Ukraine-Krieg: Käßmann kritisiert Moskauer Patriarchen Kyrill
Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die Haltung der russisch-orthodoxen Kirche im Ukraine-Krieg kritisiert. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. schweige und nehme das Wort "Krieg" nicht in den Mund, schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der "Bild am Sonntag". Am vergangenen Sonntag habe Kyrill die Gegner der russischen Armee in der Ukraine als "Kräfte des Bösen" bezeichnet.
"Kirchen müssen zum Frieden aufrufen, und Krieg klar ablehnen", erklärte Käßmann und betonte, die evangelischen Kirchen in Deutschland hätten aus ihrem Versagen in den beiden Weltkriegen gelernt. "Niemals darf sich eine Kirche nationalistisch begründen und mit nationalen Zielen identifizieren", schrieb die Theologin in ihrer Kolumne weiter.
Kyrill hat den Schutz der Gläubigen vor "Gay-Pride-Paraden" Homosexueller indirekt als Legitimation für den russischen Einmarsch in die Ukraine benannt. Seit acht Jahren werde versucht, "das Bestehende im Donbass zu zerstören", sagte er in seiner Sonntagspredigt in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. In der südostukrainischen Region, die seit 2014 von russischen Separatisten kontrolliert wird, gebe es "eine grundsätzliche Ablehnung der so genannten Werte, die heute von denen angeboten werden, die die Weltmacht beanspruchen".
"Test der Loyalität"
Gegenüber dieser Macht gebe es einen "Test der Loyalität", bei dem es sich nach Ansicht des russisch-orthodoxen Patriarchen um "Gay-Pride-Paraden" handelt. Der Begriff "Gay-Pride" stammt aus der Lesben- und Schwulenbewegung und steht für einen selbstbewussten Umgang mit der eigenen sexuellen Identität.
Menschen und Länder, die diesen Test ablehnten, würden von den Mächten verstoßen und "zu Fremden in dieser Welt", so Kyril weiter. Die "Gay-Pride-Paraden" würden deshalb nicht veranstaltet, um ein echtes Statement abzugeben, sondern lediglich auf Druck, "um in den Club dieser Länder aufgenommen zu werden". Doch handle es sich um schwere Sünde und einen "Verstoß gegen die Gesetze Gottes".
Bedford-Strohm beeindruckt von Hilfsbereitschaft
Derweil hält sich der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm an der ungarisch-ukrainischen Grenze auf und zeigte sich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft vor Ort. Doch sei die Atmosphäre sehr beklommen, sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland am Sonntag. Es gebe kein Lächeln; überall spüre man Schmerz, Trauer und Angst.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn (ELKU), eine Partnerkirche der bayerischen Landeskirche, versorgt Geflüchtete in Kölcse nahe der Grenze. Menschen brächten Essenspakete und hätten in einer Turnhalle ein Aufnahmelager mit 600 Betten organisiert, sagte Bedford-Strohm. Ehrenamtliche schmierten jeden Morgen 1.000 Brote. "Die lutherische Kirche engagiert sich hier eindrucksvoll". Es sei bewegend, die Fürsorge und das Zusammenwachsen zu sehen. Der Landesbischof betonte, es sei besser, Geld zu spenden als Waren. Benötigtes könne vor Ort gezielter direkt gekauft werden.
Zur Unterstützung der evangelisch-lutherischen Gemeinden in der Ukraine und als Hilfe für die Arbeit der lutherischen Kirchen in Polen, Tschechien und Ungarn hat die bayerische Landeskirche 180.000 Euro zur Verfügung gestellt. (cph/epd/KNA)
6.3., 16:40 Uhr: Ergänzt um weitere Äußerungen von Kyrill.