Erzbischof Heße: Kann meine Fehler nicht mehr reparieren
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße blickt selbstkritisch auf seinen Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch. "Die Fehler sind da, sie sind unterlaufen. Die kann ich nicht mehr reparieren", sagte der frühere Personalchef und Generalvikar des Erzbistums Köln in einem Interview des "Hamburger Abendblatts" (Montag). Er habe ein Schuldgefühl und denke oft darüber nach, ob es nicht nur Schuld, sondern auch Sünde sei. "Das gehört zu meinem Leben, und das werde ich nicht mehr los. Ich lebe nicht in der Vorstellung, dass alles wieder gut sein wird."
Zudem offenbarte Heße, dass er während seiner sechsmonatigen Auszeit im vergangenen Jahr Zweifel an Gott gehabt habe. "Mein Glaube war schon erschüttert", sagte der 55-Jährige. Er habe vor der ganz persönlichen Frage gestanden, ob er „auf diesen Glauben“ sein Leben weiter bauen könne und die Berufung trage. Gestärkt hätten ihn einmonatige Exerzitien, bei denen er mehrere Stunden am Tag still gebetet und die Nähe zu Christus gesucht habe. "Es hat mir geholfen auch im Blick auf eine frühere Tätigkeit als Personalreferent und dann Generalvikar in Köln, indem ich mir schließlich sagte: Ich stehe zu meiner Verantwortung und nehme an, was kommt."
Heße: Will mich klar für Veränderungen einsetzen
Heße war zwischen 2006 und 2015 erst Personalchef und dann Generalvikar im Erzbistum Köln. Ein im März vergangenen Jahres vorgestelltes Gutachten wirft ihm elf Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen in dieser Zeit vor. Heße hatte nach Vorstellung des Gutachtens dem Papst seinen Rücktritt angeboten und sich in eine Auszeit zurückgezogen. Als Franziskus den Rücktritt im Herbst überraschend ablehnte, nahm der Erzbischof seine Amtsgeschäfte wieder auf.
"Mein Anliegen ist es als Bischof, mich klar für Veränderungen einzusetzen", erklärte Heße. Mit Blick auf die Betroffenen von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Raum sehe er sich verpflichtet, Prävention und Aufarbeitung noch konsequenter voranzutreiben. Weiter dürfe die sexuelle Orientierung von kirchlichen Mitarbeitenden keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr haben. Er setze sich dafür ein, dass Frauen in der Kirche in Verantwortung kämen, zum Beispiel als Abteilungsleiterinnen. Auch halte er es für denkbar, dass es in Zukunft neben zölibatär lebenden Priestern auch verheiratete gebe.
Entsetzt über Missbrauchstaten des Kölner Priesters U.
Entsetzt zeigte sich Heße gegenüber der Zeitung über die Missbrauchstaten des Kölner Priesters U., der am vergangenen Freitag zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. "Mich erschreckt, was alles herausgekommen ist und wie viele Verbrechen er begangen hat", sagte der Erzbischof. Ebenso erschreckend sei für ihn, dass die Staatsanwaltschaft vor elf Jahren die Ermittlungen in diesem Fall eingestellt habe. "Nun aber ist er neu aufgerollt worden. Und das ist gut so."
Das Landgericht Köln hatte U. am Freitag des 110-fachen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen. Heße musste in dem Prozess als Zeuge aussagen, weil er 2010 und 2011 als Kölner Personalchef mit dem Fall befasst gewesen war. Damals waren erste Vorwürfe gegen den Priester bekannt geworden, und die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen aufgenommen. Heße hatte dem Beschuldigten zunächst eine Entlassungsurkunde überreicht. Als die Staatsanwaltschaft 2011 ihre Ermittlungen eingestellt hatte, war U. jedoch wieder als Krankenhausseelsorger eingesetzt worden. Wie sich nun vor Gericht herausstellte, beging er danach weitere Missbrauchstaten. (stz/KNA)
28.02.2022, 10:50 Uhr und 11:15 Uhr: ergänzt um weitere Aussagen Heßes