"Es geht um die Priorität des Ganzen vor dem Eigenen"

Kölner Ordensfrau schreibt Buch über Leiten und Führen

Veröffentlicht am 28.02.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Seit zwölf Jahren leitet Emmanuela Kohlhaas als Priorin die Benediktinerinnengemeinschaft in Köln. Damit ist sie für rund 30 Schwestern verantwortlich. Nun hat die Ordensfrau dem Thema Leiten und Führen ein Buch gewidmet.

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Auch im Kloster muss geführt werden. Bei den Benediktinerinnen in Köln übernimmt diese Aufgabe die sogenannte Priorin. Seit zwölf Jahren hat Emmanuela Kohlhaas, Jahrgang 1961, das Amt inne. Sie ist für rund 30 Schwestern verantwortlich, wobei die Frauen nicht nur miteinander arbeiten, sondern auch zusammenwohnen und ihr spirituelles Leben teilen. Kohlhaas scheint ihre Aufgabe gut zu machen: Seit mehreren Jahren wächst die Gemeinschaft, während andere Klöster zumachen müssen.

Nun hat die Ordensfrau dem Thema Leiten und Führen ein Buch gewidmet. Vor wenigen Tagen stellte sie "Die neue Kunst des Leitens" zusammen mit dem derzeitigen Übergangsverwalter im Erzbistum Köln, Weihbischof Rolf Steinhäuser, in der Kölner Karl-Rahner-Akademie vor. Dem Geistlichen zollte Kohlhaas Respekt. In kurzer Zeit habe er Dialog geschaffen. "Sie müssen ein echtes Interesse an Menschen haben", erklärte Steinhäuser sein Leitungsprinzip. "Sie müssen Menschen mögen und sie müssen versuchen zu verstehen, was die bewegt und was bei denen Sache ist."

Bereichernde Lektüre – auch für Unternehmenslenker

Sich Menschen zuwenden – das scheint auch eine Stärke der Benediktinerin zu sein. Neben dem Studium der Musikwissenschaft, Psychologie und Vergleichenden Religionswissenschaften absolvierte sie einen Masterstudiengang zu "Beratung in der Arbeitswelt". Kohlhaas ist nicht nur als Priorin ihrer Gemeinschaft tätig, sondern hat sich auch als Coach und Organisationsberaterin qualifiziert.

In ihrem Buch, erschienen im Herder-Verlag, widmet sich die Ordensfrau auf gut 200 Seiten ihren ersten Jahren als Führungsperson, ihren Leitungsstrategien, Krisensituationen und deren Bewältigung sowie der Zukunft ihrer Gemeinschaft. "Die neue Kunst des Leitens" dürfte für Unternehmenslenker genauso interessant sein wie für Menschen, die in anderen Zusammenhängen Verantwortung tragen – etwa in Vereinen und Verbänden. Bereichernd ist vor allem die jahrelange Erfahrung, auf die Kohlhaas zurückblicken kann.

Bild: ©Abtei St. Hildegard (Symbolbild)

In "Die neue Kunst des Leitens" schreibt eine kluge, reflektierte Führungspersönlichkeit über ihre Erfahrungen.

Mit 30 Jahren wurde sie Subpriorin in der Benediktinerinnengemeinschaft Köln und somit zur Vertreterin der damaligen Priorin. Weil es zu Spannungen kam, wie Kohlhaas unumwunden im Kapitel "Krise" berichtet, holten sich die Schwestern eine professionelle Hilfe von außen – "oder zumindest das, was wir dafür hielten". Die ältere Beraterin verhielt sich Kohlhaas zufolge grenzverletzend. "Diese Erfahrung markiert für mich den Punkt in meinem Leben, an dem ich aufgehört habe, nach einer 'Mutter' zu suchen", schreibt die Benediktinerin. Erst nach vielen Jahren ließ sich die Gemeinschaft erneut auf eine externe Beratung ein, diesmal mit durchaus positiven Ergebnissen.

In ihren zwölf Jahren als Priorin erlebte Kohlhaas offene und unterschwellige Konflikte, Stellvertreterkriege, das Austesten ihrer Belastungsgrenzen und auch Scheitern, wie sie in ihrem Buch berichtet. Sie erlebte aber auch, dass sie Stress und Konflikte bewältigen konnte, sich die Gemeinschaft wieder zusammenraufte, neue Projekte anstieß – und schlussendlich Mitglieder gewann. Im derzeitigen Haus der Benediktinerinnen in Köln-Raderberg mache sich "ein Gefühl der Überfüllung und Enge" breit, so Kohlhaas. Deshalb beschlossen die Schwestern gemeinsam, ein weiteres Kloster zu gründen.

Ungeschönter Blick auf die eigene Aufgabe

In "Die neue Kunst des Leitens" schreibt eine kluge, reflektierte Führungspersönlichkeit über ihre Erfahrungen. Kohlhaas darf mit Fug und Recht als erfolgreiche Frau in der katholischen Kirche bezeichnet werden. Das Erreichte stellt sie nicht zur Schau, sondern wirft einen ungeschönten Blick auf ihre Aufgabe. Zum Leitungsamt gehöre Leidensbereitschaft und Selbstlosigkeit, schreibt sie. "Es geht um die Priorität des Ganzen vor dem Eigenen."

Noch dazu weiß Kohlhaas offenbar, wann es Zeit zum Aufhören ist. Jeder Mensch habe Gaben und Schwächen, die sich auf die Leitungsposition auswirken, erklärt sie. Auch die Gaben führten mit der Zeit zu Problemen – nämlich zu Einseitigkeiten. Bei der kommenden Wahl der Priorin tritt sie nicht mehr an. Ganz zurückziehen will sich die Ordensfrau aber nicht. Bald werde es Zeit für etwas Neues sein, schreibt Kohlhaas und: "Aufbruchsstimmung macht sich in mir breit."

Von Anita Hirschbeck (KNA)

Buchtipp

Emmanuela Kohlhaas: Die neue Kunst des Leitens. Wie Menschen sich entfalten können. Top-Down war gestern. Verlag Herder, Freiburg 2022, 208 Seiten, 20 Eur0. ISBN 978-3-451-39282-5