"Zwei Wohnungen in einem Haus"
Zu ökumenischen Gottesdiensten können die Mauern der beiden Kirchen zur Seite gefahren werden, so dass ein großer, gemeinsamer Gottesdienstraum entsteht. Acht Jahre alt ist die Maria-Magdalena-Kirche in dem Freiburger Stadtteil, dessen erste Häuser Mitte der 1990er-Jahre gebaut wurden. 10 000 Menschen wohnen heute dort.
In der Anfangszeit gab es noch keine Kirche. "Wir wollten zuerst die Gemeinde bauen und dann erst die Kirche", sagt der katholische Pfarrer Konrad Irslinger, der zuvor in einer anderen Freiburger Pfarrei tätig war. Für die Pionierarbeit ließ er sich ins Rieselfeld versetzen. Als erstes gründete er mit der evangelischen Kirche zusammen einen gemeinsamen Kirchenladen.
Weil 40 Prozent der Rieselfelder weder katholisch noch evangelisch sind und ursprünglich zwei etwas abgelegenere Bauplätze für die christlichen Kirchen vorgesehen waren, entstand die Idee einer gemeinsamen Kirche. Diese fand in Freiburgs damaligem Baubürgermeister Wulf Daseking einen prominenten Fürsprecher. Mitten im Herzen des neuen Stadtteils konnte so nach den Plänen der Kölner Architektin Susanne Gross eine von beiden Konfessionen genutzte Kirche gebaut werden. Im Jahr 2004 weihten Landesbischof Ulrich Fischer und Weihbischof Paul Wehrle die Maria-Magdalena-Kirche ein.
Ökumenisch bis in den Kirchenladen
"Es ist ein Haus mit verschiedenen Wohnungen", beschreibt Irslinger das Leben im ökumenischen Gemeindezentrum: "Wir sind eine Gemeinde mit katholischer Identität, die die ökumenischen Gemeinsamkeiten lebt." Im Laufe der Jahre sind zahlreiche Bereiche ökumenisch gestaltet worden. Der Kirchen- und der Kinderchor singen für beide Teile der Kirche im Rieselfeld, Sozialprogramme oder Seniorengruppen sind ökumenisch.
Auch der Kirchenladen, mittlerweile im Kirchengebäude integriert, wird nach wie vor ökumenisch betrieben. Einmal in der Woche steht jeder Seelsorger dort zum Gespräch bereit. Neben fair gehandelten Produkten bietet der Rieselfelder Kirchenladen auch Bücher und andere Kleinigkeiten. Die waren besonders in den Anfangsjahren des Stadtteils gefragt, als es hier noch wenige andere Geschäfte gab.
Der Tante-Emma-Ersatz für Lebensmittel und Alltägliches ist heute überflüssig. Erst vor Kurzem hat gegenüber der Kirche ein weiterer Supermarkt eröffnet. Für Gespräche ist der Kirchenladen weiterhin eine wichtige Anlaufstelle. "Die Menschen reagieren oft staunend aber auch anerkennend, dass hier beide Gemeinden gemeinsam auftreten", sagt Irslinger. "Auf jeden Fall werden wir wahrgenommen und akzeptiert."
"Ein Glücksfall"
Für Irslingers evangelischen Kollegen, Pfarrer Raimund Fiehn, ist die gemeinsame Kirche "ein Glücksfall": finanziell und fürs Gemeindeleben. Weil im Rieselfeld weniger evangelische als katholische Christen wohnen, hätte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der evangelischen Kirche "nichts Gescheites" erreicht werden können, so Fiehn. Jetzt aber ist er zufrieden: "Klare Regelungen ermöglichen das praktische Zusammenleben wie in einem Mehrfamilienhaus und auch beim ökumenischen Miteinander sehe ich heute keinen Nachbesserungsbedarf mehr."
Ob beim gemeinsamen Patronatsfest für Maria Magdalena oder beim Erntedankfest - die ökumenischen Gottesdienste seien das Herzstück des Hauses, meint Fiehn und denkt dabei besonders an die Entwicklung der ökumenischen Liturgie. Zuerst hatten die katholische und die evangelische Liturgie abwechselnd den Rahmen für die ökumenischen Gottesdienste vorgegeben. Mittlerweile ist beides kombiniert und die Rieselfelder beten Psalmen, wie im evangelischen Gottesdienst und wünschen den Frieden, wie nach katholischer Liturgie, berichtet Fiehn.
Zu Weihnachten rücken die beiden Gemeinden dann für den ganzen Stadtteil sichtbar zusammen: Sie veröffentlichen ein gemeinsames "Blättle", wie die Informationen der Gemeinde typisch badisch genannt werden. Und wenn am Vierten Advent die Gläubigen das Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" singen, wissen sie, dass es bis zum ökumenischen Gottesdienst am Heiligen Abend in ihrer Kirche genauso kommen wird. Denn dann bewegen sich dort wieder die Wände.
Von Benedikt Plesker