Erzbischof Becker: Katholische Schulen bei Demokratiebildung gefordert
Katholische Schulen können nach Ansicht des Paderborner Erzbischofs Hans-Josef Becker einen wichtigen Beitrag zur Demokratiebildung leisten. Sie hätten "mit ihrem Bildungsanspruch auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes und christlicher Werte ein besonderes Potenzial und die Chance, dazu beizutragen, dass sich Kinder und Jugendliche als Person entfalten", sagte der Schulkommissions-Vorsitzende der Bischofskonferenz am Freitag in Erfurt beim Auftakt eines Bundeskongresses katholischer Schulen zum Thema "Freiheit und Demokratie". "Dabei geht es nicht um reinen Individualismus oder einen Individuums-bezogenen Ansatz, der auf pure Selbstoptimierung reduziert wird", betonte er zugleich.
Becker räumte ein, mit christlicher Erziehung und Bildung allein sei noch "keine Garantie verbunden, dass nicht doch der Eine oder die Andere für totalitäre Ideologien anfällig ist und ihnen hinterherläuft". Auch an katholischen Schulen gebe es Probleme mit Antisemitismus und der Ausgrenzung von Menschen anderer Religionen und Kulturen. "Gerade aus diesem Grund müssen wir uns diesen Themen und Herausforderungen stellen und diese in den Blick nehmen. Der Umgang mit Pluralität und Diversität muss gelernt und eingeübt werden", so der Erzbischof.
Gerade die gegenwärtige Situation zeige deutlich, dass Freiheit und Demokratie eine Demokratieerziehung erforderten, die zur Übernahme von Verantwortung befähige. Für Pädagoginnen und Pädagogen bedeute das, Haltung zu zeigen und demokratische Werte zu vermitteln. "Dabei gilt es, besonders die Sorgen und Ängste der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen in den aktuellen Krisensituationen aufzunehmen", so Becker. "Hier können die Kirchen durch die konfessionellen Schulen einen substanziellen Dienst am Menschen und an der Gesellschaft leisten."
Keine Indoktrination
Katholische Schulen dürften jedoch "auf keinen Fall Schülerinnen und Schüler mit ihrem Glauben und mit ihren Ansichten überwältigen oder gar indoktrinieren", betonte Becker. "Aber sie können Kinder und Jugendliche einladen, eine andere – eine transzendente – Perspektive wahrzunehmen und den Horizont zu weiten, indem sie die Frage nach Gott offenhalten."
Becker hob hervor, über die Schulen erreiche die Kirche Präsenz in der Gesellschaft und Sichtbarkeit durch ein "äußerst anerkanntes, qualitätvolles kirchliches Angebot". Er versicherte: "Trotz aller finanzieller Diskussionen und Strategieentwicklungen bleiben katholische Schulen unverzichtbar für die katholische Kirche in Deutschland."
Vorab hatte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr während eines Wortgottesdienstes in der Augustinerkirche Katholische Schulen als Leuchttürme in der säkularen Gesellschaft bezeichnet. Diese vermittelten ein Wertefundament, das auf Verlässlichkeit und die Prinzipien christlicher Hoffnung gründeten und somit unverzichtbar seien. Zudem hatte Neymeyr über den Zusammenhang von Gemeinschaft und Freiheit gesprochen. Gemeinschaft setze Freiheit frei, beschränke diese für den einzelnen aber auch. „Das auszutarieren ist eine große pädagogische Aufgabe der Schulen“, sagte der Bischof.
Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Ursula Münch, betonte: "Selten war schulische politische Bildung so relevant wie heute." Die Bedeutung steige angesichts des wachsenden Drucks auf die liberale Demokratie und eine zunehmende Digitalisierung. Dadurch verändere sich der öffentliche Diskurs und könne stärker manipuliert werden. "Man kann den Schutz von Freiheit und Demokratie nicht dem Staat überlassen", so Münch. Bundesweit gibt es rund 900 allgemeinbildende und berufsbildende Schulen in katholischer Trägerschaft. Sie haben insgesamt etwa 360.000 Schülerinnen und Schüler. (rom/KNA)
21.05., 15 Uhr: ergänzt um weitere Informationen.