Ein Werbespot erzählt die Geschichte Jesu neu

Raki statt Wein beim letzten Abendmahl

Veröffentlicht am 26.03.2022 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Eschweiler ‐ Beim letzten Abendmahl gab es Wein – das weiß jedes Kommunionkind. Aber was wäre, wenn es stattdessen Raki gegeben hätte? Ein Werbespot für türkischen Anisschnaps aus Eschweiler wagt das Gedankenexperiment. Das gefällt nicht jedem.

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Jesus kommt mit den Jüngern in den Abendmahlssaal, alle setzen sich, Jesus kündigt an, dass einer der Jünger ihn verraten werde. Das erschreckt nicht nur die Jünger: Auch die beiden jungen Leute, die die Gesellschaft bewirten, zucken zusammen – da ist es passiert: Der letzte Krug mit Wein fällt herunter und zerbricht. "Das war der letzte Krug", sagt die junge Frau, "aber ich hab da noch was anderes!", fällt ihr gerade noch rechtzeitig ein.

Jesus und die Jünger sind erst einmal skeptisch. Was ist das? Erst klar, dann neblig, als Wasser dazu gegossen wird – "ein Wunder ist geschehen!" Jesus schmeckt's, und auch die römischen Soldaten vergessen über das wunderbare Getränk, warum sie eigentlich gekommen sind. "Auf das Leben! Auf unsere Träume! Auf unseren Vater im Himmel! Auf den Anis!", rufen die Jünger, "auf die Liebe" der Herr, und alle singen Halleluja.

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So macht der Eschweiler Raki-Hersteller Yakamoz Werbung für seinen Raki. Der knapp dreiminütige Werbespot steht erst seit etwa einer Woche auf YouTube. Dennoch wurde er schon über 130.000 Mal abgespielt, die meisten der Kommentatoren loben den Film – aber auch einige Kritik ist dabei: "Eine Beleidigung des Allerheiligsten einer Religion", schreibt ein Kommentator, und: "Wenn Christen das gleiche mit dem Propheten Muhammad machen würden, würdest du ein Chaos anrichten."

Der Geschäftsführer der Raki-Destille, Deniz Tugcu, sieht das gelassen. Im Gespräch mit katholisch.de berichtet er, dass die meisten Reaktionen seiner Gäste – neben der Brennerei betreibt er auch ein Restaurant in Eschweiler – ausgesprochen positiv seien. Gerade die deutschen Gäste. "Und wenn mir jemand sagt: 'Warum machst du das nicht mit dem Propheten Mohammed?' Dann sage ich: 'Kannst du nicht lesen? Jesus hat Wein getrunken, Mohammed nicht.'" Vom Wein zum Raki ist es kein weiter Weg: Auch der türkische Anisschnaps wird mit Trauben hergestellt.

Auch im Islam spielt Jesus eine wichtige Rolle. Im Koran gilt er als Prophet, er ist der letzte in einer Reihe von Propheten vor Mohammed selbst. Wie in der christlichen Tradition ist er der Sohn Marias, die ihn jungfräulich geboren hat – aber anders als im Christentum wird ihm jede Göttlichkeit abgesprochen. Die Darstellung der Abendmahlszene im Werbespot orientiert sich an der christlichen Ikonografie; deutlich ist das Bühnenbild an Leonardo da Vincis berühmtes Wandgemälde angelehnt, in einer Szene wird es bis ins Detail nachgestellt.

Das weltberühmte Gemälde des letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci.
Bild: ©castrovilli/Fotolia.com

Bei Leonardo gab es keinen Raki.

Nur die Sache mit dem Raki unterscheidet sich – und was der Raki mit den Jüngern und den römischen Soldaten auslöst. "Wir haben auch nichts Schlechtes über Jesus gesagt", betont Tugcu, der von sich selbst als "halben Christen" spricht: Seine Mutter ist Alevitin, sein Vater Christ. Er selbst spendet jedes Jahr für die katholische Peter-und-Paul-Gemeinde in seiner Heimatstadt, auf der Firmenwebseite ist ein Link auf das katholische Haus St. Josef, eine Einrichtung der Jugend- und Familienhilfe – "unser Herzensprojekt" steht da.

Die meiste Kritik am Abendmahls-Spot kam nicht aus Eschweiler – dort habe Tugcu auch mit der örtlichen Gemeinde gesprochen, bevor er den Werbespot zusammen mit einem befreundeten Regisseur gedreht hat. Laut dem Wirt und Rakibrenner gab es auch von dort die Bestärkung, dass er das ruhig machen solle. Aus der Türkei habe er dagegen einige böse Mails bekommen, damit könne er aber gut leben. Er selbst hat seit 2007 einen deutschen Pass und ist froh, hier zu leben, wo man auch so augenzwinkernd mit der Religion umgehen kann.

Von Felix Neumann