Bischof Büchel: Kann mir viele Frauen als Priesterinnen vorstellen
Markus Büchel (72) ist seit 2006 Bischof von Sankt Gallen in der Schweiz. Im Interview spricht der stellvertretende Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz über den synodalen Prozess, einen brüderlichen Austausch mit Benedikt XVI. - und Frauen als Priesterinnen.
Frage: Herr Bischof, legt man sich als Bischof irgendwann ein dickes Fell zu, um Kritikpunkte an der Kirche besser wegstecken zu können?
Büchel: Persönliche Geschichten berühren mich nach wie vor sehr. Aber das dicke Fell kommt mit der Zeit schon, weil man als Bischof schnell kategorisiert: Was kann ich machen - und wo sind mir die Hände gebunden?
Frage: Zum synodalen Prozess haben Sie die Gläubigen in Ihrem Bistum Sankt Gallen befragt. Auf die Frage "Wer wird ausgeschlossen?" antworteten 64 Prozent: Frauen.
Büchel: Im Bistum Sankt Gallen haben wir Frauen so weit wie möglich integriert. Aber im Ordo [das Weiheamt, d. Red.] sind sie noch nicht präsent. Die Ämterfrage muss in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Es stimmt: Ich kann keine Frauen zu Priesterinnen weihen. Aber ich kann im Bistum Sankt Gallen zurzeit auch keine Männer weihen, weil Männer wegen des Zölibats gar nicht mehr Priester werden wollen. Wir organisieren deshalb die Pastoralteams anders, um die Priester zu entlasten. Aber auch das ist nicht immer so einfach. In der Kirche gibt es nicht nur Teamplayer; ein kooperativer Führungsstil steht nicht an vorderster Front.
Frage: Sollen Frauen Priesterinnen werden dürfen?
Büchel: Ich kann mir viele Frauen als Priesterinnen vorstellen.
Frage: Haben Sie wegen dieser Haltung schon einmal Ärger mit Rom bekommen?
Büchel: Nein. Ich habe das schon einmal in einem Interview gesagt nach meiner Wahl zum Bischof. Damals gab es ja eine Weihe von Frauen auf dem Bodensee; deswegen haben mich Journalisten das damals gefragt. Ich habe klar gesagt: Das ist eine Frage, die wir diskutieren dürfen; das darf kein Tabu sein. Ich habe mich darüber auch mit Papst Benedikt XVI. ausgetauscht. Er wollte mich nach meiner Wahl zum Bischof kennenlernen. Wir haben uns in Castel Candolfo getroffen, und da hat er mich auf das Interview angesprochen. Mich hat überrascht, dass er von dem Interview wusste (lacht). Das war aber kein Abkanzeln, sondern ein brüderlicher Austausch.
Frage: Das war 2006. Wo stehen wir heute, im Jahr 2022?
Büchel: Mittlerweile gibt es mehr Stimmen, die da offener sind. Wir sind auf dem Weg; aber die Zeit dafür ist noch nicht reif. Das muss ich als Bischof zur Kenntnis nehmen. Von daher ist Stand heute eine Frau als katholische Priesterin eine Utopie.
Frage: Im Bistum Basel können Laien unter bestimmten Voraussetzungen taufen und trauen. Im Bistum Sankt Gallen dürfen Laien taufen - aber nicht trauen. Wann ist das der Fall?
Büchel: Wir sind da dran auf Ebene der Bischofskonferenz. Wir haben das auch beim Ad-limina-Besuch angesprochen. Wir haben einen kirchenrechtlichen Weg, der verhebt. Von daher wird das relativ pragmatisch schon bald kommen.
Frage: Zuletzt gab es Stimmen, die befürchten: Die Ergebnisse der diözesanen "Wir sind Ohr"-Umfrage könnten auf dem Weg nach Rom verwässert werden.
Büchel: Diese Sorge habe ich nicht. Ich bin ja im Präsidium der Bischofskonferenz; und wir organisieren gerade einen Weg, wie wir das auf nationaler Ebene möglich machen. Die Pastoralkommission unterstützt uns dabei. Der nationale Bericht soll partizipativ und öffentlich entstehen. Denn es geht ja nicht nur um das Papier nach Rom. Es geht ja auch darum, wie es in der Schweiz weitergeht. Der synodale Prozess ist auch für uns auf nationaler Ebene ein guter Anstoß, miteinander mehr zu gestalten. Miteinander heißt ja nicht, dass alle alles gleich machen müssen.
Frage: Manche fürchten ein Schisma in der Kirche. Teilen Sie die Sorge?
Büchel: Ich persönlich habe keine Angst. Papst Franziskus hat sich beispielsweise im Umgang mit den Piusbrüdern relativ sec [schweizerisch: trocken; d. Red.] geäußert, weil er gemerkt hat: Die sind gar nicht so sehr an der Einheit interessiert, sondern wollen die Spaltung vertiefen. Und eine Spaltung bedeutet ja, dass eine Einheit in Vielfalt nicht ausgehalten wird. Ich finde, wir müssen in der Weltkirche nicht alles auf den letzten Buchstaben gleich machen. Wenn uns die Grundfragen des Glaubens bewusst sind, entfaltet sich automatisch eine größere Gelassenheit.
Frage: Der Würzburger Bischof Franz Jung hat eine Garantieerklärung für queere Mitarbeitende abgegeben. Könnten Sie sich Ähnliches vorstellen?
Büchel: Bislang habe ich nicht die Notwendigkeit gehabt, das öffentlich zu sagen. Wir sind aber schon seit Jahren im Bistum Sankt Gallen vernünftig unterwegs und finden für alle, die in einer verantwortlichen Situation leben, einen Platz in der Kirche.