bürger Europas. Entlang der gesamten deutsch-polnischen Grenze, von der Uckermark im Norden bis Görlitz im Süden, profitieren die Gemeinden davon, dass polnische Katholiken sich auf der deutschen Seite von Oder und Neiße niederlassen. "Ja, der Zuzug von polnischen Christen ist besonders hier in der Stadt Görlitz deutlich spürbar", sagt der Görlitzer Generalvikar Alfred Hoffmann.
Doch auch ein weiteres Phänomen wird beim Blick auf die Statistik sichtbar: Im Osten ist die Zahl der Gottesdienstteilnehmer besonders hoch. Spitzenreiter ist die Diözese Görlitz. Durchschnittlich 20,1 Prozent der Katholiken besuchen hier den Sonntagsgottesdienst. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 10,8 Prozent. Schlusslicht in der Statistik ist das Bistum Aachen mit nur 8,3 Prozent.
In Dresden-Meißen sind es dagegen 17,7 Prozent und in Erfurt 18,6 Prozent. "Das West-Ost-Gefälle in unserem Bistum ist bekannt", sagt Brigitta Völkel von der katholischen Gemeinde Zittau, im Dreiländereck Polen-Deutschland-Tschechien. Die Pfarrei gehört zum Bistum Dresden-Meißen. 20,5 Prozent der Gemeindemitglieder kommen hier zum Gottesdienst. In Ostritz und Schirgiswalde, ebenfalls ganz im Osten, ist es sogar jeder vierte Katholik. "Ganz vorne sind natürlich die sorbischen Gemeinden", sagt Michael Baudisch, Sprecher der Diözese in Dresden. In den Gemeinden der slawischen Minderheit liege der Anteil der Gottesdienstbesucher über 40 Prozent. "In Storcha bei Bautzen liegt die Zahl sogar bei 50,6 Prozent", berichtet Baudisch.
Viele Gründe für hohen Gottesdienstbesuch
Die Ursachen für die guten Zahlen des Gottesdienstbesuches in Ostdeutschland sind nicht eindeutig identifizierbar. "Die Leute kommen jedenfalls nicht, weil ich so gut predige", sagt der Priester Ansgar Florian. Der 51-Jährige ist Pfarrer von Neuzelle, einem kleinen Wallfahrtsort im Osten Brandenburgs. Rund 500 Katholiken zählt die Pfarrei, der Gottesdienstbesuch liegt hier bei 28 Prozent. "Es liegt sicher auch an der DDR-Zeit, dass die Menschen hier so eine Bindung zur Gemeinde haben", sagt Florian.
Das bestätigt auch der Görlitzer Generalvikar. "Wer zu DDR-Zeiten katholisch geblieben ist, der ist ganz bewusst katholisch", sagt Hoffmann. Diese Christen hätten mitunter Nachteile im Beruf oder in der Ausbildung erleiden müssen. Sie seien jedoch gegen alle Widerstände in der Kirche geblieben, auch wenn sie mitunter zum Beispiel mit dem Pfarrer nicht klargekommen seien. Diese Mentalität und Haltung zur Kirche habe sich auch auf die jüngeren Generationen übertragen. "Hier gibt es immer noch den Spruch, 'ich gehe wegen Gott in die Kirche, nicht wegen des Pfarrers'", sagt Hoffmann.
Von Markus Kremser