Congregatio Jesu hilft in der Ukraine: "Glaube gibt mir Kraft dazu"
Kirchliche Institutionen und Gemeinschafen leisten aktuell einen wertvollen Beitrag, um das Leid der ukrainischen Bevölkerung angesichts der russischen Invasion zumindest etwas zu lindern. Gerade die, die in unmittelbarer Nähe zum Kriegsgebiet leben, helfen, wo sie können – so auch die Congregatio Jesu in der Slowakei und in der Ukraine. Schwester Helena Bugosova (68), früher Oberin der slowakischen Provinz, zu der auch die Ukraine gehört, lebt in einer Kommunität in Kosice, das rund 100 Kilometer von der slowakisch-ukrainischen Grenze entfernt ist. Von dort aus koordiniert und begleitet sie Hilfstransporte an die Grenze und in die kurz dahinter liegende Stadt Ushgorod. Außerdem kümmert sie sich um Flüchtlinge, die nach Kosice kommen. Im Interview spricht sie über den Einsatz von ihr und ihren Mitschwesern – und darüber, wie sie mit dem Leid der Menschen umgeht. Und sie sagt, warum ihre Mitschwestern, die in Kiew sind, trotz der Gefahr niemals aus der Ukraine fliehen würden.
Frage: Schwester Helena, was macht es mit Ihnen, wenn Sie das Leid der ukrainischen Menschen sehen, die gerade auf der Flucht sind?
Sr. Helena: Es ist sehr schwer, wenn man ihre Angst sieht, ihre Unsicherheit, ihre Hoffnungslosigkeit. Nachts denke ich manchmal: Was soll ich den Leuten sagen? Aber sie brauchen Beistand. Ich versuche zu helfen, so gut es geht, auch wenn es nicht immer leichtfällt. Ich habe mir gesagt: Solange ich noch genug Kraft habe, muss ich die investieren.
Frage: Sie organisieren und begleiten von Kosice aus Hilfslieferungen an die slowakisch-ukrainische Grenze bis nach Ushgorod, wo vier Mitschwersten von Ihnen sind. Wie geht das vonstatten?
Sr. Helena: Ich stehe ständig mit den Mitschwestern in Kontakt und frage immer wieder, was sie brauchen. Das sind vor allem medizinische Güter und Lebensmittel. Alle zwei Wochen organisieren wir einen Hilfstransport. Wir bekommen die Sachen von verschiedenen Stellen, beispielsweise auch aus anderen Kommunitäten. Mein Bruder ist Pfarrer, und er fragt die Gläubigen seiner Gemeinde, ob sie auch etwas spenden wollen. Da gibt es eine große Hilfsbereitschaft. Ich habe auch gute Kontakte nach Deutschland, von dort bekommen wir auch viele Sachen.
Frage: Wie ist die Situation der Flüchtlinge in Ushgorod?
Sr. Helena: Als ich Ende Februar mit der ersten Hilfslieferung dort angekommen bin, wurde mir richtig schwer ums Herz: Tausende Leute, Mütter mit Kindern. Es war alles noch sehr chaotisch, nicht gut organisiert. Dazu kam, dass dort auch Leute auftauchten, die die Not der Flüchtlinge ausnutzen wollten und versucht haben, Lebensmittel zu verkaufen. Deshalb achten wir sehr darauf, dass die Hilfe auch bei denen ankommt, die sie wirklich brauchen.
Frage: Haben Sie auch Flüchtlinge von dort mitgenommen?
Sr. Helena: Ja. Ich habe an der Grenze bei den Maltesern nachgefragt, was ich noch tun kann. Sie haben dann gesagt, dass es am besten wäre, die Leute von der Grenze weiter zu transportieren. Ich arbeite ehrenamtlich in einer Einrichtung für Obdachlose. Dort gibt es wegen der Corona-Pandemie ein paar kleine Quarantäne-Häuschen, wo Menschen ein paar Tage unterkommen können. Ich versuche, den Geflüchteten dort zu helfen. Zu Beginn waren das 13 Studenten aus Syrien, Marokko und Ägypten, die in Charkiw studierten. Die sind zwei bis drei Tage geblieben, dann sind andere nachgekommen. Seitdem geht das immer so weiter. Aber nicht alle kommen so schnell von dort weg. Es gibt da zum Beispiel ein 16-jähriges Mädchen und ihren Bruder. Um sie kümmere ich mich gerade ganz besonders. Sie sind allein nach Kosice gekommen. Ihre Eltern mussten in Kiew bleiben, weil sie als Ärzte im Krankenhaus arbeiten. Das Mädchen hat große Angst.
Frage: Ushgorod liegt im Westen der Ukraine. Wie nahe ist der Krieg dort inzwischen?
Sr. Helena: Die Schwestern spüren, dass auch dort der Krieg immer näherkommt. Am Anfang haben sie sich dort noch relativ sicher gefühlt. Aber erst vor ein paar Tagen hat eine gesagt, dass sie mindestens drei Mal an Tag in den Schutzkeller gehen müssen, wenn die Sirenen heulen. In Ushgorod gibt es einen Flughafen. Man hat Angst, dass die Russen den wie in anderen Städten auch angreifen. Es ist also schon gefährlich, dort zu sein oder hinzufahren.
Frage: Haben Sie Angst, wenn Sie dort hinfahren?
Sr. Helena: Nein, ich habe keine Angst. Ich werde da auch weiter hinfahren. Ich sehe es als Ordensschwester als meine Pflicht, dort zu helfen.
Frage: Zwei Ihrer Mitschwestern sind in Kiew. Wie helfen sie dort – und was erleben sie?
Sr. Helena: Der Kontakt ist schwierig, aber dennoch schreiben sie immer mal wieder Nachrichten oder rufen an. Es gib immer wieder Ausgangssperren. Überall sind Bomben und Sirenen zu hören. Wenn keine Ausgangssperre herrscht, liefern die Schwestern Lebensmittel, Medikamente und andere lebensnotwendige Dinge vor allem an Arme, Kranke und ältere Menschen, die Kiew nicht verlassen konnten. Sie arbeiten für die Caritas. Diese stellt ihnen die Hilfsgüter bereit, die sie weitergeben können. Das Caritaszentrum, in dem sie arbeiten, hat auch einen Keller, der als Bunker dient. Dort finden die Menschen, die in dem Hochhaus leben, in dem das Zentrum liegt, bei Sirenenalarm Zuflucht. Die Schwestern besorgen auch Medikamente für alte und kranke Menschen. Dafür müssen sie lange vor den Apotheken anstehen. Sie haben auch Blut gespendet, denn Blutkonserven werden dringend gebraucht. Wo möglich, helfen die Schwestern auch Müttern mit kleinen Kindern. Vor einigen Tagen hat eine von ihnen eine große Ladung Babywindeln zu Fuß durch die Stadt getragen und zu einer jungen Mutter gebracht, die sie kennt. Sie hat gerade Zwillinge geboren hat. Die Schwestern in Kiew zeigen wirklich großen Einsatz.
Frage: Haben Ihre Mitschwestern darüber nachgedacht, Kiew zu verlassen?
Sr. Helena: Nein. Sie sagen, dass das für sie nicht in Frage kommt. Sie sind Ukrainerinnen. Ihre Familien leben auch in der Nähe von Kiew. Sie wollen ihre Leute nicht im Stich lassen.
Frage: Wie gehen die Mitschwestern mit der Gefahr um, dass ihnen etwas zustoßen könnte?
Sr. Helena: Sie sagen: Sie sind bereit, für ihr Land einzustehen. Und sie sehen, dass die Leute ihnen vertrauen, weil sie geblieben sind. Das gibt ihnen Kraft. Sicher haben sie auch Angst. Aber sie halten durch. Das muss man wirklich bewundern.
Frage: Wie hilft Ihnen persönlich Ihr Glaube, angesichts dieser schwierigen Lage durchzuhalten?
Sr. Helena: Wenn ich nicht gläubig wäre, weiß ich nicht, ob ich das alles tun könnte. Er gibt mir die Kraft, zu helfen.
Frage: Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass es bald Frieden gibt?
Sr. Helena: Ich fürchte, aus menschlicher Perspektive gibt es keine Hoffnung. Deshalb setze ich auch große Hoffnung in die Weihe Russlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Marias, die Papst Franziskus vergangene Woche vollzogen hat. In der Geschichte war es oft so, dass nach solchen Aktionen etwas geschehen ist. Schauen Sie nur auf den Fall des Kommunismus Ende der 1980er Jahre in Osteuropa. Hier muss wirklich Gott seine Macht nutzen.
Hinweis
Weitere Informationen zur Ukraine-Hilfe der Congregatio Jesu sowie ein Spendenkonto finden Sie auf der Website der Ordensgemeinschaft.