Oberammergauer "Maria Magdalena": Bibel leider wenig feministisch
Zum zweiten Mal nach 2010 stellt Barbara Schuster (35) bei den Oberammergauer Passionsspielen die "Maria Magdalena" dar. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit der 35-jährigen Betriebswirtin und Mutter zweier kleiner Kinder über Frauen im Umfeld von Jesus und wie herausfordernd es ist, 4.500 Zuschauern die frohe Botschaft von der Auferstehung glaubhaft zu verkünden.
Frage: Frau Schuster, was ist diese "Maria Magdalena" für ein Mensch?
Schuster: Ich sehe Magdalena als eine starke Frau. Sie war vielleicht die beste, ja engste Freundin von Jesus. Allen Widrigkeiten zum Trotz geht sie ihren Weg. Sie versteht Jesus wie keine andere und war ihm näher als manch anderer Jünger. Diese starke Persönlichkeit zeigt bedingungslos ihre Liebe. Sie steht unter dem Kreuz bei ihm, und sie geht als erste an sein Grab. In ihrer Begeisterung für Jesus kommt ihr meines Erachtens höchstens noch Judas am nächsten.
Frage: Haben Sie eine Lieblingsszene in der Passion?
Schuster: Die kommt am Ende, wenn Magdalena die Auferstehung Jesu verkündet. Diese positive Botschaft, also quasi die Kernbotschaft unseres christlichen Glaubens, dass es nach dem Tod weiter geht, darf ich auf der Bühne den 4.500 Zuschauern im Theater mitgeben. Inzwischen gibt es aber noch einen weiteren Moment, der mir wichtig geworden ist. In der Bethanien-Szene hat die Magdalena nämlich einen Satz neu dazu bekommen, den sie 2010 noch nicht hatte.
Frage: Und was ist daran besonders?
Schuster: Da lehnt sie sich auch mal gegen die Jünger auf. Diese kommen mit Jesus völlig euphorisch vom Einzug in Jerusalem nach Bethanien. Alles war super, weil Jesus toll beim Volk ankam. Doch dann kippt die Stimmung. Jesus weiß schon, was ihn erwartet. Da sind viele Gefühlsschwankungen dabei. Auch das Abschiednehmen von seiner Mutter Maria und von Magdalena hat begonnen. Anfangs wird zwischen Jesus und den Jüngern kräftig gestritten. Judas versteht einfach nicht, warum Jesus nicht weiter gegen die Römer kämpfen will. Und da sagt Magdalena: "Ist so hart eure Knechtschaft, so brennend euer Leiden? Es ist Gottes Sonne über dem Land und unsere Weinstöcke blühen. Also warum wollt ihr Krieg?"
Warum es nicht verrückt ist, an die Auferstehung zu glauben
Ohne den Glauben an die Auferstehung ist der christliche Glaube aus theologischer Sicht nicht zu haben, sagt Sabine Pemsel-Maier. Dennoch kennt sie viele Menschen mit Zweifeln – und auch sie selbst ist nicht frei davon. In solchen Zeiten ist es vor allem ein Gedanke, der der Theologin besonders hilft.
Frage: Da wird man nachdenklich...
Schuster: Dieser Satz angesichts des Kriegs in der Ukraine ist einfach mutig. Da sagt eine Frau mal was gegen den Krieg. Den Text hatte Christian Stückl ja schon länger geschrieben, und er arbeitet kontinuierlich daran weiter, aber irgendwie kann man den gut ins Jetzt und Hier übersetzen. Er passt einfach in die Gegenwart.
Frage: Zurück zu dem Moment, an dem Magdalena mit den Frauen ans Grab Jesu kommt. Bei Johannes heißt es, sie trafen auf den Gärtner. Wie sehen Sie das?
Schuster: Ach, der Gärtner. Da lachen immer alle. Magdalena geht mit Cleopha und Salome los, um Jesus die letzte Salbung zu erteilen. Doch das Grab ist leer. 2010 saß auf der Bühne ein Engel, als normaler Mensch ohne Flügel an der Feuerschale, was auch gut so war. Dieses Mal wird er aufstehen und mit mir reden. Das hilft mir bei der Gestaltung meiner Figur. Denn ich erkenne im Engel die Sprache beziehungsweise meinen Rabbi wieder und erkenne damit, dass er auferstanden ist. Eine unmittelbare Bezugsperson zum Sprechen zu haben, macht es für mich einfacher.
Frage: Was ist das Schwierige an ihrem langen Auferstehungs-Monolog?
Schuster: Letztlich gliedert sich dieser in mehrere Teile. Erst ist da die Erkenntnis, dass Jesus lebt. Danach will ich diese Botschaft nur noch rausschreien und allen kundtun. In den jeweiligen Passagen habe ich mir vorgenommen, verschiedene Akzente zu setzen. Das könnte gelingen, indem ich verschiedene Menschen anspreche. Durch mein Schreien kommt nach und nach das ganze Volk auf die Bühne. So verbreitet sich in die Dunkelheit hinein allmählich das Licht getreu dem Jesus-Satz: "Glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet." Chor und Orchester werden einsetzen, wenn ich "Halleluja, er ist erstanden" gerufen habe. Diesen Spannungsbogen muss man aufbauen.
„Es gibt in der Passion ja letztlich nur zwei große Frauenrollen: Maria und Maria Magdalena ... Es hat sich nichts geändert. Als Christin finde ich tatsächlich, dass es schon längst an der Zeit ist, Pfarrerinnen einzusetzen.“
Frage: Die Jünger taten die Botschaft der Frauen als Geschwätz ab, heißt es im Evangelium. Ist dieser Umgang bis heute typisch für die katholische Kirche?
Schuster: Die Bibel hat wenig Feministisches. Es gibt in der Passion ja letztlich auch nur zwei große Frauenrollen: Maria und Maria Magdalena. In der Tat haben die Männer Magdalena nicht geglaubt, dass Jesus auferstanden ist. Zwei Jünger wurden eigens noch zum Grab geschickt, damit die nachschauen, ob das auch stimmt. Irre. Es hat sich nichts geändert. Als Christin finde ich tatsächlich, dass es schon längst an der Zeit ist, Pfarrerinnen einzusetzen.
Frage: Magdalena ist Jesus näher als manch anderer Jünger, mit Ausnahme vielleicht Judas, sagten Sie, können Sie dies noch näher ausführen?
Schuster: Judas ist eine total spannende Figur. Ich bin überzeugt, dass er der größte Fan von Jesus war. Deswegen war es für ihn auch so hart, dass dieser nicht den Weg ging, den er für richtig hielt. Den Verrat hat er nicht wegen des Geldes begangen, sondern eher aus Enttäuschung oder weil er von Priestern in die Irre geführt wurde.
Frage: Führen Sie derzeit biblische Gespräche auch zu Hause? Ihr Mann Martin ist ja einer der beiden Judas-Darsteller.
Schuster: Über die Judas-Rolle haben wir noch gar nicht geredet. Aber über die Auferstehung haben wir lange gesprochen. Mein Mann war bei der Passion 2010 Regieassistent und ist mit der Bibel noch besser vertraut als ich. Soweit es unsere beiden Kinder zulassen, werden bei uns Bibelgespräche durchaus geführt.