Schwabe: Es geht um Freiheit, eine Religion ausüben zu können
Der neue Beauftragte der Bundesregierung für die weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), will als erstes indigene Gruppen in Lateinamerika besuchen. Was er dort genau vorhat und warum ihm in seinem Amt auch die Weltanschauungsgemeinschaften wichtig sind, erklärte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.
Frage: Herr Schwabe, als neuer Religionsfreiheitsbeauftragter haben Sie in Ihrer Amtsbezeichnung auch die Weltanschauungsgemeinschaften mit aufgenommen. War Ihnen das ein besonderes Anliegen?
Schwabe: Manche Akteure glauben, meine Aufgabe sei es, Religionen oder sogar eine bestimmte Religion in der Welt durchzusetzen. Das ist natürlich nicht der Fall. Stattdessen geht es um die Freiheit von Menschen, eine Religion auszuüben und auch konvertieren zu können. Oder eben auch zu sagen, 'wir glauben an keinen Gott' oder 'wir leben nach einer anderen umfassenden Idee'.
Frage: Vor allem die Union hat sich in der vergangenen Legislaturperiode für die Schaffung des Amtes eingesetzt. Viele Ihrer Parteikollegen fanden es überflüssig. Nach der Regierungsbildung war es zunächst auch nicht klar, ob es dieses Amt, das beim Entwicklungsministerium angesiedelt ist, weitergeben soll...
Schwabe: Die Idee kam von der Union. Aber ich war vor vier Jahren selbst dabei, als die SPD der Einrichtung des Amtes zustimmte. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich in dieser Legislatur klar für die Beibehaltung ausgesprochen. Grundsätzlich hätten es auch andere Menschenrechte wie etwa das Recht auf Meinungsfreiheit verdient, mit einem eigenen Beauftragten gewürdigt zu werden. Dieses Amt ist aber eben schon da und ganz zweifellos handelt es sich um ein zentrales traditionelles, aber zugleich auch sehr modernes Menschenrecht.
Frage: Ihre erste größere Reise in Ihrem Amt soll nach Lateinamerika gehen. Welche Schwerpunkte wollen Sie dort setzen?
Schwabe: Wenn die Corona-Situation es zulässt, werde ich in der Woche nach Ostern dorthin reisen. Ich werde Zentralamerika besuchen, im Schwerpunkt soll Guatemala stehen. Im Fokus steht dort für mich die Rolle der indigenen Bevölkerung und ihr Glaube, der oft eine Mischung aus Naturreligion und Christentum ist. Naturreligion und Christentum standen dort historisch in einem Spannungsfeld und das ist teilweise noch heute so.
Nicht selten spielt bei indigenen Konflikten die Frage der Landnutzung eine Rolle. Denn für Indigene geht damit häufig einher, dass für sie heilige Stätten vernichtet werden. Ich würde gern die Sensibilität für diese Form von Religionsauffassung stärken.
Frage: Wo sehen Sie weltweit die größten Konfliktherde, was die Ausübung der Religionsfreiheit angeht?
Schwabe: Neben diesem Blick auf die Lage von Indigenen schaue ich auch auf die klassischen Konflikte: Iran, Irak, Syrien vor allem mit der Gefährdung von Christinnen und Christen, aber auch Jesidinnen und Jesiden. Große Sorge macht mir Indien mit einem wachsenden Hindu-Nationalismus, zum Leidwesen vor allem für Musliminnen und Muslime, natürlich auch China, Vietnam und Myanmar. Viele dieser Konflikte sind mir von vorherigen Besuchen vertraut.
Frage: Wegen Verletzungen der Menschenrechte ist kein Vertreter der Bundesregierung zu den derzeit stattfindenden Olympischen Spielen nach Peking gereist. Das richtige Signal?
Schwabe: Ich finde es gut, dass niemand dorthin gefahren ist, ob man das nun einen diplomatischen Boykott nennt oder nicht. Eine ähnliche Diskussion werden wir schon bald wieder bei der Fußball-WM in Katar führen. Deswegen ist nach meiner Einschätzung eine grundsätzliche Debatte darüber notwendig, unter welchen Bedingungen größere Sportereignisse überhaupt noch stattfinden können. Ohne Nachhaltigkeit, Respekt von Menschenrecht und Umwelt geht es nicht mehr. Ob die Sportverbände daraus lernen werden, weiß ich nicht.
„Wenn wir einfordern, dass in muslimischen Ländern Kirchen gebaut werden können, müssen muslimische Gemeinden auch in Deutschland Moscheen errichten können, auch mit einem Muezzin, der zum Gebet ruft.“
Frage: Sie wollen als Religionsfreiheitsbeauftragter aber nicht nur auf ferne Regionen blicken, sondern auch auf die Situation in Deutschland...
Schwabe: Jedenfalls da, wo es für den glaubwürdigen Blick nach außen notwendig ist. Wenn wir einfordern, dass in muslimischen Ländern Kirchen gebaut werden können, müssen muslimische Gemeinden auch in Deutschland Moscheen errichten können, auch mit einem Muezzin, der zum Gebet ruft.
Frage: Wissen Sie schon, wann Sie den Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit vorlegen werden?
Schwabe: Turnusgemäß zum Ende des Jahres. Wichtiger als der zeitige Bericht sind aber Diskussionsprozesse. Ich will mich gern dafür stark machen, dieses fundamentale Menschenrecht aus einer vielleicht etwas angestaubten Ecke herauszuholen. Manche halten es für antiquiert. Modern interpretiert ist es aber hoch aktuell. Ich bin eben auch der Ansprechpartner für Weltanschauungsgemeinschaften. Neben grundsätzlichen Fragen wird es auch immer um konkrete Einzelfälle gehen. Wenn ich da Menschen in Not helfen kann, wäre mit diesem Amt schon sehr viel erreicht.