Gutachter ordnen Äußerungen zu Homo- und Transsexualität ein

Aussagen von Bibel gedeckt? Theologen bei Latzel-Prozess uneins

Veröffentlicht am 13.05.2022 um 15:14 Uhr – Lesedauer: 

Bremen ‐ Sind die umstrittenen Äußerungen des Bremer Pastors Olaf Latzel zu Homo- und Transsexualität von Bibel und Christentum gedeckt? Dazu bezogen jetzt vor Gericht zwei theologische Gutachter Stellung – mit unterschiedlichem Ergebnis.

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Im Fall des wegen Volksverhetzung angeklagten Pastors Olaf Latzel (54) hat das Landgericht Bremen zwei theologische Gutachter angehört. Die evangelische Expertin für Praktische Theologie, Isolde Karle, sagte, für Latzels umstrittene Äußerungen zu Homo- und Transsexualität gebe es im Christentum keine Grundlage. Der katholische Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger erklärte hingegen, die Aussagen seien von der Bibel gedeckt.

Der Pastor der evangelischen Sankt-Martini-Gemeinde in Bremen hatte in einem Eheseminar Homosexualität als "Degenerationsformen von Gesellschaft" bezeichnet und gesagt: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day." Er sprach von "Genderdreck", der ein "Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung" und "zutiefst teuflisch und satanisch" sei. Das Amtsgericht Bremen hatte ihn deshalb 2020 wegen Volksverhetzung verurteilt. Dagegen wehrt sich der konservative Seelsorger.

Vergangenen Montag sagte er beim Auftakt des Berufungsprozesses vor dem Landgericht, er habe lediglich die Homosexualität und die Gender-Theorie verurteilt, nicht aber die betroffenen Menschen. Damit sehe er sich an die Bibel gebunden, die homosexuelle Taten als Sünde einstufe.

Konsens, Homosexualität nicht als Sünde zu verstehen

Karle erklärte, in der evangelischen Kirche sei es heute Konsens, Homosexualität nicht als Sünde zu verstehen. Zwar äußere sich die Bibel an einigen Stellen negativ zu homosexuellen Praktiken. Allerdings seien diese nur im damaligen gesellschaftlichen Kontext zu verstehen, in dem etwa noch keine homosexuellen Partnerschaften bekannt gewesen seien. "Anders als der Angeklagte nahelegt, ist es grundsätzlich nicht möglich, die Bibel wörtlich zu verstehen", betonte die Bochumer Theologin. Andernfalls verstricke man sich in Widersprüche.

Laut Schwienhorst-Schönberger ist die Position, die behauptet, die Bibel sehe Homosexualität als Sünde an, "von der Sache her richtig". Allerdings entspreche sie nicht dem aktuellen Mainstream der Bibelauslegung. "Das Thema Homosexualität wird innerhalb der Theologie kontrovers diskutiert", sagte der Experte aus Wien.

Die biblische Position werde heute von weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr als akzeptabel angesehen. Latzel wolle sich als Anhänger einer Bewegung von bibeltreuen Christen offenbar stark von der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung abgrenzen und habe deshalb wohl einen scharfen Ton gewählt. "Das wird oft verstanden als eine Diskriminierung, ist aber vor dem Hintergrund des biblischen Kontextes nicht so zu sehen", so Schwienhorst-Schönberger. Beide Gutachter hoben hervor, dass Homosexualität in der Bibel kein zentrales Thema sei und nur am Rande behandelt werde. Latzels Verteidiger, Sascha Böttner, warf der Theologin Karle mangelnden Sachverstand und methodische Fehler in ihrem Gutachten vor. Die Verhandlung soll am Montag fortgesetzt werden. Ein Urteil könnte am 20. Mai fallen. (KNA)