Heße: Hätte mir nach Auszeit auch Arbeit als Pastor vorstellen können
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße wusste nach eigener Aussage bis zum Tag vor der Veröffentlichung nicht, ob Papst Franziskus ihn weiterhin als Erzbischof von Hamburg im Amt belässt. "Ich bin mit völliger Offenheit da hereingegangen, und lange Zeit habe ich mich darauf vorbereitet, am Ende nicht in Hamburg zu bleiben", sagte Heße in einem Interview mit dem Online-Portal "shz.de" (Sonntag). "Ich hätte mir vieles vorstellen können: Als Pastor in der fremdsprachigen Arbeit im Ausland, in der kategorialen Seelsorge, da ist mir nicht bange gewesen." Nachdem der Pater, der ihn in seinen Exerzitien begleitet habe, ihn darauf hinwies, dass er auch mit einer Rückkehr in das Erzbistum Hamburg rechnen müsse, sei er zunächst "entsetzt" gewesen. "Ich brauchte Zeit, mich mit diesem Gedanken auseinanderzusetzen." Deshalb habe er in seiner Auszeit auch kein Konzept für seine Rückkehr entwickelt. "Man kann einfach nicht alle Alternativen so durchspielen, dass man für jede Alternative nur noch das Konzept aus der Tasche zieht."
Heße hatte im Zuge des Kölner Missbrauchsgutachtens Papst Franziskus im vergangenen März seinen Rücktritt angeboten. Dieser hatte das Gesucht vorerst nicht angenommen und ihm stattdessen eine geistliche Auszeit gewährt. Als Franziskus den Rücktritt im Herbst überraschend ablehnte, nahm der Erzbischof seine Amtsgeschäfte wieder auf.
"Patriarch Kyrill wäre vielleicht jemand, der auf Putin einwirken könnte"
Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine sagte Heße, dass dieser vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vollkommen ungerechtfertigt begonnen wurde und durch nichts zu begründen sei. "Ich habe diese Drohungen von Putin wahrgenommen, aber ich hätte nie gedacht, dass es so brachial kommt", so der Erzbischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen zuständig ist. Auf die Frage nach der Rolle der russisch-orthodoxen Kirche sagte Heße: "Patriarch Kyrill wäre vielleicht jemand, der auf Putin einwirken könnte. Aber er scheint es nicht zu tun." Innerhalb der russisch-orthodoxen Gemeinde in Deutschland scheine es jedoch verschiedene Sichtweisen auf den Krieg zu geben.
Dankbar sei er für die Offenheit der Menschen in Polen, die viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben. Auch das Erzbistum Hamburg habe seit 20 Jahren einen engen Kontakt in die Westukraine. "Da gibt es auch menschliche Beziehungen, die jetzt sehr hilfreich sind. Sie tragen auch in dieser Krise." Die deutschen Bischöfe seien mit den polnischen Mitbrüdern in Kontakt. Die Aufstockung des Bundeswehretats und Waffenlieferungen habe man dort aufmerksam verfolgt und sie seien wichtige Signale aus Deutschland. "Denn Polen grenzt ja an die Ukraine und hat ebenso wie die baltischen Länder große Angst, die nächsten zu sein", so Heße.
"Dinge zu verschleiern, ist nach meiner Vorstellung niemals im Sinne Jesu"
Im Hinblick auf den Synodalen Weg zog Heße ein Zwischenfazit. "Wir sind noch auf einem langen und wahrscheinlich auch noch steiniger werdenden Weg unterwegs." Man brauche viel Energie für den Prozess und die umfangreichen Texte. Er sei aber erleichtert, dass sich in den Diskussionen und den ersten Abstimmungen eine große Mehrheit für die Texte ausgesprochen habe. "Das heißt allerdings nicht, dass alle Klippen überwunden wären. Da gibt es auch gegenteilige Meinungen und das ist auch gut so. Da müssen wir dann diskutieren und dürfen Dinge nicht unter den Teppich kehren."
Nicht nur bei Deutschen und Katholiken anderer Muttersprachen gäbe es unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Kirche, erklärte Heße. "Das ist auch zwischen der Diaspora und der Volkskirche so, zwischen Nord und Süd und zwischen Ost und West." Für einige gehe es in der Kirche viel zu schnell, für andere viel zu langsam. Das habe in den vergangenen Jahren vieles schwerer gemacht als nötig. "Ich glaube, die Kirche erlebt da etwas, was die Gesellschaft auch erlebt: Pluralität. So etwas ist gut, aber manchmal auch anstrengend." Angesprochen auf die Initiative "#OutInChurch" erklärte Heße, er habe sich gefreut, dass eine Reihe der Beteiligten aus seiner Erzdiözese stamme. Für ihn sei es wichtig, dass es in der Kirche keine Angst geben oder verbreitet werden dürfe. "Dinge zu verschleiern, ist nach meiner Vorstellung niemals im Sinne Jesu." (cbr)