Moskauer Patriarchat warnt vor Verbot seiner Kirche in der Ukraine
Die russisch-orthodoxe Kirche hat das ukrainische Parlament vor einem Verbot der ihr unterstehenden Kirche gewarnt. Eine Verabschiedung von zwei Gesetzentwürfen, die eine "faktische Liquidierung der kanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche" zum Ziel hätten, würde sicher die gesellschaftliche Krise verschärfen, schrieb der Sprecher des Moskauer Patriarchats, Wladimir Legoida, am späten Dienstagabend in seinem Telegram-Kanal. Ein solches Parlamentsvotum würde eine "neue Runde der bürgerlichen Konfrontation" provozieren und das "Schisma" verschlimmern, das vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel ausgelöst worden sei. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete am Mittwoch die Gesetzesinitiativen auf Nachfrage als "äußerst negativ", wie russische Nachrichtenagenturen berichten.
Der Werchowna Rada in Kiew liegen seit Montag zwei Gesetzentwürfe vor, die sich gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche richten, die dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. untersteht. Oksana Sawtschuk, einzige Abgeordnete der rechtsextremen Partei Swoboda (Freiheit), beantragt ein "Verbot des Moskauer Patriarchats auf dem Territorium der Ukraine". Eine Gruppe anderer Parlamentarier, darunter die ehemalige Bildungsministerin Inna Sowsun von der liberalen Partei Holos (Stimme), verlangt, die Tätigkeit von religiösen Organisationen zu untersagen, wenn sich ihr Machtzentrum in einem ausländischen Staat befindet, der die Ukraine militärisch angegriffen oder einen Teil ihres Landes besetzt hat.
Rund 60 Prozent der Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum in zwei verschiedenen Kirchen: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der Ende 2018 gegründeten eigenständigen (autokephalen) Orthodoxen Kirche der Ukraine. Der moskautreuen Kirche wird in der Ukraine mindestens seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 vorgeworfen, Kreml-Chef Wladimir Putin treu ergeben zu sein und damit dem Land zu schaden.
Letzter Außenposten zur Unterstützung Putins in der Ukraine
Das Oberhaupt der neuen, unabhängigen orthodoxen Kirche, Metropolit Epiphanius, sagte am Dienstag laut der Nachrichtenagentur Ukrinform: "Wir wissen, dass die Kirche für Putin, für die Russische Föderation, eine sehr wichtige Rolle spielt. Die Kirche ist praktisch der letzte Außenposten zur Unterstützung Putins in der Ukraine." Patriarch KyrilI I. ist ein enger Verbündeter Putins. Bei einem Gottesdienst rechtfertigte er den russischen Krieg gegen die Ukraine als "metaphysischen Kampf" des Guten gegen das Böse aus dem Westen. Er machte sich damit das Narrativ der russischen Kriegspropaganda zu eigen. Zudem schenkte das Kirchenoberhaupt Mitte März dem Chef der in der Ukraine kämpfenden Nationalgarde, Wiktor Solotow, eine Marienikone.
Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hatte erfolglos versucht, mit einem sogenannten Vereinigungskonzil im Dezember 2018 den Zusammenschluss der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats mit dem 1992 gegründeten Kiewer Patriarchat und der 1921 entstandenen "Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche" zu erreichen. Stattdessen bildeten damals die beiden letzteren die autokephale "Orthodoxe Kirche der Ukraine", die vom Moskauer Patriarchat als "schismatisch" gebrandmarkt wird.
Die moskautreue Kirche zählt in der Ukraine deutlich mehr Gemeinden als jede andere Konfession. Die meisten Bürger fühlen sich laut Umfragen allerdings der neuen, unabhängigen orthodoxen Kirche zugehörig. Der ukrainische Staat erhebt nur die Zahl der Gemeinden, nicht aber der Kirchenmitglieder. Zuletzt wechselten rund 100 Kirchengemeinden in der Ukraine von der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zur eigenständigen Orthodoxen Kirche der Ukraine. Epiphanius forderte einem Bericht zufolge weitere Gemeinden auf, diesem Schritt zu folgen. (tmg/KNA)