Die Karmelitinnen ziehen aus: Hamburgs einziges Nonnenkloster schließt
Von der Hamburger Innenstadt erreicht man den Stadtteil Finkenwerder mit der Fähre. Die frühere Elbinsel wird von einer großen Flugzeugfabrik auf der einen und von Obstplantagen auf der anderen Seite begrenzt. Mittendrin liegt das Kloster der Karmelitinnen. "Finkenwerder eignet sich gut als geistlicher Ort", sagt Schwester Miriam. "Es ist nicht weit weg von der City – und trotzdem hat man das Gefühl rauszukommen."
Die 59-Jährige und ihre 55-jährige Mitschwester Maria sind die letzten beiden verbliebenen Bewohnerinnen des Klosters. Über 20 Jahre lang war es Zufluchtsort für Gäste, die Stille und Abstand vom Alltag suchten. Weil die beiden Schwestern jedoch keinen Nachwuchs finden, haben sie sich dazu entschlossen, das Haus im Juni aufzugeben. Damit verlassen Hamburgs einzige Nonnen – also Ordensschwestern, die sich überwiegend dem Gebet widmen – die Hansestadt.
Gründung in Hamburg als Experiment
Der Ordensniederlassung in Finkenwerder wurde 1999 von einem Karmelitinnenkloster im hessischen Hainburg aus gegründet. Zeitweise lebten dort bis zu neun Schwestern. Entscheidend für die Karmelitinnen sei das "innere Gebet", bei dem jeder in der Stille in den Dialog mit Gott eintrete, erklärt Schwester Miriam in weichem schwäbischem Akzent. "Das ist Übungssache", lächelt sie. Neben den klassischen klösterlichen Gebetszeiten halten die Schwestern jeweils morgens und abends eine Stunde lang Stille.
"Die Gründung in Hamburg war ein Experiment", erzählt die studierte Heilpädagogin, die von Anfang an dabei war. Während die Nonnen in anderen Klöstern sehr zurückgezogen lebten, habe man in Finkenwerder versucht, sich zu öffnen. Das Kloster pflegt enge Kontakte zu den Katholiken im Stadtteil: Die Schwestern leben im ehemaligen Pfarrhaus, in der benachbarten Kirche – einem Betonbau aus den 50er-Jahren – gestalten sie die Gottesdienste mit. Anders als in traditionellen Klosterkirchen gibt es keinen getrennten Bereich für die Nonnen. "Wir gehen durch dieselbe Tür ein und aus wie die Gemeindemitglieder. Da kommt man natürlich ins Gespräch."
Darüber hinaus öffneten die Schwestern ihr Kloster für Außenstehende. Sie luden zu Besinnungstagen und längeren Aufenthalten ein. In das 2013 in Betrieb genommene Gästehaus kamen bis zu 150 Menschen im Monat – vom Studenten bis zum Manager. Die Nachfrage sei im Laufe der Zeit gestiegen.
„Zu zweit schafft man's einfach nicht mehr.“
"Die Menschen suchen etwas, das sie hält und dem sie vertrauen können", erklärt sich Schwester Miriam den Zulauf. "Das liegt auch an der Schnelllebigkeit unserer Zeit." Die Stille sei für manchen eine Herausforderung, erzählt Schwester Maria, ausgebildete Ärztin. "Aber viele unserer Gäste waren am Ende überrascht, wie gut ihnen das Schweigen tut."
Wichtig war den Ordensfrauen auch der Kontakt in den Ort hinein, nicht zuletzt zur evangelischen Nachbargemeinde – beim Rummel "Karkmess" etwa, wo es jedes Jahr einen ökumenischen Gottesdienst gibt. "Das war natürlich für uns sehr ungewöhnlich: Karmelitinnen auf dem Auto-Scooter!", sagt Schwester Miriam und lacht. "Aber da kommen 100 Leute – und sicher auch solche, die sonst nicht so in den Gottesdienst gehen."
Entscheidung nicht leichtgefallen
Die Entscheidung, das Kloster aufzugeben, haben sich die beiden Schwestern nicht leicht gemacht. Sie fiel nach einer längeren Auszeit, die sie vergangenes Jahr nahmen. "Zu zweit schafft man's einfach nicht mehr", sagt Schwester Maria. Seit ihrem Entschluss gehen bei ihnen viele Anrufe und E-Mails ein. "Die Menschen sind bestürzt, dass wir weggehen, und zugleich dankbar für unsere Arbeit."
Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße dankte den Ordensfrauen für ihr Gebet und ihre Begleitung von Menschen. "Wir verlieren ein wichtiges geistliches Zentrum im Erzbistum und vor allem in der Stadt Hamburg", schreibt Heße in einer Grußbotschaft. "Dieser Ort wird uns fehlen."
Der Erzbischof wird die Nonnen in einem Gottesdienst am 11. Juni offiziell verabschieden. Wie es für Schwester Maria weitergeht, steht noch nicht fest. Schwester Miriam will sich einem Karmelitinnenkloster bei Freiburg anschließen. Beiden stockt die Stimme, wenn sie davon erzählen: "Wir gehen in dem Bewusstsein, dass eine Lücke entsteht."