"Erschütternde Meldungen reißen nicht ab"

Bischof Timmerevers: Schuldbekenntnis mit Aufruf zum Dialog

Veröffentlicht am 05.03.2022 um 11:59 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ "Wir sind strukturell und als Einzelne schuldig geworden", schreibt der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers den Gläubigen. Missbrauch sowie die Ungerechtigkeit gegenüber queeren Menschen und Frauen seien Versuchungen, denen die Kirche erlegen sei.

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Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers hat eine kritische Zwischenbilanz zur Lage der katholische Kirche gezogen und zur Dialogbereitschaft aufgerufen. "Wir sind strukturell und als Einzelne schuldig geworden", schreibt Timmerevers in seinem am Samstag veröffentlichten "Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit" an die Gemeinden des Bistums.

"Die erschütternden Meldungen zu Zahlen und Begleitumständen des Missbrauchsskandals reißen nicht ab", erklärt der Bischof des Bistums Dresden-Meißen. "Die Betroffenen sexualisierter Gewalt fordern Gerechtigkeit und die Anerkennung des erlittenen Leids." Queere Menschen machten mit ihrer Aktion "#outinchurch" auf die Verletzungen und Ungerechtigkeiten aufmerksam, die sie in der Kirche erfahren hätten.

Bei der Frage nach den Ursachen "zeigen sich deutlich die Versuchungen, denen wir erlegen sind", so Timmerevers. Er nennt den "Umgang mit Macht, die Rolle der Frau in der Kirche oder eine vor allem in die Enge führende Sexualmoral". Der Bischof räumt ein: "Was wir derzeit wahrnehmen, ist aufwühlend und macht fassungslos – auch mich".

Mit den Füßen abgestimmt

Viele Menschen hätten mit den Füßen abgestimmt und die Kirche verlassen, so Timmerevers. Oft seien sie tief enttäuscht und verletzt. Andere könnten nur schwer fassen, welche Schritte der Veränderung auf der Grundlage dieser Erfahrungen beim Synodalen Weg, dem laufenden Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland, gesucht würden. "Sie haben Sorge, dass alles verraten wird, was ihnen heilig ist und wir unsere Kirche in Anpassung an den Zeitgeist preisgeben könnten." Auch sie seien schwer enttäuscht.

"Dazwischen suchen viele Menschen nach Zeichen der Hoffnung, die ihnen trotz allem Mut machen, in dieser Kirche zu bleiben, in der sie auch viel Gutes erfahren haben", schreibt der Bischof. Sie trauten sich mitunter aber kaum zu sagen, dass sie sich ihr verbunden fühlen. Sie bejahten einen Wandel und hätten Hoffnung, dass die Kirche wieder mehr zu einem Ort des Lebens und des Glaubens für die Menschen werden könne. "Mit ihnen hoffe auch ich darauf", so Timmerevers.

Bischof Ipolt im Porträt
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht/

Wolfgang Ipolt ist Bischof von Görlitz.

Er appelliert an die Dialogbereitschaft der Gläubigen "in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft". Die "allerschrecklichsten Folgen, wenn Menschen das Gespräch abbrechen und mit Gewalt ihre Macht durchsetzen", seien derzeit im Osten Europas zu sehen, so der Bischof mit Blick auf den Krieg in der Ukraine.

Ipolt: Viel Schmutz und Sünde

Auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt hat die Kirche nachdrücklich zur Umkehr und einer "neuen Ausrichtung" auf die christliche Botschaft aufgerufen. "In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass es in dieser Kirche viel Schmutz und Sünde gab, ja unsägliche Verbrechen, die aufgearbeitet werden müssen", fordert er in seinem Hirtenbrief.

"Ich weiß wohl, dass es uns als Kirche nicht immer gelungen ist, die Botschaft des Glaubens so zu verkünden, dass sie als Reichtum und Hilfe verstanden wird", räumt Ipolt in dem Schreiben an die Gläubigen des Bistums Görlitz ein. "Ich ahne, dass vielleicht der eine oder die andere von Ihnen auch einmal angesprochen oder gefragt wird, was denn derzeit in der Kirche los sei." Möglicherweise werde dann eine Begründung für den Verbleib in der Kirche erwartet.

Mancher Christ werde auf diesem Hintergrund dazu bewegt, aus der Kirche auszutreten. "Das ist schmerzlich und muss uns alle nachdenklich machen", betont Ipolt und fährt fort: "Ich möchte Sie dennoch inmitten dieser Krise ermutigen und darin bestärken, Ihrer Taufe treu zu bleiben und an der Gemeinschaft der Kirche festzuhalten."

In einem Begleitschreiben bittet Ipolt die Gläubigen um Verständnis, dass er in dem früher verfassten Hirtenbrief nicht auf die aktuelle politische Situation in der Ukraine eingeht und lädt zum Gebet für die Menschen in dem Land auf. (cph/KNA)

5.3., 15:50 Uhr: Ergänzt um Ipolt.