München als Hauptstadt der Ökumene?
Mit "mein Bruder" meint Marx den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Der 54-Jährige gilt als einer der Favoriten für den EKD-Ratsvorsitz. Gewählt wird an diesem Dienstag in Dresden. Würde Bedford-Strohm tatsächlich oberster Repräsentant der gut 23 Millionen Protestanten in Deutschland, stünde München künftig im Zentrum der beiden großen Konfessionen.
Die Zusammenarbeit der Wortführer beider Kirchen liefe direkt und auf kurzem Weg über Marx und Bedford-Strohm. Der eine steuert vom Erzbischöflichen Palais in der Kardinal-Faulhaber-Straße die Geschicke der 24 Millionen Katholiken. Bedford-Strohm bliebe als EKD-Ratsvorsitzender evangelischer Landesbischof und könnte im Landeskirchenamt in der Katharina-von-Bora-Straße die Protestanten deutschlandweit führen.
Marx und Bedford-Strohm treffen sich regelmäßig
Es ist kein Geheimnis, dass Marx und Bedford-Strohm gut miteinander können. Beide treffen sich regelmäßig, beide vertreten die Interessen ihrer jeweiligen Kirche offensiv und eloquent. Dass Marx den evangelischen Landesbischof als "mein Bruder" anspricht, sagt viel über das Vertrauensverhältnis aus. Und auch Bedford-Strohm lässt kaum eine Gelegenheit aus, den Münchner Erzbischof als verlässlichen Partner in allen Fragen der Ökumene zu loben.
Als Marx im März zum Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz gewählt wurde, würdigte Bedford-Strohm das "intensive ökumenische Miteinander". Und fügte hinzu: "Wenn wir als christliche Kirchen in Deutschland mit vereinter Stimme sprechen, wird es uns gelingen, die Orientierungskraft des christlichen Glaubens heute für die Menschen in Deutschland wieder deutlicher sichtbar werden zu lassen."
Bei aller Annäherung stößt das Miteinander von Katholiken und Protestanten freilich auch an Grenzen. Während die evangelischen Christen Katholiken in ihren Kirchen gerne zum gemeinsamen Abendmahl einladen, bleibt umgekehrt Protestanten die Kommunion in katholischen Gotteshäusern offiziell verwehrt.
Papst beim Reformationsgedenken?
Als Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrates zur Reform der römischen Kurie ist Marx einer der engsten Vertrauten von Franziskus, aber er wird sich kaum als Übermittler von Botschaften der EKD an den Papst einspannen lassen wollen. Gefragt, ob er dem Papst eine eventuelle Einladung der deutschen Protestanten zum 500. Reformationsgedenken im Jahr 2017 in Wittenberg überbringen würde, meinte Marx, darum müsse sich die EKD schon selber kümmern.
Ohnedies glaubt er kaum, dass Franziskus kommen würde: "Ich kann mir das nicht vorstellen", sagte er erst am Donnerstag. Und fügte süffisant lächelnd hinzu: "Da wäre Luther etwas in den Hintergrund gedrängt, wenn der Papst auch noch kommt."
Voraussichtlich kommt ein weiterer führender Religionsvertreter demnächst aus Bayern. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Josef Schuster, ist designierter Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Der 60 Jahre alte Arzt aus Würzburg soll Ende November zum Nachfolger von Dieter Graumann gewählt werden, der nach vier Jahren an der Spitze des Zentralrates nicht mehr kandidiert.
Von Paul Winterer (dpa)