Kyrill I. handle im Ukraine-Krieg nicht als Hirte

Experte: Moskauer Patriarchat wird weltweit Gemeinden verlieren

Veröffentlicht am 07.04.2022 um 17:05 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Der Kirchenhistoriker Andrij Mykhaleyko hat dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. vorgeworfen, eine "ideologische Lokomotive der Außenpolitik Russlands" zu sein. Moskau werde aufgrund seines Verhaltens im Ukraine-Krieg viele Gemeinden verlieren.

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Der ukrainische Kirchenhistoriker Andrij Mykhaleyko hat dem orthodoxen Moskauer Patriarchen Kyrill I. vorgeworfen, angesichts des Kriegs nicht als Hirte zu handeln. "Da war kein Gebet für den Frieden, sondern die Übernahme der Sprache Putins", sagte Mykhaleyko, der Priester der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und Privatdozent an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ist, der in Würzburg erscheinenden Wochenzeitung "Die Tagespost". Das Moskauer Patriarchat sei so etwas wie die "ideologische Lokomotive der Außenpolitik Russlands". Der Historiker zeigte sich überzeugt, dass Moskau viele Gemeinden verlieren werde, "nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit". Dazu komme der Autoritätsverlust. Für die Auslandsgemeinden sei dagegen die Türe des Ökumenischen Patriarchats Konstantinopel offen.

Nach Angaben Mykhaleykos hat die "Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats" 52 Diözesen. Etwa 20 Diözesanbischöfe hätten mit ihren Priestern aufgehört, Kyrill in der Liturgie namentlich zu erwähnen. Das bedeute nicht zwingend den Abbruch der kirchlichen Gemeinschaft, "denn es wird weiter Metropoliti Onufri kommemoriert, der seinerseits Kyrill kommemoriert". Aber es sei eine Distanzierung. Die russische Orthodoxie habe weltweit 38.000 Gemeinden, davon lägen 12.400 in der Ukraine, erläuterte der Kirchenhistoriker. Die Religiosität der Orthodoxen in der Ukraine sei viel höher als in Russland. Kyrill gefährde die Einheit mit diesen Gläubigen. "Würde er gegenüber dem russischen Diktator für seine Glaubensbrüder in der Ukraine eintreten, dann würde er vielleicht fallen, aber als starke Persönlichkeit in die Geschichte eingehen." Seine Weltsicht widerspreche jeder Vernunft.

Vieles im ökumenischen Dialog mit Moskau müsse zunächst auf Eis gelegt werden, zeigte sich Mykhaleyko überzeugt. Zudem gebe es die noch wenigen, aber mutigen Menschen, die in Russland gegen den Krieg auf die Straße gingen. Sie bewegten sich jenseits des kirchlichen Einflusses. Wenn diese Menschen irgendwann zur politischen Elite werden sollten, werde die Orthodoxie für sie keine Rolle spielen. "Die russische Kirche predigt ja gegen den Westen und gegen die Ukraine. Sie bleibt mächtig, solange Putin an der Macht ist." Viele orthodoxe Kirchen würden in der ukrainischen Frage mittlerweile sensibler, so der Historiker. Als Gegenpol zu Kyrill gewinne Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel an Gewicht. Der Ökumenische Patriarch ist Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. (stz/KNA)